Niederlande 2015 · 100 min. · FSK: ab 16 Regie: Alex van Warmerdam Drehbuch: Alex van Warmerdam Kamera: Tom Erisman Darsteller: Tom Dewispelaere, Alex van Warmerdam, Maria Kraakman, Annet Malherbe, Gene Bervoets u.a. |
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Duell im Sumpfland |
Relativ rasch nach dem internationalen Festival- und Kritikererfolg Borgman, seinem bislang radikalsten Werk mit surrealen und metaphysischen Motiven, legt Alex van Warmerdam, Regisseur, Autor, Komponist und Darsteller in Personalunion, seinen neunten Film Schneider vs. Bax vor. Warmerdam ist zudem auch noch Leiter der Bühne »De Mexicaanse Hond«, ein Grund, weshalb seine Filme meist in einem größeren Abstand entstanden. Diesmal wollte der Spezialist für schwarzen absurden Humor keine Theaterpause einlegen, nicht vor diesem Duell zweier Killer.
Theatralische Elemente und Stilmittel durchziehen seine sämtlichen Kinofilme. Van Wamerdams Debüt Abel (1986) spielte etwa vor stilisierten, künstlichen Kulissen. Für etliche seiner Filme ließ er die Schauplätze extra errichten. Auch treten in seinen Filmen meist eine überschaubare Anzahl an Figuren auf, und spielen in entlegenen, von der übrigen Zivilisation abgeschotteten Arealen, so Die Noorderlinger (1992), Der kleine Tony (1998), Die letzten Tage der Emma Blank (2009) oder Borgman (2013).
Schneider vs. Bax macht davon keine Ausnahme: wenige Figuren sorgen vor abgelegener Landschaft für Spannung. Profimörder Schneider (Tom Dewispelaere) wird in einem sumpfigen Vogelschutzgebiet auf seinen abgewrackten Kollegen Ramon Bax (den van Wamerdam persönlich spielt) gehetzt und soll den jüngeren Killer mit Verkleidungsmanie aus dem Weg räumen. Die Motive ihres gemeinsamen Auftraggebers Mertens (Gene Bervoets) für die gegenseitige Attacke bleiben dubios und interessiert Van Warmerdam nicht wirklich. Entscheidender sind für ihn bizarre Wendungen und Verwicklungen, die teils wie die Pervertierung eines Boulevardtheaterstücks erscheinen. Entsprechend spielen zwei entscheidende Szenen in einem verfallenen, dachlosen Sommerhaus inmitten der Sümpfe, das die Struktur einer Theaterkulisse annimmt.
Brüchige Familienverhältnisse und –Bande ergeben ein weiteres wichtiges Motiv in Van Warmerdams Schaffen. Auch hinter den Kulissen wirkt Schneider vs. Bax wie ein Familienunternehmen: Van Warmerdams Bruder Marc ist der Co-Produzent, Ehefrau Annet Malherbe spielt zum einen Schneiders Geisel Gina und war zudem für das Casting zuständig, und in den Films streut van Warmerdam selbstkomponierte Songs seiner Söhne. Man begegnet vertrauten Gesichtern aus seiner Akteursfamilie. Der weißhaarige Henri Garcin verkörperte schon in Abel van Warmerdams Vater innerhalb einer bürgerlichen, scheinbar angesehenen Familie, deren Risse aus Ehebruch, Herrschsucht und sozialer Isolation erst allmählich zutage traten. Anders wirkt die Prämisse in Schneider vs. Bax, wo der kiffende Möchtegern-Schriftsteller Bax lediglich einen Teil einer dysfunktionalen Familie bildet. Sein asozialer Vater Gerald taucht mit einem abgedrifteten jungen Mädchen auf, sucht nach Drogen und belästigt bei erster Gelegenheit seine depressive Nichte, was offenbar nicht zum ersten Mal geschieht. Bax selbst hält sich eine jüngere Bettgenossin, die ihm schnell lästig wird.
Dem steht Schneiders vermeintlich heile Welt mit blonder, besorgter Ehefrau und zwei reizenden kleinen Töchtern gegenüber – ein Idyll wie in einer Frühstückswerbung, eine Ordnung, die auf Gewalt und Verbrechen fußt. Bevor er zum Mordauftrag aufbricht packt sich der gewissenhafte Papa Butterbrote in eine Tupperschüssel ein. Nicht nur diese Eröffnungssequenz wurde durchgehend in hellen Farben gehalten. Das Dekor und die Kleidung der meisten Charaktere scheinen im leuchtendem Weiß auf, wobei sie erst im Handlungsverlauf immer stärker verschmutzen. Bewusst setzt Alex van Wamerdam das warme Sommerlicht als Kontrast zur düsteren Handlung, die an einem einzigen Tag, Schneiders Geburtstag, spielt.
Es überrascht, dass Alex van Warmerdam als Schauspieler selten in Filmen seiner Kollegen auftaucht. Sein obskurer Stil lässt sich offenbar nicht einfach duplizieren. Die einzige Ausnahme der letzten Jahre stellt der konstruierte Tarantino-Verschnitt Blackout: Killer, Koks und wilde Bräute dar, in dessen schräges Figurenarsenal er sich bestens einfügte. An Tarantino erinnert in Schneider vs. Bax allerdings wenig. Eher wecken der lakonische Tonfall, der makabere Humor und der irrationale Plot Parallelen zu den Gangstergrotesken des Dänen Anders Thomas Jensen. Dass van Warmerdams neunter Streich nicht ganz an dessen beste Werke und den eigenen Vorgänger Borgman heranreicht, liegt an manchen zu konstruierten Zufällen, Charakteren ohne echte dramaturgische Funktion und einem konventionellen Western-Finale mit der holländischen Polderlandschaft anstelle der staubigen US-Wüste. Van Warmerdam scheint dies selbst aufgefallen zu sein, da er mit dem Ende noch einmal bewusst die Zuschauererwartungen unterläuft.