Deutschland 2023 · 115 min. · FSK: ab 12 Regie: Markus Goller Drehbuch: Oliver Ziegenbalg Kamera: Philip Peschlow Darsteller: Frederick Lau, Nora Tschirner, Burak Yigit, Godehard Giese, Friederike Becht u.a. |
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Trockensein ist wie Fahrradfahren: man muss stürzen, um es zu lernen... | ||
(Foto: Sony) |
»When I think of all the good time that’s been wasted having good times
When I was drinkin' / I should've been thinkin' / When I was fighting / I could've done the right thing
All of that boozin' / I was really losin'«
- Eric Burdon, Good Times
Kennt in unserer Gesellschaft natürlich jeder: irgendeinen, der den Führerschein wegen Alkohol entzogen bekommen hat, oder über den, wen nicht einen selber, gemunkelt wird, dass er den Alkohol nicht mehr im Griff hat und die vier Tage ohne in der Woche nicht mal ansatzweise packt.
Darüber einen Film zu machen und der kippenden herrschenden Genussmoral ein Sprachrohr zu sein, liegt natürlich auf der Hand; mehr noch als es ja wirklich immer suspekter ist, sich den täglichen Rausch anzutrinken, und alkoholfreies Bier so viel verkauft wird wie nie zuvor und auch in den besten Restaurants die Auswahl an alkoholfreien Weinen immer besser wird.
Dass sich nun Markus Goller und Oliver Ziegenbalg dieses Themas annehmen, die mit ihrer Wohlfühlkomödie 25 km/h nicht nur die Schallmauer von einer Million Zuschauer geknackt haben, sondern ein durchaus immer wieder überraschendes und schauspielerisch starkes Roadmovie hingelegt haben, macht dann noch einmal mehr neugierig.
Es ist dann allerdings keine Wohlfühlkomödie, sondern bestenfalls eine Tragikomödie, die Goller (Regie) und Ziegenbalg (Drehbuch) hier entwickelt haben, und vielleicht noch mehr als das, ist One for the Road ein mit Frederick Lau und Nora Tschirner schauspielerisch exzellent besetzter Aufklärungsfilm, der zeigt, was passiert, wenn man zu viel Alkohol trinkt und trotz aller Mühe, von dem Zeug loszukommen, auch vor Rückfällen nicht gefeit ist.
Goller und Ziegenbalg setzen dafür die üblichen Verdächtigen in Szene. Sie zeigen, dass es jeden treffen kann: einen erfolgreichen Bauleiter genauso wie die nette Grundschullehrerin. Dass die Peer-Group dabei immer ein Problem ist, und dann die Gesellschaft, die nun mal Alkohol als gesellschaftskonforme Droge zugelassen hat, fast genauso schwierig ist. Und dann ist da zuguterletzt noch die Sozialisierung: Eltern und andere Traumata.
Diese Themen werden zwar recht schematisch und didaktisch abgehandelt, doch durch die stark aufspielenden Hauptdarsteller werden Marks und Helenas Alltag überaus greif- und spürbar, und ihre Gruppenmomente und ihr Alleinsein immer wieder sehr schmerzhaft und gnadenlos in Szene gesetzt. Das würde eigentlich schon reichen, um deutlich zu machen, was es mit Alkohol als Droge und der Abhängigkeit davon auf sich hat.
Aber Goller und Ziegenbalg entscheiden sich dann nicht nur für immer wieder redundante Erklärdialoge – statt die tollen Schauspieler einfach spielen zu lassen – sondern auch für eine sehr betonte musikalische Untermalung, die die Erklärungen dann noch einmal erklärt. Dass darunter so fantastische Songs wie Burdons Good Times oder Joy Divisions Love will tear us apart oder am Ende Nick Drakes Pink Moon sind, macht es ein wenig einfacher, die überambitionierte Didaktik besser zu ertragen.
Dennoch sollte One for the Road als Aufklärungsfilm und in Schulen eingesetzt, durchaus funktionieren, als »Filmfilm« allerdings weniger, vor allem wenn er sich mit Werken zum Thema Alkoholismus messen muss, die gerade durch ihre Ambivalenz und betont nicht-didaktische Herangehensweise den gesellschaftlichen Konformismus erheblich subtiler in Frage stellen und den Zuschauer zusätzlich verunsichern. So wie Thomas Vinterbergs Der Rausch (2020) oder wie John Hustons Unter dem Vulkan (1984).