Der rote Baron

Deutschland 2008 · 129 min. · FSK: ab 12
Regie: Nikolai Müllerschön
Drehbuch:
Kamera: Klaus Merkel
Darsteller: Matthias Schweighöfer, Til Schweiger, Lena Headey, Joseph Fiennes, Volker Bruc u.a.
»Über den Wolken«: Der rote Baron

Der tote Baron

Wenn das der Kaiser wüsste: Dolce Vita an der Westfront in Niki Müller­schöns ebenso naiver wie revi­sio­nis­ti­scher Kriegs-Schmon­zette

»Was für ein schöner Tag zum fliegen.« – »Du bist ein mutiger Mann Baron, ein sehr mutiger Mann.« Und Kitsch­musik. Eine Dialog­szene aus Niki Müller­schöns Der rote Baron, ein neuer Gipfel deutschen Film­schaf­fens wie histo­ri­schen Revi­sio­nismus'. Müller­schön flickt am Mythos, dreht einen Film wie eine Mischung aus Compu­ter­spiel, Die toll­kühnen Männer in ihren flie­genden Kisten und Das Wunder von Bern. Sein Erster Weltkrieg ist irgendwie auch eine Fußball­welt­meis­ter­schaft, voll­ge­sogen von Sports­geist und Naivität. Welt­meister sind wir dann 1918 zwar noch nicht geworden. Aber der Rote Baron ist zumindest in diesem Film Welt­meister der Herzen.

Im Wald beginnt es. Deutscher Wald, ein von der Romantik meta­phy­sisch über­höhter Ort; ein Seelen­sehn­suchtsort. Was man eigent­lich erwartet nach diesem Auftakt ist, dass der Film irgend­wann zurück­kehrt in diesen Wald, die Urszene noch einmal wieder herauf­be­schwört, die wir gleich sehen werden. Doch das passiert nicht bis zum Ende, und es dauert eine Weile, bis man es im Zuschau­er­saal begreift: Dieser Film kann nicht dorthin zurück­kehren, denn er hat den Wald, hat sein Traum­reich nie verlassen. Der rote Baron ist ein Traum als Film.

Geträumt wird wieder einmal der Traum von einem unge­bro­chenen guten deutschen Helden. Und wieder einmal sucht das deutsche Kino diesen Helden in der Vergan­gen­heit, wieder einmal im Krieg, und wieder einmal nimmt man sich eine nun weißgott nicht grundgute, eindeutig positive Figur und definiert sie um, mit Krampf und Mühe, mit größeren Verdre­hungen und kleinerem Verschweigen, biegt sich die Geschichte zurecht, bis es schon eigent­lich auf keine Kuhhaut mehr geht, aber so, dass man sich bei aller Anstößig­keit gerade noch heraus­la­vieren kann, nicht pulve­ri­siert wird von einer selbst­aus­gelösten Debatte. Was ist bloß los in diesem Land, dass es nicht lassen kann, sich nach solchen Helden zu sehen?

Der Held der dann am Ende heraus­kommt, ist eine hane­büchene Figur, nicht weil sie mit der tatsäch­li­chen Geschichte so wenig zu tun hat, dass man ihr besser einen fiktiven Namen gegeben hätte,und nicht mit allerlei Taschen­spie­ler­tricks Histo­ri­zität vorgau­keln würde, sondern weil der Umgang mit Vergan­gen­heit, mit dem Leben und dem Menschen so entsetz­lich naiv ist, und stre­cken­weise abgrund­tief peinlich oder einfach nur albern, dass man schon Lust bekommt, den nun wirklich nicht übermäßig sympa­thi­schen Baron Manfred von Richt­hofen ein bisschen in Schutz zu nehmen vor seinem Fan-Club, der ihm hier zum 90. Todestag eine filmische Hagio­gra­phie zusam­men­fa­bri­ziert hat. Denn diesen Film hat der »Rote Baron« nun wirklich nicht verdient.

