Frankreich/Deutschland 2012 · 105 min. · FSK: ab 16 Regie: Brian De Palma Drehbuch: Brian De Palma Kamera: José Luis Alcaine Darsteller: Rachel McAdams, Noomi Rapace, Karoline Herfurth, Paul Anderson, Rainer Bock u.a. |
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Komplex verstrickte Leidenschaften | ||
(Foto: Ascot Elite) |
Zwei Frauen blicken in einen Apple-Computer, und damit auch über dessen Rand hinweg uns Zuschauer an, zusammen mit dem Apple-Logo. Dies wurde bekanntermaßen angeblich durch jene berühmte Anekdote inspiriert, nach der der britische Physiker Isaac Newton im 17. Jahrhundert das Gravitationsgesetz durch einen fallenden Apfel entdeckt habe. Der angebissene Apfel könnte sich aber auch auf die biblische Geschichte vom Baum der Erkenntnis und die Vertreibung aus dem Paradies beziehen, auf den Sündenfall. Im Zusammenhang mit Brian De Palmas neuestem Film macht diese Interpretation in jedem Fall mehr Sinn. Das gilt auch für das übertrieben betonte, somit offenkundige Product Placement, denn De Palma, der einfallsreichste und mutigste Filmemacher seiner Generation, erzählt diesmal eine Geschichte aus der Welt des Marketing, und nimmt die Abgründe der PR-Branche aufs Korn, die, so das en passent gefällte Urteil, unsere Welt kaputt macht.
Christine ist die Chefin der Berliner Niederlassung einer erfolgreichen international vernetzten Werbeagentur. Rachel McAdams spielt die kühle Blonde, die wie im klassischen Film noir auch hier vor allem kalt wie Eis erscheint. Die dunkelhaarige Isabelle (Noomi Rapace) ist ihre Assistentin und – zunächst – die Sympathieträgerin des Films. Doch die ist wie die meisten Filme De Palmas ein Vexierspiel der Emotionen und Perspektiven; wie bei einem Kaleidoskop führt jede dramaturgische Drehung auch zu einem Wechsel der grundsätzlichen Sicht des Ganzen. Spiele, Überraschungen, Ideenklau, Wendeltreppen und Masken sind so die Leitmotive und Fetische des Films, der sehr grob nach Alain Corneaus Crime d’amour angelegt wurde.
Im Zentrum steht die bald mit allen Mitteln ausgetragene Konkurrenz zwischen den beiden Frauen, um Männer wie um Karrierechancen. Doch schon der Titel verweist auf die glühende Emotionslava, die unter der für öffentliche Auftritte mühsam in Form gehaltenen Maske brodelt, und legt natürlich die Frage nahe, wer hier denn für wen oder was passioniert sei? In jedem Fall zwei Frauen, zunächst für, dann auch gegeneinander. Passion handelt von komplex
verstricken Leidenschaften, von Sex and Crime, von Anschein und Wirklichkeit. Man sieht vor allem dies: Frauen, die die besseren Männer sind, zugleich Hysterikerinnen, am Rande des Nervenzusammenbuchs. Und die Chronik einer angekündigten Katastrophe, in der Sündenfall und Erkenntnis verschmelzen.
Irgendwann wird dann nämlich das blonde Biest Christine brutal ermordet, und der Verdacht auch des Zuschauers richtet sich auf die Konkurrentin – das sie nicht weniger
amoralisch ist, als die Konkurrentin, wird eigentlich schon klar, wenn man sie nach kaum zehn Filmminuten beim Fremdgehen erwischt.
Seit jeher fühlt sich De Palma der Tradition des klassischen Thrillers verpflichtet. Wie sein großes Vorbild Alfred Hitchcock – auch der drehte einst mit Torn Curtain (Der zerrissene Vorhang) einen Berlin-Film, wenn auch die Themen seit 1966 und dem Ost-West-Konflikt gewechselt haben – inszeniert De Palma gewohnt relaxed und sehr gradlinig, dabei voller Lust für die eigenen Passionen und Obsessionen: Direkte und indirekte Hichtchock-Zitate, und ein paar De Palma-Verweise, die zumindest Genreliebhaber entzücken dürften. Passion ist mitunter auch lustig, und der Regisseur gewinnt dem Schauplatz Berlin viele ungewohnte Seiten ab, anstatt wie manche Kollegen nur eilig Denkmäler abzufilmen um finanzielle »Berlin-Effekte« zu generieren. Der Film ist gespickt mit deutschen Darstellern, allen voran Karoline Herfurth.
Passion hat großartige Szenen, und glänzt mit grandiosen Alptraumeffekte. Mitunter bleibt allerdings unübersehbar, dass die Produktion finanziell zu schwach ausgestattet war: De Palma ist schließlich ein Regisseur der Schauwerte, er muss visuell klotzen und protzen können, um als der Autorenfilmer sichtbar zu werden, der er ist. So hat Passion denn gelegentlich die Anmutung eines deutschen Fernsehspiels; es gibt zwei, drei Szenen, die offen schlecht gespielt und inszeniert sind, völlig übertrieben. Anderes erinnert in seinem Overacting an Werbung aus den 80er Jahren.
Doch selbst aus diesen sichtbar produktionsbedingten Schwachpunkten macht De Palma das Beste und ordnet sie am Ende seinem Ziel einer Provokation des Mainstreamgeschmacks unter. Passion ist ein gewohnt ambivalenter psychologischer Thriller der wie viele Filme De Palma von der Spannung zwischen dem expressiven visuellen Stil und den abgekühlten Emotionen lebt. Es ist ein berunruhigter und beunruhigender Film, der aus deutscher Perspektive auch lesbar ist als Kommentar über die Verlogenheit der Berliner Republik; De Palma zeigt eine Welt in Unordnung, in der auch das Kino keinen Trost spendet.