USA 2003 · 139 min. · FSK: ab 12 Regie: Kevin Costner Drehbuch: Craig Storper Kamera: James Muro Darsteller: Robert Duvall, Kevin Costner, Annette Bening, Michael Gambon, Michael Jeter u.a. |
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Oh give me land, lots of land... | ||
(Foto: MFA) |
Es sind keine Hände für feine Porzellantassen: Die Finger sind zu kräftig, die Knöchel zu dick geschwollen, vom rauhen Leben und der harten Arbeit draußen, um die zarten Henkel zu fassen. Ein Detail nur am Rande, aber zugleich ein Bild von schlichter, anrührender Größe, das sinnfällig macht: Charley Waite (Kevin Costner) und Boss Spearman (Robert Duvall) sind keine Männer fürs Wohnzimmer.
Da mag der Luxus noch so bescheiden sein, den Sue Barlow sich mit ihrem Bruder, einem Arzt, hier
aufgebaut hat. (Warum war eigentlich die fabelhafte Annette Benning so lange in keiner großen Rolle mehr zu sehen?) Und fast zwangsläufig geht kurz darauf dann auch all das schöne Geschirr zu Bruch, dieses bisschen delikate Zivilisiertheit, das die Barlows sich in die Pionierstadt geholt haben: Charley wird überallhin verfolgt von seiner Vergangenheit; die Gewalt ist ihm auf den Fersen, er kriegt sie nicht aus seinem Leben verbannt.
Charley, Spearman und ihre zwei Kumpane mitsamt Hund sind »Free-grazer« – Kuhhirten ohne eigenes Land, 1882, in den letzten Jahren als der Westen noch wild war und allen gehörte. Aber der Stacheldraht ist seit neun Jahren auf dem Markt, die »Frontier« bald im Pazifik verschwunden. Und man mag diese Cowboys nicht mehr, in den neuen Städten, die überall gebaut werden. Städte wie Harmonville, über das der brutale Denton Baxter (Michael Gambon) herrscht, mit dem die Prärie-Jungs in
tödlichen Konflikt geraten.
Dabei sehnen sich diese Männer nach etwas Ruhe und Süße in ihrem Leben: Mit leuchtenden Kinderaugen kommen sie von der Besorgungstour aus der Stadt zurück und verkünden, dass sie Zucker mitgebracht haben. Und bevor es zum Finale in den möglichen Tod geht – in einen der härtesten, ausgedehntesten, präzisesten Shootouts der Filmgeschichte – gönnen sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben ein Stück echte Schweizer Schokolade. Und dann erfährt
Charley, nachdem sie schon Jahre Seite an Seite geritten sind, erstmals den wahren Vornamen von »Boss« Spearman.
Reifer, klassischer ist Kevin Costners Zugang zum Western-Genre seit Dances With Wolves geworden. Hier gibt es keinen Ethno-Kitsch mehr, und in gewisser Weise ist Open Range nur an der Oberfläche der Spätwestern, der er heute fast notgedrungen sein muss: Es ist gewiss ein – mit wunderbarer Sorgfalt und klarer Kraft inszenierter, bis in die kleinsten Rollen mit
großen Helden des Charakterfachs besetzter – Film über letzte Gefechte und eine untergehende Welt. Die Cowboys und ihre Art zu leben, das freie Land ohne Zäune und amtliche Besitzer werden bald verschwunden sein. Zwischendurch regnet es, als wäre die Sintflut schon da. (Aber da droht all die wacklig hingezimmerte Zivilisation genauso schnell den Bach runter zu gehen.)
Trotzdem ist Open RangeE ein letzlich optimistischer (und nicht selten –
siehe das »Choroform-Frühstück« – auch witziger) Film. Er handelt am Ende nicht von Apokalypse oder Dekadenz: Er hat die Hoffnung, dass auch das Leben mit Porzellantassen auf seine eigene Weise schön sein kann. Er glaubt, dass die Zivilisation in Harmonville einen aufrechteren, menschlicheren, demokratischeren Ausdruck finden wird als Baxters brutale Autokratie. Und er verspricht, dass manche der Cowboys ihre Sünden der Vergangenheit loswerden, die Gewalt abstreifen können
und auch in der neu entstehenden Welt einen Platz finden werden.
»Don’t fence me in« heißt einer der berühmtesten Cowboy-Songs. Aber nicht alles Umzäunte ist schlecht: Für Charley lockt ein vergebungsvoller Garten der Liebe, in dem die Blumen so schön rot-weiß-und-blau blühen...