Südkorea 2015 · 121 min. Regie: Hong Sang-soo Drehbuch: Hong Sang-soo Kamera: Park Hong-yeol Darsteller: Jung Jae-young, Kim Min-hee, Ko Ah-sung, Yun Yeo-jong, Gi Ju-bong u.a. |
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Nicht nur Bier, auch Gebärden helfen bei Unbeholfenheit |
Seit zwanzig Jahren zählt der koreanische Filmemacher Hong Sang-soo zu den festen Größen des internationalen Arthouse-Kinos. Hierzulande wurde er vor allem in Retrospektiven und auf Festivals gewürdigt, in den regulären Verleih kamen seine Filme bislang nicht. Sein Werk besteht aus meist hintergründigen, verästelten oder sich echohaft wiederholenden Beziehungsstudien. Die Erzählweise ist ganz und gar ruhig, seine Nähe zum europäischen und die Liebe zum französischen Autorenkino offensichtlich. 2008 realisierte er als Fernbeziehungsdrama zwischen Seoul und Paris Night and Day, 2012 holte er Isabelle Huppert in In Another Country (2012) nach Südkorea. Hong Sang-soos Kennzeichen ist das Motiv mit Variation, letztere gibt als oft amüsantes Gedankenspiel einem bereits erzählten Plot nochmal eine ganz neue Richtung.
Jetzt hat sich der Nürnberger Verleih Grandfilm sich der neuesten Arbeit Hong Sang-soos angenommen und bringt den mit dem Goldenen Leoparden und dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichneten Film in die deutschen Kinos. Ähnlich wie in seinen früheren Filmen (Hong Sang-soo ist einer jener Regisseure und darin mit Ozu Yasujiro vergleichbar, die werkslang an dem einen, großen Film arbeiten) geht es hier wieder um das Grundthema, das all seine Filme begleitet: »Boy meets girl«, auch dies eine Reminszenz an das französische Kino, das sich in Leos Carax' gleichnamigen Film ausformulierte und sich als Filmplakat in einer Kneipe als deutlicher cineastischer Hinweis in Right Now, Wrong Then findet.
Hang Sang-soo bleibt sich so auch in seinem 22. Film stilistisch treu. In langen Einstellungen und bei seltenem Musikeinsatz entwirft er eine zurückhaltende Geschichte um einen Intellektuellen und dessen nicht ganz harmonisch verlaufende Begegnung mit einer jungen Frau. Zentral sind die zunehmend alkoholisierten Gespräche und das böse Erwachen am Tag darauf. Zufälle, Enthüllungen und Peinlichkeiten in tragikomischer Manier bestimmen die sich subtil entfaltende und auf dramatische Zuspitzungen verzichtende Handlung. In Right Now, Wrong Then ist der Intellektuelle ein Filmregisseur von Renommee und im Autorenkino anzusiedeln, der bei einer Vorführung seiner Filme mit anschließendem Publikumsgespräch auf unzufriedene Filmstudenten trifft, die ihn wüst beschimpfen. Eine selbstgelebte Erfahrung? Wie immer präzise beobachtet, ist Hong Sang-soo stets so nah an der Wirklichkeit, dass man seinen Filmen gerne das Etikett des »Autobiographischen« anheften würde.
Right Now, Wrong Then erinnert in Aufbau und Plot stark an The Day He Arrives (2011) über einen Filmprofessor, der bei Freunden zu Besuch ist. Der erste Teil des wie ein Diptychon gegliederten aktuellen Films wurde wie punktgespiegelt »Right Then, Wrong Now« übertitelt. So verläuft auch für den Regisseur Ham Chun-su beim Eintreffen in der Provinzstadt Suwon nicht alles zum Besten. Die Begegnung mit der jungen Malerin Yoo Hee-jung in einem Tempel verspricht zwar traute Zweisamkeit, die jedoch von Störmomenten durchzogen ist, da das Ex-Model zwar seinen Namen, aber keine seiner Arbeiten kennt. Später muss der angesehene Regisseur zugeben, verheiratet zu sein, was zu Dissonanzen mit seiner frischen Bekanntschaft führt. Einer harmonischen Präsentation seines Films vor dem studentischen Publikum am nächsten Tag steht schließlich das Ego des Meisters im Weg.
Im zweiten Teil »Right Now, Wrong Then« wird die gleiche Geschichte mit fast identischen Situationen und Schauplätzen ein weiteres Mal erzählt, nur diesmal ohne Off-Kommentar. Nur nuancenweise verändert Hong Sang-soo Details und fast unmerklich Augenblicke, so dass sich trotz gleicher Widrigkeiten für den fiktiven Regisseur einiges besser verläuft. Das zweigeteilte Werk wird so zur Studie über den Zufall, den äußeren arbiträren Begebenheiten und die Chance, im Leben noch einmal neu zu beginnen.
Hong Sang-soo zeigt sich einmal mehr als Lakoniker, der die Verwicklungen seiner neurotischen Protagonisten mit einem gewissen Gleichmut betrachtet. Kleine Abweichungen beim Spiel mit den Möglichkeiten des Lebens entfalten tiefliegenden Humor und die Grundannahme von Poesie. Hong Sang-soos Figuren sind aber mitunter auch wieder unsympathisch. In ihren Gesprächen, die ganz oft bei viel koreanischem Bier in Bars stattfinden, aber auch mitten in der Nacht auf dem Heimweg in der Straße, verraten sich ihre Eitelkeiten und Egoismen, sie werden weinerlich, handeln unbedarft und können nicht wirklich miteinander reden. Wahrheiten, vor allem unangenehme, erfährt man erst beim exzessiven Alkoholgenuss, und ein Dauerthema ist das Nachdenken über den Künstler an sich, das Verhältnis zwischen Mann und Frau und deren jeweils spezifische Eigenheiten. Insofern ist Hong Sang-soo auch ein Künstler des modernen Lebens.