Mufasa: Der König der Löwen

Mufasa: The Lion King

USA 2024 · 119 min. · FSK: ab 6
Regie: Barry Jenkins
Drehbuch:
Musik: Hans Zimmer, Pharrell Williams, Nicholas Britell
Kamera: James Laxton
Mufasa
Freundschaft für (n)immer...
(Foto: Disney)

Einmal König, immer König

Barry Jenkins liefert in seinem Pre-Sequel des Disney-Animationsklassikers nicht unbedingt das ab, was man hätte erwarten können

Wer sich jahrelang über die B-Auswahl an Regis­seuren für Kinder­filme geärgert hat, die dann dementspre­chend und sehr regel­mäßig C-Filme werden, für den dürfte sich die Nachricht, dass ein A- und Erwach­se­nen­re­gis­seur wie Barry Jenkins die Regie für Disneys »neuen« Der König der Löwen, für Mufasa: Der König der Löwen übernimmt, wie ein ganz seltenes Wunder anfühlen. Denn man denke nur an Martin Scorsese und seinen Hugo Cabret oder Steven Spiel­bergs E.T. – Der Außer­ir­di­sche oder an Hark Bohms Nordsee ist Mordsee! Soge­nannten Erwach­se­nen­re­gis­seuren gelingt meist, was den vielen unta­len­tierten und in die Abstell­kammer Kinder­film abge­scho­benen Regis­seuren nicht gelingt. Sie beweisen Mut und nehmen nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwach­senen ernst.

Damit kommen wir zu Barry Jenkins. Genau, jenem Barry Jenkins! Jener Jenkins, der den ganz großen, so poeti­schen wie gnaden­losen Film über afro-ameri­ka­ni­sche Iden­ti­täten Moonlight (2016) gemacht hat und die atem­be­rau­bende, histo­ri­sche Serie über ein legen­däres Kapitel der US-ameri­ka­ni­schen Sklaverei, The Under­ground Railroad (2021). Dieser Barry Jenkins also.

Doch leider gibt es für jede Regel eine Ausnahme, eine schreck­liche Binsen­wahr­heit, deren platte Ausfor­mu­lie­rung mir allein schon Schmerzen bereitet und noch einmal mehr, als sie leider auch für Barry Jenkins' Ausflug in das Genre Fami­li­en­film gilt.

Dabei ist es nicht einmal das dämliche Korsett, dem sich Jenkins hier unter­ordnen muss. Einem der großen Disney-Klassiker, des 2019 erschie­nenen, foto­rea­lis­tisch animierten Remakes des »normal« animierten Klas­si­kers Der König der Löwen aus dem Jahr 1994. Mufasa ist Sequel und Prequel zugleich, was ganz und gar nicht stört, denn jede Inno­va­tion ist ja meist eine Über­ra­schung, aber in Jenkins' Mufasa über­rascht leider überhaupt nichts, nicht mal dieser erzäh­le­ri­sche Kuss mit Zungen­schlag, ist es doch nicht mehr als eine platte Rahmen­er­zäh­lung in der Zukunft, die die Vergan­gen­heit und das Coming-of-Age der Helden des alten Klas­si­kers erzählt – und dabei so unrhyth­misch mitein­ander verschränkt wird, dass man aus der eh schon sehr brüchigen Kern­er­zäh­lung unnötig raus­ge­worfen wird und kaum wieder rein­findet, geht es endlich weiter.