Im Wald also. Ein paar Jungen, kaum zehn Jahre alt, jagen. Der älteste von ihnen hat ein Gewehr, und wir spüren gleich, dass es scharf ist, als er auf das Reh anlegt, das dort im Gebüsch mucks­mäu­schen­still steht. Der Jäger und das schöne Reh. Ein Urer­lebnis: Der Junge zögert, schießt nicht. Ist kein Killer. Schon das, was hier aufscheint, ist ein falscher Ton, ist erstunken und erlogen. Denn Richt­hofen, der dieser Junge sein soll, war, was er immer auch sonst gewesen sein mag, jeden­falls einer, der nicht gezögert hat. Der sein Wild, den Feind im Weltkrieg immer zur Strecke brachte, nicht mit ihm spielte, der die Konfron­ta­tion zu Ende führte.

Aus dem Hinter­grund klingt ein leises Geräusch. Es wird lauter. Flug­mo­to­ren­lärm. Die Jungen sind abgelenkt, das Wild verjagt. Und ein Flieger. Sonne. Natur. Ein Pferd. Schön ist das Flie­ger­leben schreien die Bilder. Und was für eine Schrott­musik dazu!

»Nord­frank­reich. Alliertes Terri­to­rium. Zehn Jahre später.« Mit diesem Zwischen­titel setzt die zweite Szene ein. Wir sehen eine Beer­di­gung, wer sich auskennt, erkennt die briti­schen Uniformen. Wieder plötz­li­cher Flie­ger­lärm von oben. Ein Kranz aus der Luft, punkt­genau abge­worfen über dem Grab. »my friend and enemy« steht drauf. Was für ein Held! Der im Flugzeug natürlich, nicht der im Grab.

Vier Flieger am Himmel verlassen die Szene. Deutsche Kampf­pi­loten im Ersten Weltkrieg, tollkühne Männer in flie­genden Holz­kisten. Die Todge­weihten grüßen. Denn am Ende dieses Films werden sie alle vier tot sein. Und wir, das Publikum, schauen ihnen in diesem Film beim Sterben zu. Es ist ein schönes Sterben. Gewis­ser­maßen jeden­falls. Denn sterben müssen wir schließ­lich alle, und vorher gibt es in diesem Fall noch reichlich Wein und Weib, und statt des Gesangs dann immerhin Mund­har­mo­ni­ka­ge­fiedel. Es ist übrigens der jüdische Kamerad, der so gern Musik macht, Künstler und Intel­lek­tu­elle halt, man weiß das ja. »Spiel mir das Lied vom Tod« kannte man damals noch nicht, sonst würde er’s viel­leicht auch spielen. Würde jeden­falls passen.

Seine Maschine schmückt ein David­stern, »er war einer von uns« soll das wohl bedeuten, und ist bestimmt sehr gut gemeint. Hinterher im Nachspann erläutert der Film, dass die Figur dieses »Leutnant Sternberg« erfunden ist, zusam­men­ge­setzt und stell­ver­tre­tend für jene zahllosen jüdischen Soldaten, die im Weltkrieg an der Seite ihrer Kameraden Dienst taten und tapfer kämpften. Und starben. Hat das einer bezwei­felt? Musste das extra gesagt werden? Offenbar. Macht es alles besser, wenn auch Juden dabei waren? Keines­wegs. Oder soll es nicht vor allem den Patrio­tismus und Heroismus dieses Films nur öffent­lich ein bisschen immun machen gegen nahe­lie­gende und berech­tigte Einwände, gegen den Verdacht des Natio­na­lismus und einer Heroi­sie­rung von Soldaten im Krieg? Auf alle Fälle das.

Ein David­stern also an der einen deutschen Maschine. Eine andere hat ein auffal­lendes Herz. Und so weiter. Lauter nette, hübsche, erstaun­lich unag­gres­sive harmlose Symbole an den Maschinen dieser Herzbuben. Der Sensen­mann und ein Totenkopf kleben nur an Maschinen des Feindes. Einer der deutschen Flieger wird von Til Schweiger gespielt, der hier ganz gut passt, und nur wirklich lächer­lich aussieht, wenn er besonders ernsthaft aussehen will. Der Film stellt uns jetzt erstmal die deutschen Flieger vor. Nicht in ihren Maschinen beim Kriegs­hand­werk, sondern als klas­si­scher Männer­bund: trinken, huren, sterben. Alles macht man gemeinsam. Auch der Gang in den Puff ist Ehren­sache und irgendwie etwas, wobei es mehr um die anderen Jungs geht als um die Frauen (die, unnötig zu sagen, so hübsch sind wie eben nur in Kinopuffs). Jeder hat eine im Arm, keiner geht mit einer aufs Zimmer. Und Manfred, unser Held, hat sich da schon in die hübsche Kran­ken­schwester verguckt und eh keine Lust mehr auf eine andere.

