USA 2022 · 85 min. · FSK: ab 6 Regie: Greg Björkman Drehbuch: James Bachelor, Greg Björkman Kamera: Luca Del Puppo Darsteller: Clara Rugaard, Lewis Pullman, Lyrica Okano, Danny Glover, Christina Chang u.a. |
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Zeitreisen mit dem Antrieb analoger Energien | ||
(Foto: Splendid/24 Bilder) |
»Und so geschah es, daß er mit dem ersten Dampfer nach Hawaii zurückfuhr, und sobald es geschehen konnte, wurde er mit Kokua vermählt und brachte sie nach dem Blanken Hause am Berghang.« – Robert Louis Stevenson, Der Flaschenkobold
Zeitreisegeschichten mit pädagogisch wertvollen Wiederholungsschleifen haben seit Und täglich grüßt das Murmeltier, Alles eine Frage der Zeit oder Edge of Tomorrow nicht an Attraktivität verloren und werden inzwischen in so ziemlich allen Genres eingebettet – vor kurzem waren etwa Tenet und Last Night in Soho bemerkenswerte Auskoppelungen dieser Thematik.
Eine ungewöhnliche Variante, ganz ohne Gewalt, aber mit umso mehr Liebe, liefert nun Greg Björkman in seinem Debüt als Drehbuchautor und Regisseur in einer kleinen, aber sehr feinen amerikanischen Independent-Produktion. Ein Film, der sich nur im ersten Moment wie eine vielleicht allzu leichte Liebesgeschichte sieht. In jenen ersten Momenten, als sich die Kunststudentin Laura (Clara Rugaard) in Harrison (Lewis Pullman, der Sohn von Bill Pullman), den Bruder ihrer besten Freundin Chloe (Lyrica Okano), verliebt. Und er sich sehr schnell zurückverliebt und die beiden eine Liebe leben, die sich die meisten nur wünschen, aber nie erleben.
Aber wie fast jede große Liebe erleidet auch diese Liebe einen dementsprechend großen Absturz, der passenderweise genau in dem Moment einsetzt, als die beiden beginnen, individuelle Opfer für ihre Liebe zu bringen, die nur allzu bekannte Aufgabe wichtiger Lebensziele und charakterlicher Eigenheiten. Es ist auch nicht zu viel verraten, dass dieser Absturz mit dem Unfalltod Harrisons einsetzt, denn nach einer Phase viel zu langer Trauer gelingt es Laura über ein gemeinsam aufgenommenes Mixtape in die Zeit zurückzureisen, und ikonische Momente ihrer Liebe mit Harrison zu »besuchen« und zu »verändern«, um endlich wieder eine Zukunft mit Harrison erleben zu können.
Eine Kassette wie der berühmte Flaschengeist aus Stevensons Novelle, die ja ebenfalls auf Hawaii angesiedelt war und in der die Erfüllung der wichtigsten Wünsche ebenfalls einen hohen Preis hatte. Ist es bei Stevenson der Kapitalismus, der eine unschuldige Gesellschaft in unberührter Natur korrumpiert, so spielt Björkman die Facetten und Varianten gegenwärtiger Beziehungsmodelle in ebenso unberührter Natur und post-hippiesken Künstler- und Surfer-Communities durch, wird mit jedem neuen Versuch Lauras, die Vergangenheit zu ändern, deutlicher, dass sie trotz ihres freiheitlichen Umfelds immer wieder einem letztendlich biederen, altbackenen Beziehungskonzept aufsitzt und sich letztendlich von ihrer Persönlichkeit entfremdet.
Diese zunehmende und immer stärkere Panik auslösende Entfremdung wird von den beiden Hauptdarstellern überzeugend dargestellt und mit einem überragenden Danny Glover, an den sich vielleicht einige noch an der Seite von Mel Gibson in Richard Donners wilder Lethal Weapon-Reihe erinnern, als einer Art Wächter der Zeit, noch einmal verstärkt. Dabei entsteht ein immer furioseres Krangeln aus romantischem Coming-of-Age-Film, Zeitreise-Achterbahnmomenten, einem so naiven wie mächtigen Glauben an analoge Kräfte (wie Kassetten, Schallplatten und ja: die Liebe) und einem letztendlich so klugen wie überraschenden Ende, das einen wirklich aufatmen lässt.
Denn wie in Stevensons Flaschenkobold wird auch hier der Teufel ausgetrickst, der in diesem Fall nicht nur ein Mixed Tape, sondern die alte, verrottete Moral traditioneller Beziehungsmodelle ist. Und Laura und Harrison erkennen, dass nicht Heirat und sich für den anderen opfern der richtige Weg zu einer erfolgreichen Beziehung ist, sondern es erst läuft, wenn jeder bereit ist, für sich zu sein und den anderen loszulassen, eigentlich ganz so wie in Nicolette Krebitz' zeitgleich anlaufendem A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe. Auch wenn zumindest Harrison sich an nichts erinnern kann. Aber das ist vielleicht auch gut so, denn war und ist Vergessen ja schon immer einer der besten Wege, um noch einmal von vorne anzufangen.