Aber schlimmer als nimmer ist die Erzählung selbst, die nach dem Drehbuch von Jeff Nathanson (Genau, jenem Jeff Nathanson, der schon die Fort­set­zung eines anderen Klas­si­kers in Grund und Boden geschrieben hat), die neben ein paar lauen Musical-Einlagen eine einzige Verfol­gungs­jagd ist oder besser: ein Roadmovie für ein paar Löwen, die sich ihrer selbst bewusst werden. Wessen sie sich da bewusst werden, ist dann der eigent­liche Skandal, obwohl dieses Wort eigent­lich zu groß ist, um die Fanta­sie­lo­sig­keit des Drehbuchs in Worte zu fassen. Denn zwar rückt Mufasa von den faschis­to­iden Macht­fan­ta­sien der Vorgänger zumindest ein wenig ab, repro­du­ziert hier aber ein derartig klas­si­sches, hetero-norma­tives Bezie­hungs­ste­reotyp mit den üblichen Hier­ar­chien zwischen männ­li­chen und weib­li­chen Wesen, dass man sich in frühesten Disney-Zeiten wähnt. Denn schon ganz früh wird der span­nendste Charakter des Films, Taka (später Scar), für seinen Mut, kein König sein zu wollen und erst recht nicht das typische Alpha-Männchen, gnadenlos abge­straft, indem Mustafa, der spätere Vater von Simba, selbst ohne erkenn­bare »Blutlinie« zeigt, dass er das Herrschen und die Weisheit und das ideale Männer­bild im Blut hat und ihm deshalb selbst die stolzeste Prin­zessin zu Füßen liegt, auch wenn sie es erst gar nicht will. Aber auch sie erkennt natürlich in dem ebenfalls um sie werbenden Taka nur den unmänn­li­chen Loser, der er eigent­lich nicht ist.

Und die Bösen? Sind – ange­sichts von Barry Jenkins' dezidiert afro-ameri­ka­ni­scher Perspek­tive und seiner lang­jäh­rigen Beschäf­ti­gung mit weißen Unter­drü­ckungs­me­cha­nismen – die Weißen. Die weißen Löwen selbst­ver­s­tänd­lich, die so mächtig sind, dass sie die »farbigen« Löwen nicht nur spora­disch locker vernichten, sondern auch noch korrum­pieren. Alles so wie im wirk­li­chen Leben, nur alles auch ein wenig sche­ma­ti­scher, denn schließ­lich will Jenkins, will Disney hier ja die ganze Familie bedienen.

Doch die wird es nicht nur wegen der ausge­latschten, völlig über­ra­schungs­losen Geschichte schwer haben, diesen Film lieb­zu­ge­winnen. Denn wie schon im Remake von Jon Favreau (Der König der Löwen) kann man sich ange­sichts der Entschei­dung, sich von der klas­si­schen Animation bzw. der compu­ter­ani­mierten Animation zu entfernen und den foto­rea­lis­ti­schen Weg zu beschreiten, nur an den Kopf fassen. Dabei sei nichts gegen foto­rea­lis­ti­sche Kunst gesagt, man denke nur an die groß­ar­tigen Gemälde von John Chevelle, Gerhard Richter oder Franz Gertsch. Doch für die Tierwelt des ethno-kitschigen Settings in Mufasa: Der König der Löwen ist es gewis­ser­maßen der K.o.-Schlag. Wer die spre­chenden – nicht CGI-animierten Tiere und ihre ends­hohlen Witze auf Kika kennt, weiß um die Proble­matik, dass im Grunde nur die gespro­chenen Worte bleiben, um die Tiere zu vermensch­li­chen. In Mufasa wird jedoch viel verfolgt und damit wenig gespro­chen, was zur Folge hat, dass man immer wieder die Charak­tere »verliert«, weil nicht klar ist, wer jetzt wen verfolgt. Und auch wenn es dann zu Sprech­akten kommt, ist die Mimik der Betei­ligten derartig reduziert, dass einem sofort die Gefahren einer Botox-Über­do­sie­rung in den Sinn kommen, aber vor allem die Frage, wie Disney, die doch aus simpler Erfahrung gerade um die Vorteile der zeich­ne­ri­schen, meta-realis­ti­schen Darstel­lung von Tieren wissen müssten, sich auf ein derartig abstruses Abenteuer einlassen können. Immerhin bietet dieses Rätsel­raten ein wenig Spannung, vor allem das aller­größte Rätsel, der, die, das, wer, wie, was, wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt, bleibt dumm, sich Barry Jenkins überhaupt auf dieses Abenteuer einge­lassen haben mag.