Soldaten im Krieg sind auch in diesem Film eigent­lich große Jungs: hübsch in blüten­weißen Hemden, übermütig und liebens­wert, latent schwul und immer mal wieder zu einem kleinen Späßchen bereit. Beim Frühstück wird das Frühs­tücksei per Modell­ei­sen­bahn zum Tisch gebracht. Es muss schon ein schönes Leben gewesen sein, als Flieger an der Westfront, man hatte nicht nur genug, sondern auch gut zu essen, und Cham­pa­gner gab’s und Sonnen­schein. Flie­ger­wetter eigent­lich, aber die Jungs bleiben am Boden und amüsieren sich. Unfassbar, wie in einem solchen Film der Krieg roman­ti­siert und schön­ge­färbt, verfälscht wird. Man darf natürlich schon zeigen, dass das damals manchen wirklich Spaß gemacht hat, aber man sollte es viel­leicht ins Verhältnis setzen. Und von der Leich­tig­keit eines Films mit, sagen wir mal, William Holden aus den 60er-Jahren ist dieser Film trotzdem meilen­weit entfernt. Die funk­tio­niert nämlich auch nur, wenn sich alle der Fallhöhe bewusst sind – und diese spürbar bleibt.

Unser Baron, der seine Maschine noch nicht rot gefärbt hat, sagt dann solche markigen Sprüche wie: »Ich greife nur an, wenn ich gewinnen kann.« Oder: »Ich werd' selber 'ne Legende. Ich werd' das Ass der Asse.« Kein Funken Nach­denken. Und sein General sagt: »Piloten sind wie Götter«.

Die Figur des Roten Baron steht für Ritter­lich­keit. Aber gibt es überhaupt Ritter­lich­keit im Krieg? In Zeiten der modernen Massen­schlachten? Die Ideen »Roter Baron« und Ritter­lich­keit stehen für die paradoxe Vorstel­lung von Indi­vi­dua­lität im Massen­krieg. Eigent­lich ist das alles aber ja nur ein Luxus. Denn auch die zuletzt 80 abge­schos­senen Flieger, die Richt­ho­fens Ruhm ausmachen, die sind ja gar nichts gegen die Tages­leis­tung eines anstän­digen Artil­le­risten an der Westfront.
Auch die verschie­denen Anstriche der einzelnen Flieger sugge­rieren Indi­vi­dua­lität und Romantik und damit das Gegenteil des Welt­kriegs­all­tags. Gab es natürlich, klar. War aber eine himmel­schrei­ende Ausnahme. »Meine Herren, wir sind Sports­männer, keine Schlächter«, sagt unser Baron einmal, und am Ende ist das womöglich sogar ein authen­ti­sches Zitat. Genau dies ist die Behaup­tung. Genau dies ist die Lüge, die Richt­hofen zur zentralen Figur der deutschen Welt­kriegs-Propa­ganda machte, und die Richt­hofen-Mytho­logie begrün­dete. Dieser Film käut sie nun wieder.

Natürlich darf da auch der übliche Flie­ger­kitsch nicht fehlen: »Dort oben können Sie sich fallen lassen. Freiheit, davon hat die Mensch­heit schon immer geträumt.« Fliegerei als anderer Zustand, völlig losgelöst, etc. Und »Über den Wolken« sang ja auch Reinhard Mey, »Piloten ist nichts verboten« sang Hans Albers. Auch das ist sozusagen gute Propa­ganda, diesmal des deutschen Kinos, das hier unge­bro­chen Schön­fär­bungs- und Ablen­kungs­kino ist. Die Flug­szenen sind übrigens wirklich gut, jeden­falls weit besser als erwartet, zwar auch erwartbar unüber­sicht­lich geschnitten, um Anschluss­fehler zu kaschieren und Dynamik vorzu­täu­schen, aber was soll’s? Immerhin bekommt man eine Art Ahnung, wie es sich wohl angefühlt haben mag, im Luftkampf auf 6000 Meter Höhe.

