USA/GB 2006 · 130 min. · FSK: ab 12 Regie: Christopher Nolan Drehbuch: Christopher Nolan, Jonathan Nolan Kamera: Wally Pfister Darsteller: Hugh Jackman, Christian Bale, Michael Caine, Piper Perabo, Rebecca Hall u.a. |
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Magische Verbindung |
Ein Zauberkunststück ist viel mehr als nur der Trick, der dahinter steckt. Erst durch seine Präsentation macht der Bühnenmagier aus einer (oft erschreckend banalen) Täuschung scheinbare Magie. Die Großen dieses Fachs sind – und sei es nur durch Gesten – Geschichtenerzähler. Mit Hilfe der altbewährten, immer wieder variierten Prinzipien des Verbergens, des Andeutens, Imitierens, des Irreführens erzählen sie kleine Dramen vom Verschwinden und Erscheinen, von Zerstörung und Entstehung, von Todesgefahr und wundersamer Rettung.
Umgekehrt sind auch Erzähler oft eine Art von Zauberkünstlern – die sich ähnlicher Methoden der Suggestion und des Ablenkens bedienen, um überraschende Wendungen des Plots aus dem Hut zu ziehen.
The Prestige ist einer dieser Filme, in dessen Zentrum ein (oder hier sogar: zwei) sorgfältig gehütetes Geheimnis steht. Das ist, ehrlich gesagt, für gewöhnlich nicht meiner liebsten Arten von Kino eine. Zu leicht degeneriert so etwas zu einem bloßen Rate-
und Puzzlespiel, bei dem am Ende im doppelten Wortsinn die Auflösung steht: Mit dem letzten Steinchen, mit dem Aufdecken der Täuschung, verpufft auch alles, was man an Emotion investiert hat.
Die Charaktere waren dann bloße Schachfiguren; das Vergnügen daran ist das rein mechanische eines Agatha Christie-Krimis. Das, was mir persönlich an Kino, an Kunst allein wichtig ist – was an Gefühl und an Weltbild rübergebracht wird – werden zur Beliebigkeit degradiert
zugunsten manipulativen Taschenspielerhandwerks. Siehe beispielsweise The Sixth Sense (wo zudem für jeden, der Augen und Ohren hat, das große »Geheimnis« nach fünf Minuten völlig offensichtlich war), siehe durchaus auch Christopher Nolans ersten Erfolg Memento.
Nolans neuestes Werk bedient sich einer dreifach verschachtelten chronologischen Struktur, die rechteigentlich noch komplexer ist als einst die seines rückwärts erzählten Thrillers. Aber er präsentiert diese nicht mehr als Gimick, lässt sie fast natürlich und selbstverständlich erscheinen.
Der Film handelt von der Fehde zweier Bühnenmagier im viktorianischen London: Des smarten Roger Algiers (Hugh Jackman), ein begnadeter Showmann, und Alfred Bordens (Christian Bale),
der besessenere und bessere Magier, dem jedoch die Fähigkeit abgeht, sich zu verkaufen.
Anfangs Freunde und Partner, führt ein tragischer, durch Magier-Ehrgeiz provozierter Bühnenunfall mit Angiers Frau Julia (Piper Perabo) zur lebenslangen Feindschaft.
Zentrum der Rivalität wird ein Kunststück, bei dem der Zauberer anscheinend innerhalb eines Sekundenbruchteils von einem Ort auf der Bühne zu einem anderen transportiert wird. Borden und Algier beginnen beide, den Trick
vorzuführen, aber beide bewerkstelligen ihn offenbar auf sehr unterschiedliche Weise. Und keiner der beiden kann sich die Methode des anderen erklären, würde alles daran geben, sie zu enthüllen.
The Prestige macht von Beginn an deutlich, dass er sich selbst als eine Art Zauberkunststück sieht. Und, ohne besserwisserisch-bemüht darauf herumzureiten, lässt er durchscheinen, wie eng verwandt Kino und Bühnenmagie, die zwei Medien aus der Ära des Umbruchs zur Moderne, sind: Einer Zeit, als die Grundsteine gelegt wurden für die heutige Massenunterhaltung. Als Wissenschaft und Industrie die Lebenswirklichkeit radikal umkrempelten und dabei ein
Unbehagen, einen neuen Glauben an das Übernatürliche hervorriefen. Als das Verhältnis zwischen den Geschlechtern langsam neu definiert, die menschliche Psyche mit ihren Triebkräften neu erkundet wurde. Alles Dinge, die sich – teils bewusst, teils unbewusst – damals in der Bühnenmagie wie im Kino niederschlugen und sie bis heute prägen.
Allein diese Verbindung macht The Prestige zu viel mehr als nur einem eindimensionalen Trick. Und sie ist,
zusammen mit der ebenso freien und tiefgreifenden wie geschickten Umbauarbeit, die die Brüder Jonathan und Christopher Nolan bei ihrer Drehbuchadaption geleistet haben, der Grund, warum sich der Film so weit über seine lediglich clevere Romanvorlage von Christopher Priest erheben kann.
Er ist auch weit mehr als ein gewöhnlicher Historienstreifen. Die Ära, von der er erzählt, verkommt ihm nie zum bloßen Dekor, und keinen Augenblick hat er auch nur einen Hauch von der bildungsbürgerlichen Steifheit eines Kostümfilms. Die Atmosphäre ist ungemein dicht, die emotionale Temparatur hoch, die Kamera meist lebendig und fließend ganz nah an den Charakteren.
Schöne Ironie: Ausgerechnet die einzige tatsächlich historische Figur des Films, der genialische,
verschrobene Erfinder und Edison-Erzfeind Nicola Tesla (David Bowie!), dient The Prestige zugleich auch für einen Ausflug in die Randbereiche zum Science Fiction.
Was The Prestige aber vor allem zu einem großartigen Ausnahmefall in seinem »Genre« werden lässt ist, dass er durch die Enthüllung an seinem Ende keinesfalls kleiner wird.
Ohne zuviel zu verraten: The Prestige ist ein Film über den Preis, der für die perfekte Illusion zu bezahlen ist. Dass ihre Obsession Tribut von Borden und Angiers zollt, das ist freilich die ganze Zeit offensichtlich, und das bekommt niemand deutlicher zu spüren
als die Frauen in ihren Leben.
Aber erst wenn das letzte Geheimnis gelüftet ist, erst dann weiß man auch, was der eine von beiden zu tun und zu opfern bereit war, um etwas sehr Banales zu verbergen, und was der andere, um etwas sehr Außergewöhnliches plausibel erscheinen zu lassen. Erst dann rauschen der volle Schmerz und der volle Wahnsinn herein und beleuchten alles noch einmal neu und geben dem Film die wahre Größe und Wucht: Als Film über Leben, die ganz hingegeben wurden, um es so
scheinen zu lassen, als gäbe es etwas Magie in dieser Welt.