USA 1998 · 172 min. · FSK: ab 6 Regie: Terence Malick Drehbuch: Terence Malick Kamera: John Toll Darsteller: Sean Penn, Adrien Brody, Ben Chaplin, Nick Nolte u.a. |
Saftiggrüne Hügel wiegen im Wind hin und her. Die Sonne bricht hinter Wolken hervor, und ihre Strahlen legen sich über die paradiesisch- friedliche Landschaft. Plötzlich zwei kurze Feuerblitze aus dem Grün, dann wieder Stillenichts ist zu sehen, aber die Schlacht hat begonnen.
Zuvor hatte man einer Einheit von US-Marines bei der Landung am Strand zugesehen: Sie springen aus den gleichen Booten wie in Spielbergs Saving Private Ryan, und darum erwartet der Zuschauer, daß auch hier jeden Moment ein Geschoßhagel das blutige Schlachten eröffnet. Aber nichts geschieht. Alles bleibt still, banal und irritierend ruhig. Erst in den Hügeln beginnt der Kampf.
Terrence Malicks The Thin Red Line war die Sensation dieses Berlinale Wettbewerbs. Ein Kriegsfilm, der gewohnte Bilder benutzt, um ihnen neue Bedeutung zu geben. Man muß diesen Film mit Spielbergs letztem vergleichen, so nahe sind sich beide thematisch – und ganz oberflächlich gesehen auch formal. Aber gerade der Vergleich zeigt die riesige Kluft zwischen der staatstragenden Ideologisierung Spielbergs und der philosophischen Meditation von Malick. Die Geschichte einer US-Einheit im Krieg gegen Japan zeigt das Geschehen aus der Perspektive der Soldaten: Ohne verlogene Heroisierung, aber auch ohne prinzipielle Verdammung. Nüchtern wird noch das Extremste konstatiert, und die Armee aufgelöst in Individuen, von denen jedes eine eigene Geschichte erlebt.
Was an Terrence Malicks erstem Film nach 20 Jahren so überraschend und so überzeugend ist, ist sein langer Atem: eine Ruhe und Langsamkeit, die trotzdem Dynamik vermittelt und in keinem Moment mit Gemächlichkeit zu verwechseln ist, die Spannungen aufbaut, und dem Zuschauer Erlebnisse vermittelt, die sich nicht leicht wieder bannen lassen. Man sieht Bilder, wie man sie seit 20, 30 Jahren, vielleicht seit Antonioni und dem frühen Nicholas Roeg nicht mehr gesehen hat. Und es sind Bilder, die man nicht vergißt.
Auf der Berlinale kamen die Ehrfurchtsbekundungen gegenüber dem Regisseur Terrence Malick einem Gottesdienst gleich, und auch seine mit dem goldenen Bären ausgezeichnete Verfilmung des James-Jones-Romans The Thin Red Line hat viel von einem Kirchgang. Natürlich in einer schönen und reich verzierten Kirche, denn Malick, ist nach zwanzig Jahren zum Filmgeschäft zurückgekehrt, um von der Großartigkeit der Schöpfung zu künden.
Der schmale Grat, so der deutsche Titel, beginnt und endet ganz behutsam. Eine amerikanische Einheit (darunter Woody Harrelson, Nick Nolte und Sean Penn) landet im zweiten Weltkrieg auf einer Insel im Südpazifik. Nach einer gespannten Weile der Vorbereitung, beginnt sie, ein diffuses militärisches Ziel, nämlich einen Hügel, zu erobern und nach einem kurzen exzessiven Kampf mit vielen Verlusten auf beiden Seiten, mutet der Sieg der Amerikaner wie ein wertloser Triumph an. In der darauf folgenden Pause haben die Soldaten Zeit zur seelischen Bestandsaufnahme.
Der Unterschied zu Spielbergs dröhnendem Saving Private Ryan ist beträchtlich. Bei Spielberg, der nie den Verkauf seiner Geschichte außer acht läßt, sind im Grunde lauter tapfere Burschen unterwegs, die militärischen Aktivitäten sind in der Gesamtwertung höchst sinnvoll und am Ende wird eine Brücke triumphal und tränenreich gerrettet. 'So war das damals', behauptet Spielberg und 'Mensch, waren wir tapfer!'. Dagegen der Zweifler Malick, der künstlerisch kompromißloser ist, nimmt keine Rücksicht auf den üblichen Erzählrhythmus. Er läßt auf- und abtreten, wie es ihm paßt, pfeift auf Spannungskurven und reiht am Ende ca. vierzehn Schlußworte aneinander. Einzelne, ob Melancholiker, Barbaren oder Ängstlinge, werden aus dem Wirrwarr herausgepickt und offenbaren mittels Offstimmen ihre Gedankenströme. Auch der Kerl, der den japanischen Kriegsgefangenen die Goldzähne rausschneidet, kommt zu Wort. Durch viele nebulösen Erwägungen über Tod, Schuld und Liebe verwabert Der schmale Grat zu einer ausufernden Verfilmung des »Why«-Plakats, jenes Siebziger-Jahre-Posters mit dem sterbenden Soldaten. Selbst die privaten Rettungsanker sind hier nicht sicher: Nach einem Exkurs über die Macht der Liebe erhält jener Rekrut, der sich durch die Erinnerung an seine Frau stets neu motiviert hat, die briefliche Bitte um Scheidung.
Während der Film also inhaltlich keine Antworten gibt, so tun es doch die Bilder. Malick betritt seine Schauplätze wie eine Kathedrale. Er preist die Unschuld und Ewigkeit der Natur im Kontrast mit den mickrigen menschlichen Belangen. Die wiederholte Montage des Kampfes mit der unverdorbenen Parallelwelt vermittelt hinlänglich den Eindruck von Ewigkeit, denn die Idee wirkt spätestens nach zwei Stunden platt. Starke Momente bleiben aber nicht aus, z.B. wenn die Soldaten mit angehaltenem Atem durch den Dschungel schleichen, und unvermittelt ein lustwandelnder Eingeborener an ihnen vorbeilatscht. Einmal fangen sie gar ein Krokodil und starren es schweigend und fasziniert an. So war’s wenigstens eine Bestie, die sie zähmen konnten.