Deutschland 2024 · 131 min. · FSK: ab 12 Regie: Marcus O. Rosenmüller Drehbuch: Alice Brauner Kamera: Namche Okon Darsteller: Vanessa Loibl, Vladimir Burlakov, Julian Koechlin, Felix Klare, Monika Gossmann u.a. |
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Konzentration auf die Liebe... | ||
(Foto: Camino) |
Bevor der Film losgeht, wird per Schrifttafel nicht nur betont, dass der Zuschauer es hier mit »authentischen Ereignissen« zu tun bekommt, sondern obendrein, dass nur im Falle »historischer Leerstellen« die Handlung fiktionalisiert wurde. So weit wie möglich wurde also auf vorliegende Fakten – festgehalten etwa in Briefen und Tagebüchern – zurückgegriffen. Das war der treibenden Kraft hinter diesem Film wohl sehr wichtig: Die Kunsthistorikerin Alice Brauner – Tochter des legendären Nachkriegs-Filmproduzenten Atze Brauner – betreute jahrzehntelang die Dauerausstellung »Der Blaue Reiter« als Kuratorin im Münchner Lenbachhaus, darf also als Expertin in Sachen Münter und Kandinsky angesehen werden.
Die wesentliche Handlung des Films passiert zwischen 1901 und 1914, denn in diesem Zeitraum spielte sich im Wesentlichen das Verhältnis der Beiden ab. Wir haben es also mit einem Historiendrama – auf Englisch viel schöner: »Period Piece« – zu tun. Das Problem bei solcherart Filmen ist naturgemäß die Finanzierung, denn es kostet ein Vermögen, etwa eine Straßenszene im München des Jahres 1901 mit allem Drum und Dran (Bauten, Fahrzeuge, Komparsen) nachzustellen. Mit Computer-generierten Bildern wird es momentan leider immer noch teurer. Da beides aber der Produktionsetat nicht hergab, ist Münter & Kandinsky in weiten Teilen ein Kammerspiel geworden. Aber auch hier hat man in Bezug auf Kostüme und Ausstattung – so wird betont – auf historische Genauigkeit geachtet. Man darf also davon ausgehen, dass jede hier zu sehende Kaffeetasse noch in der Kaiserzeit hergestellt wurde.
Im Zentrum des Films steht ganz und gar Gabriele Münter, die von Vanessa Loibl zwar mit wenig Ähnlichkeit, aber großer Leidenschaft gespielt wird. Münter lernt den damals noch aufstrebenden Russen Kandinsky (Tatort-Kommissar Vladimir Burlakov) als Lehrer einer privaten Malschule in München kennen. Die Beiden verlieben sich, obwohl Kandinsky elf Jahre älter und vor allem noch verheiratet ist. Und wie so viele Männer in dieser Situation verspricht er seiner Geliebten viel und hält wenig. Die Szenen, in denen sich die Protagonisten mit diesen Problemen beschäftigen, gehören natürlich meist zu den eingangs erwähnten »historischen Leerstellen«, die von der Drehbuchautorin Alice Brauner voller Sympathie für die Hauptfigur aufgefüllt wurden.
Münter erscheint hier nicht nur als das, was sie mit Sicherheit war: eine visionäre Künstlerin, die den Weg vom Impressionismus zum Expressionismus findet, sondern eben auch als selbstbewusste Frau, die dem »Großkünstler« Wassily Heuchelei und Egomanie vorwirft, während er die Legalisierung ihrer Beziehung immer wieder hinauszögert.
Der Film konzentriert sich dabei ganz auf die Beziehung der Liebenden, lässt die Künstlergruppe Phalanx oder das befreundete Malerpärchen Jewlensky/Werefkin, mit der sie 1908 zusammen nach Murnau am Staffelsee ziehen, eher peripher erscheinen. Sogar bei der Gründung des Blauen Reiters wirken die beteiligten Maler Paul Klee und Franz Marc eher wie Staffage. Auch das Wiedersehen mit Marianne Sägebrecht (als Münters Vermieterin) fällt sehr knapp aus. Es ging Alice Brauner und Regisseur Marcus O. Rosenmüller eben ausdrücklich darum, Gabriele Münter endlich als gleichberechtigte Hauptfigur neben den in der Kunstgeschichte bestens etablierten, männlichen Malern in Szene zu setzen. Dazu dienen auch die Szenen, die Münter nach heftigen Trennungsschmerzen als eigenständige Frau zeigen, die sich z.B. den Jägern nach »entarteter Kunst« in den frühen 40er Jahren geschickt entzieht. Auch hier durften Autorin und Regisseur mal kreativ tätig werden.
Es ist verständlich, dass man in Zeiten von »Fake News« und dem manchmal erstaunlich freien Umgang mit historischen Tatsachen (z.B. in der Serie Bridgerton) darum bemüht ist, möglichst genau bei den Tatsachen zu bleiben, aber hier hätte manchmal ein entspannterer Umgang mit der Geschichte dem Film gutgetan. Denn die knallharten Fakten kann jeder mühelos nachlesen, aber diese
Liebesgeschichte zwischen zwei faszinierenden Menschen hätte eine lebendigere Auslegung verdient gehabt. Denn immerhin ist Münter & Kandinsky ein Spielfilm und kein Doku-Drama.
Was vielfach interpretierbare Kunst wirken kann, beweisen hier immerhin die Bilder der Künstler selbst, die hier erfreulich ausführlich zu sehen sind.