USA 1996 · 101 min. · FSK: ab 16 Regie: John McNaughton Drehbuch: Peg Haller, Bob Schneider Kamera: Jean de Segonzac Darsteller: Ashley Judd, Luke Perry, Bruce Young, Jim True u.a. |
In seinem neuesten Film erzählt John McNaughton (der Regisseur von Henry – Portrait of a Serial Killer) die wahre Geschichte eines Gangsterpärchens, das bei einem versuchten Banküberfalls von der Polizei geschnappt wird. Als Rückblick wird geschildert, wie die beiden sich kennengelernt haben und zur Kriminalität gekommen sind. Obwohl beide aus bescheidenen Arbeiterverhältnissen kommen – Chris war ursprünglich sogar rechtschaffener Polizist – und die Überfalle mehr oder weniger der unfreiwillige letzte Ausweg aus ihrer finanziellen Notlage sind, sei dies kein »Bonnie & Clyde«-Film, betont McNaughton. Seine Absicht sei es gewesen, mit diesem authentischen Einzelfall das Schicksal vieler amerikanischer Working Class People zu zeichnen, die es wie im Film zu Tausenden in den Vorstädten gibt, die aber bislang niemanden haben, der für sie spricht. Dies ist eine durchaus gutzuheisende Absicht, vor allem wenn ein solch gleichsam aufrüttelnder wie unterhaltsamer Film dabei herauskommt.
Problematisch ist blos, das der im Film (zufällig) Pam Anderson genannte Charakter durch seine emotional wie psychisch extremen Ausbrüche eine Art Sonderrolle einnimmt und somit schwer als Fallbeispiel fungieren kann. Man meint nämlich vielmehr, das detaillierte – doch nicht ausreichend analytisch angelegte – Portrait einer psychisch Kranken vor sich zu haben, das lediglich die sichtbaren Symptome zeigt, um die Schwierigkeiten im Alltag und in der Beziehung zu dem Menschen, der sie liebt, zu schildern.
Laut McNaughton ist aber der seelische Zustand Pams ein weiteres Beispiel fur das Schicksal, in sogenannte schlechte Verhältnisse hineingeboren zu werden, wo einem derartiges widerfahren kann, wie das, was Pam zu einem solchen psychischen Wrack gemacht hat. Das ihre schweren Verhaltensstörungen aber nicht nervlich bedingter Art, sondern die Folge von schlimmen Erfahrungen in der Kindheit sind, kann wahrscheinlich nur ein geschulter Psychologe auf den ersten Blick erkennen, denn Hintergrundinformationen zu ihren Störungen fehlen fast vollig. McNaughton hatte solch erklärende Szenen zwar ursprünglich eingeplant, mußte sie aber später streichen, da die Familie der wahren Pam nicht einverstanden war. Dieses Loch verursacht jedoch einige Schwierigkeiten, was das Verständnis der ursprünglichen Intention anbelangt.
Insgesamt ist dieser in der Ästhetik eines B-movies gedrehter und somit um so realistischer wirkende Film trotzdem eines der Festival Highlights. Ashley Judd liefert eine umwerfend überzeugende Darstellung der Pam (»in fact she is a bit crazy herself«, so McNaughton über die Schauspielerin) und auch Luke Perry als ihr Mann Chris beweist, das er mehr kann, als bei jungen Mädchen Ohnmachtsanfälle auszulosen.