Indien 2009 · 124 min. Regie: Ravi Jadhav Drehbuch: Ravi Jadhav Kamera: Mahesh Limaye Darsteller: Atul Kulkarni, Vibhavari Deshpande, Sanalee Kulkarni, Kishore Kadam, Priya Berde u.a. |
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Indisches Volkstheater |
Manche Plots taugen anscheinend für alle Orte und Zeiten. Führt noch irgendwer Strichliste, wieviele Full Monty-Variationen sich inzwischen angesammelt haben? Von Calendar Girls bis zu japanischen und schwedischen Männer-Wasserballets. Und jetzt halt auch noch arbeitslos gewordene indische Wasserträger, die sich in der Not zur Volkstheatertruppe formieren.
Weil Natarang zwar kein Bollywood-Film ist, aber indisches Unterhaltungskino, bleibt’s freilich nicht bei diesem einen gemopsten Bauplan: Da kommt dann noch ein Schuss Billy Elliot hinzu, und irgendwann nimmt’s eine Wendung ins eher (Melo-)Dramatische und fühlt sich mehr nach Crying Game an – nicht wegen irgendwelcher Überraschungsmomente, sondern im Sinne eines Genderfragen-Rührstücks, das ziemlich dunkle Züge annimmt, Vergewaltigung inbegriffen.
Denn der Protagonist übernimmt die traditionelle Rolle des Travestie-Komikers in seiner Truppe, und das wirft dann allerlei Probleme in Bezug auf seine Alltagsrolle als Mann auf. Das unterscheidet Natarang – der auch in seiner Inszenierung, sagen wir mal, recht volkstheaterhaft zugeschnitten ist (sprich: zum Handwerk von Bollywood fehlt’s ein gutes Stück) – vom Komödienstadl. (Wobei: Gibt’s nicht auch bei Peter Steiner und Konsorten immer wieder den Topos des Manns, der zur allgemeinen Gaudi sich mit Dirndl und Perrücke verkleiden muss? Doktorarbeitsthema zu vergeben!)
Mein größtes Problem mit dem Film war, dass ich schlicht von der spezifischen Volkstheater-Tradition, die Natarang feiert, keinerlei Ahnung habe. Und der – nunmal fürs einheimische Publikum gedrehte – Film da eine gewisse Vertrautheit voraussetzt. Das, was er dem völlig Ungebildeten davon zeigt und vermittelt, sah für mich, sorry, ganz ehrlich nicht nach großer Kunst aus (will ja aber auch keine »große« Kunst sein). Und die Probleme um die Travestie-Komiker-Figur sind ohne den entsprechenden kulturellen Background auch nur bedingt nachzuvollziehen. Weil der Film narrativ und ästhetisch nach üblichen Maßstäben auch leicht holprig und unbeholfen ist, hatte er letztendlich für mich mehr anthropologisches Interesse – ein kleiner Einblick in eine andere Kultur, die einem mal unerwartet nah scheint, dann wieder arg rätselhaft.
Auf dem Filmfest München 2010 wird Natarang zu folgenden Terminen gezeigt: Sa. 26.6. 21:30 Rio 1, So. 27.6. 17:30 Rio 2 und Mo. 28.6. 16:30 Rio 1