Aber das sind nur drei recht kurze Szenen in einem mit 120 Minuten zu langen Film. Den Rest über präsen­tiert Der rote Baron Krieg als family-enter­tain­ment. Richt­hofen feiert die Feste, wie sie fallen, fährt nach Haus zur Familie, hat mit seinem präpo­tenten Bruder zu schaffen, trifft Hinden­burg und den Kaiser, übt Tontau­ben­schießen mit den Kameraden und flirtet mit der Kran­ken­schwester, die irgend­wann in seinem Bett landen wird.

Matthias Schweig­höfer macht das schon gut. In der Titel­rolle präsen­tiert er Richt­hofen als langsam reifenden Milchbubi, als Dandy, der alles aus Lust macht. Kein Anhauch von Todesnähe, von Kampf, von Stahl­ge­wit­tern, das ist klar. Der echte Richt­hofen, dazu braucht man sich nur ein x-belie­biges Foto anzusehen, sah ganz anders aus, älter, kälter, härter, abwe­sender. Obwohl Schweig­höfer jetzt schon älter ist als Richt­hofen je wurde. Aber wer hätte es denn spielen sollen von unseren deutschen Helden-Darstel­lern, Til Schweiger viel­leicht? Hat ja auch sein Gutes, das derartige Erfah­rungen aus deutschen Gesich­tern verschwunden sind.

Noch nicht mal als Alibi oder als Kontrast zum schönen Leben wird aber das Sterben an der Front gezeigt. Ein Luft-Panorama von Ypern muss als Stell­ver­treter genügen und ein Laza­rett­be­such mit ein paar vergleichs­weise unschönen Verwun­dungs­bil­dern, bei dem die schöne Kran­ken­schwester fort­wäh­rend mora­li­siert »Das ist kein Spiel«, damit es auch der letzte der Zuschauer begreift, die man offenbar alle schon im Voraus für stumpf­sinnig hält.

Kein Wort hier über die erzkon­ven­tio­nelle Liebes­ge­schichte, die das Niveau einer TV-Serie nie über­trifft, und als sie dann endlich mitein­ander ins Bett gehen, sorgt – na was wohl? – der einzige Bomben­ab­griff des Films für einen Inter­ruptus. Viel­leicht ist das aber auch nur Niki Müller­schöns Niveau, um die fraglos tief­phi­lo­so­phi­sche Botschaft unter­zu­bringen, dass Sex immer auch etwas mit Todesnähe zu tun hat. Besser kein Wort auch über das schreck­lich klische­trie­fende Treffen mit dem briti­schen Feind im Niemands­land, kein Wort über die gold­gelben fran­zö­si­schen Äcker, den ewigen Sonnen­schein an der Westfront – Regen gibt es nur wenn’s dem Baron echt schlecht geht –, die bewun­dernden Kinder­augen, kein Wort über Männer, die melan­cho­li­sche, todes­ah­nungs­volle Blicke tauschen.

Und kein Wort darüber, dass Richt­hofen zum Helden vor allem durch zeitweise tech­ni­sche Über­le­gen­heit wurde, nicht durch Mut und »Solda­ten­tu­gend«, dass er genauso wie das Front­schwein vor Verdun abhängig war vom Material, einge­bunden in eine Mate­ri­al­schlacht in den Lüften. Es ist schon Ideologie, wenn die Über­le­gen­heit der deutschen Flieger erklärt wird aus Heldenmut und mit den dummen Sprüchen des Barons.

Je länger der Film dauert, umso mehr geht der Spaß am Krieg flöten, umso mehr Zweifel beschlei­chen unseren blonden Baron in der flie­genden Kiste. Irgend­wann, so im Februar 1918, ist er dann zum Multi-Kulti-Philo­so­phen mutiert, der bei Hinden­burg persön­lich gegen den Krieg wettert, und hätten ihn die blöden Engländer dann nicht bald darauf abge­schossen, wäre er bestimmt der deutsche Dalai Lama geworden und hätte Hitler mit Sitz­streiks außer Landes getrieben.

