USA 2000 · 94 min. · FSK: ab 0 Regie: Woody Allen Drehbuch: Woody Allen Kamera: Fei Zhao Darsteller: Woody Allen, Tracey Ullman, Michael Rapaport, Tony Darrow u.a. |
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Woddy Allen als Schmalspurganove |
Das ist, wie wenn man an einem trüben Tag in sein altes Paar Lieblingshausschuhe schlüpft und ein Tässchen des bevorzugten Tees braut: so ein Gefühl von Daheimsein. Auf schwarzer Leinwand prangt, Seite um Seite, der Vorspann in bestvertrauten, weissen Lettern; schön alphabetisch geordnet die Namen der Schauspieler, egal wie groß die Stars darunter sonst erscheinen mögen; dazu erklingt feiner, alter Jazz.
Einmal im Jahr – mit einer Zuverlässigkeit, die von den wirklich
Großen des amerikanischen Kinos sonst nur noch Clint Eastwood an den Tag legt – dürfen wir uns an einem neuen Woody Allen-Film erfreuen. Und der Nachteil dabei ist, dass das schon fast solch eine Selbstverständlichkeit und die Filme meist eine so konstant hohe Qualität haben, dass man darüber leicht vergisst, wie gut wir’s dabei haben.
Vor allem, wenn das Werk so unscheinbar daherkommt wie Small Time Crooks. Nichts von den jüngsten Genre-Spielereien. Nichts von bedeutungsschwangerem Seelenschürfen. Nichts von den stilistischen Experimenten und Freiheiten aus Allens Phase um den Anfang der 90er. Einfach eine, wenn schon nicht ganz geradlinige, so doch geradlinig erzählte Geschichte. Einfach gute, witzige Charaktere. Einfach eine entspannte Demonstration des Könnens von einem, der
immer noch bestens weiß, wie Komödie funktioniert.
Das vielleicht Verblüffendste dabei ist, wie es Allen gelingt, seine Figuren nicht zu denunzieren. Diese heruntergekommenen, im Kopf nicht allzu hellen Kriminellen, die es eines Tages – und ganz anders als geplant – zu Reichtum bringen. Die plötzlich in der Welt der Reichen, Schönen und Berühmten mitmischen dürfen, ohne mit ihnen etwas gemeinsam zu haben – außer Geld. Arg nahe hätte da die Gefahr gelegen, sich
über eine der beiden Welten über Gebühr lustig zu machen, Menschen als reine Deppen zu inszenieren, die eigentlich nichts tun als den Rahmen ihres geistigen und materiellen Vermögen so gut auzuschöpfen, wie sie’s halt gerade gelernt haben.
Aber Allen teilt nach allen Seiten aus, und nie so viel, dass es unlauter verletzend würde. Eine wohltuende, abgeklärte Zurückhaltung liegt über dem Film – über Allens Spiel, den Gags, der Inszenierung. Gerade so viel wie nötig scheint das Prinzip, nicht mehr, aber auch nicht weniger, und das Ganze ohne Strenge. Das läßt viel Platz für das (wie immer) hervorragende Ensemble, sich zu entfalten. Und es scheint verbunden mit einem bei Allen neuen Interesse für Charaktere außerhalb seines bisher verbindlichen Dunstkreises, das schon bei dem wunderbaren Sweet and Lowdown zu bemerken war. Zwar ist es nichts Überraschendes, dass Allen sich für Verlierer begeistern kann, aber dies ist jetzt schon der zweite Film in Folge, der vergleichsweise frei ist von New Yorker Intellektuellen und deren (Beziehungs-)Problemen. Dabei gelingen ihm (und seinen Schauspielern) hier einige seiner schönsten Charakterporträts überhaupt: Die geistig minderbemittelte May (Elaine May), die als Witzfigur eingeführt wird und dann sehr rührende, menschliche Seiten zeigt; die patente Frenchy (Tracey Ullman, endlich einmal wieder!), die viel weniger auf sich selbst vertraut, als sie Grund hätte.
Auch das tut gut an Small Time Crooks: Zu sehen, dass Allen noch lange nicht im kreativen Stillstand angekommen ist, dass er sich noch immer entwickelt, Bekanntes und Bewährtes in neuen Varianten durchspielt, Neues entdeckt. Small Time Crooks mag gewiss nicht sein gewichtigster Film sein (so wie Space Cowboys nicht der gewichtigste Eastwood
war), aber auch das ist ja eine Freiheit, die Allens zuverlässige Produktivität schafft: Die Freiheit, in Gewichtsklassen unterhalb des ewiggültigen Meisterwerks zu reüssieren, ohne langgehegte, große Hoffnungen zu enttäuschen. Einfach einen wirklich schönen, entspannten, mit Liebe und dem unaufdringlichen Können eines Meisters seines Fachs gemachten Film (so wie Space
Cowboys).
Der uns allemal glücklich stimmen sollte, bis es hoffentlich auch nächstes Jahr wieder Zeit wird, die alten Lieblingspantoffeln anzuziehen.