Frankreich/Brasilien/I 2014 · 110 min. · FSK: ab 12 Regie: Wim Wenders, Juliano Ribeiro Salgado Drehbuch: Wim Wenders, Juliano Ribeiro Salgado, David Rosier Kamera: Hugo Barbier, Juliano Ribeiro Salgado Schnitt: Maxine Goedicke, Rob Myers |
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Nicht ganz frei von Kitsch |
Dies ist eine erstaunliche bildkräftige Ode an die Photographie und den brasilianischen Photographen Sebastiao Salgado, einen der Meister seines Fachs. Vom altgriechischen »phos« (Licht) und »graphein« (schreiben, malen) komme der Begriff, das lernen wir am Anfang, und so erzählt uns Wenders im Porträt dieses Lichtschreibers auch noch etwas über das Kino, das ja vor Einführung digitaler Techniken nichts anderes war, als eine schnelle Abfolge zusammenhängender Photographien. Das Salz der Erde ist somit einerseits eine Filmbiographie über einen Photographen und dessen in klarem Schwarz-Weiss gehaltene Bilder, es ist andererseits auch eine Betrachtung über das Wesen der Photographie. Das Salz der Erde ist auch das Korn des Bildes.
Der Film ist eine visuelle Odyssee durch die Karriere des Photographen. Dessen Bilder projiziert er dafür an eine halbtransparente Wand, die es ermöglicht zugleich die Bilder zu sehen und die Personen, die über sie sprechen. Der Film erklärt uns, wie Sebastiao das Licht zu skulpturalen Effekten nutzt, wie er mit Licht malt, und diese technische Meisterschaft mit großer Anteilnahme für die Menschen und ihr Leben verbindet. Die ersten Aufnahmen des Künstlers entdeckte Wenders Mitte der 80er-Jahre, das Bild einer blinden Touareg-Frau steht bis heute auf seinem Schreibtisch.
Sebastiao begann nicht als Photograph. Er studierte zuerst Wirtschaft, arbeitete für die Weltbank, und floh 1969 vor der Diktatur nach Frankreich. Seitdem porträtierte er lange Zeit vor allem Regionen der Dritten Welt, in denen Armut und Not herrschen. So entstanden Reportage-Serien über Lateinamerika und Afrika, Arbeiter und die Sahel-Zone. Einige kluge Menschen, wie Susan Sontag oder Ingrid Sischy beschuldigten Sebastiao, dass er das Elend ästhetisiere, es in ein Konsumgut fürs westliche Bildungsbürgertum verwandle – man kann dem nur schwer widersprechen. Ähnliches hat man auch gegen manche Filme des späteren Wenders eingewandt. Ganz frei von Kitsch ist weder Wenders' Werk noch das Sebastiaos. »Genesis« etwa, seine neueste Arbeit, lässt die zivilisierte Welt nahezu hinter sich und sucht Trost in einem Zurück zur Natur: Bilder von Tieren, Pflanzen, Steinen, Bergzügen, Wolken am Himmel, Indianern und Naturvölkern auf der Erde, die archaisch so leben, wie schon am Anfang der Zeit. Die Kamera, die das abbildet, kann man allerdings nicht mit dem Faustkeil zurechthämmern, dafür braucht auch Sebastiao den bösen Fortschritt, Fabriken und Technik. Solche Widersprüche werden hier nicht thematisiert.
Das Salz der Erde ist ein Zitat aus der biblischen Bergpredigt. Das passt zu Sebastiaos Arbeiten, die Titel tragen, wie »Exodus« und »Genesis«. Der Künstler als Gott, als Weltenschöpfer, das ist monumentalisch und pathetisch. Gut, dass Wenders hier wenigstens ein bisschen durch klassische Ästhetik und einen Tonfall der Bescheidenheit gegensteuert. Sein Kommentar ist allerdings von Plattitüden nicht frei, und gern hätte man mehr über Einflüsse anderer Künstler gehört und über Arbeitsmethoden. Stattdessen spiegelt hier ein Genie das andere, und beide kommunizieren mitunter von den Hochplateaus zweier Seher, die mit dem Gestus des Checkers und Weltverstehers auf das irdische Gewimmel herabschauen. Gelegentlich ist ihr Olymp allerdings stark wolkenverhangen.