USA/D 2003 · 110 min. · FSK: ab 16 Regie: Patty Jenkins Drehbuch: Patty Jenkins Kamera: Steven Bernstein Darsteller: Charlize Theron, Christina Ricci, Bruce Dern, Lee Tergesen u.a. |
||
Charlize Theron und Christina Ricci |
Monster ist kein schlechter Film. Ein wirklich guter allerdings auch nicht. Gerade diese unsägliche Mittelmäßigkeit überrascht angesichts des Hypes um dieses Werk, angesichts des Oscars für Hauptdarstellerin Charlize Theron und seines »Themas«.
Theron ist eine gute Schauspielerin, stimmt. Oft wird sie von ihren Regisseuren unter Niveau besetzt, als bloßes »Love Interest« für Keanu Reeves, Matt Damon. Stimmt auch. Aber in diesem Fall ist nicht nur die Schönheit dieser Frau, sondern auch ihre darstellerische Subtilität unter soviel Make Up, künstlichem Gebiß und künstlichen, bzw. angefressenen Fettpolstern, betont »unweiblichen« Bewegungen, fettigen Strubbelhaaren, häßlichen Klamotten, etc.pp versteckt worden, dass von beidem nichts mehr übrig bleibt. Mit einem Wort: Es wirkt, als ob sie chargiert. Dass Theron vielleicht auch hier gut spielt, kann man vor lauter Manierismen gar nicht mehr erkennen.
Das Thema ist verschenkt: Der Film vermutet, »fühlt ein«, vor allem behauptet er. Darin ist Monster im schlechten Sinne amerikanisch. Dass er sentimentalisiert, der Härte ausweicht, wo es geht. Auch noch pseudo-psychologische Rechtfertigungen liefert, zumindest bei dem ersten Mord der späteren Serienkillerin Aileen Wuornos. Der war nämlich keiner, suggeriert Jenkins, die darin – warum auch nicht? – ganz die Position ihrer Verteidigung im Prozeß übernimmt. Und Liebe muss natürlich das letztliche Motiv sein. Ist alles erlaubt. Ist aber irgendwie auch schrecklich konventionell. Was vor allem deshalb auffällt, weil der Film so pseudomäßig unkonventionell daherkommt, bzw. vermarktet wird.
Wo es wirklich interessant wird, weicht der Film aus. Lesbische Liebe – fast völlige Fehlanzeige. Der Verrat zweier Liebender? Zwei Sätze, drei Blicke, die letzten fünf Filmminuten. Der Prozeß? Zwei Einstellungen. Die politische Vermarktung des Falls, die Hinrichtung durch Jeb Bush, um seine Wiederwahl zu sichern, die Verdammung Wuornos zum »Monster«, die kulturelle Provokation, dass eine Frau – »das schwache Wesen«, das potentielle Opfer – zur Täterin, Mörderin – von Männern!, aus Habgier! – wird? Alles Fehlanzeige. Eine einzige Szene ist so hart, wie der ganze Film hätte sein müssen: der letzte Mord, der die Sache endlich mal als das zeigt, was sie vermutlich war: Eine ziemliche Schweinerei.
Trotzdem: Generell fehlt die Härte. Lieber hätte man die Geschichte als Film Noir im Stil der 40er gesehen: Cool, schwarzweiß. Und dann hätte Theron auch schön aussehen dürfen, und trotzdem glaubwürdig sein. Theron gönnen wir den Oscar natürlich trotzdem sehr – weil sie wirklich eine gute Schauspielerin ist.
Aileen Wuornos wurde 2002 in Florida hingerichtet, nachdem sie in den 90er Jahren als (angeblich) »erste Serienmörderin« in den USA Aufsehen erregte. Die Prostituierte erschoss mehrere Freier und raubte ihnen Geld und Auto. In vielen Medienberichten wurde sie als kaltblütige oder aufbrausende, jedenfalls abgebrühte Frau außerhalb der Gesellschaft dargestellt, die skrupellos unschuldige Männer erschoss. Das ist eine mögliche Sicht.
Eine andere Geschichte erzählt Patty Jenkins in Monster: Eine Frau, nach lebenslanger sexueller Ausbeutung am Rande des Selbstmordes, verliebt sich und versucht, ein neues Leben zu beginnen. Das Ende ist bekannt. Doch der Weg dahin ist spannend und einfühlsam erzählt.
Wäre dieser Film aus Europa statt den USA, würde man ihn vermutlich »antiamerikanisch« nennen: zu schlecht kommt die religiös bornierte, sexuell verklemmte, moralisch verlogene und juristisch marode Gesellschaft jenseits der dortigen Großstädte weg, in der nur überlebt, wer sich anpassen kann. Aber Patty Jenkins ist eine amerikanische Regisseurin. Der »Fall Wuornos« weckte schon früh ihr Interesse, und sie suchte Kontakt zu der Verurteilten in der Todeszelle, die kurz vor ihrer Hinrichtung dem Filmprojekt ihre persönliche Korrespondenz zur Verfügung stellte.
Der daraus entstandene Film erzählt die Geschichte einer Frau, die auf den falschen Weg gerät. Dass Jenkins dabei emotional vorgeht und Einfühlung in das »Monster« vor dessen Verurteilung setzt, ist ihr von der Kritik teilweise übelgenommen worden. Doch die Annahme, sie wolle die Morde verharmlosen oder gar entschuldigen, ist der differenzierten Umsetzung nicht angemessen. Jenkins und ihre Hauptdarstellerin (und Co-Produzentin) Charlize Theron wissen, dass schmerzhafte Erfahrungen keine Rechtfertigung sind, anderen zu schaden.
Erschöpfung, Enttäuschung vom Leben spiegeln sich deutlich in Aileens Gesicht. Wer Theron als unterfordertes Dekorationsstück auf der »Wetten, dass...?«-Couch gesehen hat, kann die Wucht kaum fassen, mit der die Schauspielerin den Charakter der Außenseiterin auslotet, deren Ängste und Hoffnungen spürbar macht. Therons viel beschworener Mut zur Hässlichkeit offenbart sich eher in der Offenheit der Darstellung von Aileens geschundener Seele und ihren unentschuldbaren Gewaltausbrüchen, als in Äußerlichkeiten.
Dahinter fallen die übrigen Darsteller unverdient zurück: Christina Ricci überzeugt als naiv-ignorante Geliebte Selby, die Aileen braucht, um sich von ihrer unverständigen Familie lösen zu können, und die sie schließlich doch verrät. Ihrer Illusionslosigkeit steht die im Kleinmädchengesicht festgeschriebene Weigerung radikal entgegen, die hässliche Realität hinter Aileens Geldbeschaffung wahrzunehmen. Bruce Dern in der Rolle als abgeklärter Vietnamveteran weiß um die Wunden, die die Gesellschaft einem Menschen schlägt und nicht verzeiht, er brilliert als einziger Freund einer Frau, die sonst keinem Mann mehr traut.
Geschickt inszeniert Jenkins die verzweifelte Liebesgeschichte zweier haltloser Menschen und die tragische Verwandlung der Protagonistin vom wehrlosen Opfer zur haltlosen Mörderin. Die dramaturgische Zuspitzung, die zunehmende Brutalität der Morde stellt bei aller Empathie die Zuschauer vor die Frage, wann die Grenze zwischen Verteidigung und Rache überschritten ist. Kein leichter, aber ein guter Film, eine aufwühlende Geschichte, die einen so schnell nicht wieder los lässt!