USA 1997 · 103 min. · FSK: ab 16 Regie: Mike Figgis Drehbuch: Joe Eszsterhas Kamera: Declan Quinn Darsteller: Wesley Snipes, Robert Downey, Nastassja Kinski, Ming-Na Wen u.a. |
»Scheiß auf die Kinder – ich komme!« So brüllt Maxens Ehefrau durch die Nacht und ihre Ekstase ist Max nicht nur wegen des Gelärmes peinlich, sondern auch, weil er sie tags zuvor erst betrogen hat. Mit einer ebenso mysteriösen wie verheirateten Schönen hatte er eine Liebesnacht, einen One Night Stand eben, und beide Beteiligten nehmen sich natürlich vor, das Ganze sofort zu vergessen. Max (Wesley Snipes) aber, der an sich zufriedene Familienvater und erfolgreiche Werbefilmregisseur, bekommt die Dame (Nastassja Kinski) nicht mehr aus dem Sinn; schließlich stellt sie sich gar als die Schwägerin seines alten Freundes Charley (Robert Downey jr.) heraus.
Das peinliche Wiedersehen findet im Krankenhaus statt. Charley nämlich ist an Aids erkrankt, und sein nahe bevorstehender Tod wirft Max noch ein bißchen weiter aus der üblichen Lebensbahn. All die ungewohnten Tiefsinnigkeiten lassen ihn gehörig grübeln. »Tod ist seltsam«- das ist so eine seiner Erkenntnisse, und einmal äußert er vor seinen Yuppie-Kollegen geradezu anarchistisches Gedankengut. Eine weitere Weisheit muß ihm Charley persönlich, kurz bevor der Schnitter kommt, noch beibringen: »Das Leben ist kurz, Max.« Dieses entscheidende, brandneue philosophische Basiswissen beflügelt den verträumten Spitzenverdiener schließlich, sein Dasein noch einmal umzukrempeln, seiner wahren Liebe nachzueilen und wieder er selbst zu sein.
War’s bei Leaving Las Vegas noch der Alkoholismus und bei Mr. Jones eine diffuse Geistesgestörtheit, so muß diesmal der Aids-Tod herhalten für eine weitere von Mike Figgis völlig gehaltfreien Arbeiten. Seine scheinbar seriöse Behandlung komplexer Problematiken und seine ansehnliche Schauspielregie haben ihm den Ruf des anspruchsvollen Autorenfilmers im amerikanischen Blockbuster-Dschungel eingebracht. Kein Wunder, denn in Zeiten, in denen Filme wie Nell oder Grüne Tomaten als Beispiele westlicher Nachdenklichkeit durchgehen, kann man auch getrost über Figgis' Mangel an erzählerischem Talent hinwegsehen. Grundloser hat man selten eine Hauptfigur die Ich-Erzähler-Rolle übernehmen sehen als in One Night Stand, so nachgeschmissen wirkt der Betroffenheits-Text von Wesley Snipes' Offstimme in der Mitte des Films. Plumper ließe sich auch kaum ein Armani-Werbespot in einen vorgeblich dramatischen Handlungsablauf hineinstopfen.
Die Aids-Thematik wird in verwerflichster Beliebigkeit verwendet, vergleichbar dem Motiv von Maxens Raucher-Marotten. Figgis wiederholt auch eine Regie-Idee aus Leaving Las Vegas und gönnt sich seinen kleinen Spaß mit der Abblende, nach der das gleiche Bild wieder eingeblendet wird. Der Regisseur hält’s wohl für ein Stilmittel, das Publikum erlebt es eher als Enttäuschung, denn die Hoffnung, wenigstens die offensichtlichsten Sequenzen überspringen zu können, steigert sich im Lauf des Filmverlaufs gehörig. So bleibt der vorgebliche Problemfilm ein affektiertes Scherzchen, in dem gute Darstellerszenen an das Nichts verschleudert wurden.
Viel spannender ist die Tatsache, daß Figgis ein gemischtrassiges Ensemble agieren läßt, ja, daß er mit Snipes und Kinski erstmals einen schwarzen Mann mit einer weißen Frau schlafen läßt, ohne, im Gegensatz zu Spike Lees Jungle Fever, auch nur andeutungsweise die Rassenfrage zu erwähnen. Wer sich den Rollentypus der schwarzen Darsteller Hollywoods, einschließlich der Superstars Eddie Murphy und Whoopi Goldberg, in den letzten Jahren angesehen hat und wer miterleben mußte, wie Denzel Washington von Julia Roberts in Die Akte lediglich ein keusches Knuddeln abbekam, der weiß, daß ausgerechnet mit diesem One Night Stand ein nicht geringer Schritt des schwarzen Kinos gelungen ist.