»Du, Du bist mein größter Sieg«, sagt er zur Kran­ken­schwester ohne rot zu werden, und »Patrio­tismus ist die Tugend der Boshaften« zitiert er Oscar Wilde. Uiuiui – wenn das der Kaiser wüsste! Und wer seine Meinung zur Obersten Heeres­lei­tung hören will erfährt: »OHL – alles Idioten und Schwach­köpfe«. Ein mutiger Mann also, ein unab­hän­giger Geist. Man könnte natürlich auch sagen, da sei sie wieder, die Haltung, mit der nach den Krieg in Deutsch­land gern die Nieder­lagen wegge­redet werden, auch ein Hauch von Dolch­stoß­le­gende, denn nur die doofen Generäle mit ihren Pickel­hauben waren schuld, dass Deutsch­land nicht

Egal. Der entschei­dende Punkt an diesem Film über den roten Flieger am blauen Himmel ist, dass er keinerlei Haltung zu seinem Gegen­stand hat, außer der arg naiven, dass Deutsch­land halt Helden braucht, und man den Roten Baron schon dahin kriegt, wieder einer zu werden. Schlimmer noch, dass er sich für seine Figur genauso wenig inter­es­siert, wie für dessen Mytho­logie und einfach wild drauflos filmt, ohne nach rechts oder links zu gucken.

Das ist nicht allein so unpo­li­tisch-dumm, dass es kracht. Es ist auch unhis­to­risch. Denn zum Beispiel kommt da ein paarmal ein Herr namens Ernst Udet vor. Den gab es wirklich und das ist eine fraglos recht inter­es­sante Figur, zum einen nach Richt­hofen der erfolg­reichste Abschuss­pilot des Ersten Welt­kriegs, dann Flie­ger­held der Nazis und als solcher Richt­ho­fens poten­ti­eller Propa­ganda-Nach­folger im Zweiten Weltkrieg, dann aber auch das Vorbild für Des Teufels General in Carl Zuck­mayers viel­schich­tigem Stück. Wer dagegen nicht vorkommt, und das ist bei all dem Name­drop­ping des Films natürlich genauso bemer­kens­wert und kein Zufall und ungemein feige, ist Hermann Göring, auch Mitglied des Jagd­ge­schwa­ders Richt­hofen. Göring wurde immerhin noch für zwei Kriegs­mo­nate Nach­folger Richt­ho­fens als Komman­deur.

Regisseur Niki Müller­schöns Haltung zur Geschichte entspricht etwa der des Films Das Wunder von Bern. Histo­ri­scher Revi­sio­nismus, Kino als Nati­on­buil­ding, als Wieder­auf­ko­chen alter, sattsam bekannter Mythen. Das deutsche Kino, das zeigt sich beispiel­haft an Der rote Baron schaut nicht offen nach vorn, sondern verkrampft zurück. Voller Nostalgie, voller Sehnsucht nach vermeint­lich unschul­digen Zeiten und ihren unschul­digen Helden. Zu Not wird die Unschuld dann halt konstru­iert und behauptet. Verbunden ist diese »Strategie der Entschul­dung« (Georg Seeßlen) mit dem Ausblenden aller unan­ge­nehmen Seiten, gern auch um den Preis der Geschichts­fäl­schung: Das Wunder von Richt­hofen.

Der Film zeigt zwar auf seine Weise, dass dieser Mann doppelt und dreifach immerzu in einer Traumwelt lebt. Aber der Film selbst repro­du­ziert diese Traumwelt. Und die Idee vom »liebens­werten Träumer« ist sowieso eine Behaup­tung. Nicht alle Träumer sind liebens­wert.

Ästhe­tisch ist das die Rückkehr zum Heimat­film, der gerade sowieso fröhliche Urständ feiert: In den Dödel­filmen von Markus Rosen­müller, in Vils­meiers Berg­kris­tall, auch Stölzls noch bevor­ste­hendem Berg­film­re­vival über Deutsche gegen Nazis an der Eiger Nordwand, wo auch Beno Fürmann für das heilige Deutsch­land sterben wird.

Moralisch ist es dort wie hier die mitt­ler­weile üblich gewordene Opfer-Mytho­logie: Richt­hofen ist ein guter Kerl, der leider zum Opfer fataler Umstände wird. Aus diesem Grund wird sein schmut­ziger Tod – Richt­hofen wurde ja ganz unhe­ro­isch vom Boden aus abge­schossen – dann auch nicht gezeigt, auch Richt­hofen bleibt im Felde unbesiegt. Wie im Fall von Hitler in Eichin­gers Der Untergang sieht man seinen Tod nicht. Richt­hofen bleibt unsterb­lich. Filmisch jeden­falls.