USA 2014 · 102 min. · FSK: ab 18 Regie: Frank Miller, Robert Rodriguez Drehbuch: Frank Miller Kamera: Robert Rodriguez Darsteller: Jessica Alba, Josh Brolin, Eva Green, Joseph Gordon-Levitt, Mickey Rourke u.a. |
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Allerhand Gewalteruptionen |
Selten waren die Bilder des Film Noir, seine düsteren Fantasien, seine pessimistische Grundstimmung, sein zweifelhaftes Figurenpersonal und sein Hang zu gewaltgetränkten Geschichten derart gebündelt auf der Leinwand zu sehen wie 2005. Als Frank Millers hyperstilisierte Sin City-Comics, quasi originalgetreu adaptiert, den Weg in die Kinos fanden und das Publikum vor allem visuell in ihren Bann schlugen. Eine atemberaubende Welt aus kontrastreichen Schwarzweißkompositionen, wenigen gezielten Farbtupfern und betörenden Schattenspielen tat sich auf, in der man sich regelrecht verlieren konnte. So wie die auftretenden Figuren, die von der titelgebenden Sündenstadt verschlungen wurden. Ohne Aussicht auf Erlösung.
Neun Jahre nach Veröffentlichung ihrer brutal-kompromisslosen Noir-Hommage legt das Regie-Duo Robert Rodriguez und Frank Miller nun die von vielen Fans lange herbeigesehnte Fortsetzung vor. Abermals folgt der Film keiner gradlinigen Handlung, sondern verbindet unterschiedliche Episoden (anders als 2005 basieren zwei Stränge nicht auf einer Comic-Vorlage, sondern wurden von Miller exklusiv für den Nachfolger verfasst) zu einem hoffnungslos-grimmigen Gesamtbild. Zeitlich gesehen spielt Sin City 2: A Dame to Kill for zum Teil vor den Ereignissen des Ursprungswerks, teilweise aber auch danach. Bekannte Figuren wie Marv (Mickey Rourke) und Nancy (Jessica Alba) kehren zurück und werden gleichzeitig von neuen Gesichtern ergänzt: etwa dem draufgängerischen Spieler Johnny (Joseph Gordon-Levitt) und der betörend-gefährlichen Ava Lord (Eva Green).
Auch wenn die faszinierende Ästhetik verständlicherweise ihren umfassenden Überwältigungscharakter verloren hat, besitzen die sorgsam komponierten, im besten Sinne comichaften Bilder nach wie vor eine unwiderstehliche Anziehungskraft. Digitales Kino in ausgereifter Form, das eine kreative Vision erkennen lässt – im Gegensatz zu vielen anderen aktuellen Filmen, die mit Computereffekten vollgestopft sind.
Nicht nur in puncto Optik bleiben sich Rodriguez und Miller treu. Auch inhaltlich ist Teil zwei deutlich am Vorgänger orientiert. Liebe, Lust, Leidenschaft, Gier, Rache und Machtstreben – die ganze Palette der Noir-Motivik wird aufgerufen und sorgt in den einzelnen Episoden für allerhand Gewalteruptionen. Erzählerische Raffinesse und eine subtile Figurenzeichnung sollte man dabei erneut nicht erwarten. Vielmehr klassische Grundsituationen der Schwarzen Serie, recht vorhersehbare Plot-Abläufe und archaische Protagonisten, deren Aussehen allein genug Auskunft über ihr Wesen gibt. Das Frauenbild ist einmal mehr äußerst ambivalent. Zum einen werden die weiblichen Figuren immer wieder mit Bedacht auf ihre körperlichen Reize in Szene gesetzt. Zum anderen präsentieren sich viele von ihnen – vor allem die ultimative Femme fatale Ava Lord – selbstbewusst und durchsetzungsfähig. Eigenschaften, die Frauen im Mainstream-Kino nach wie vor erschreckend häufig verweigert werden.
Was die Verkommenheit ihres Noir-Universums betrifft, legt das Regiegespann sogar noch eine Schippe drauf. Gab es in Sin City mit dem aufrechten Cop John Hartigan (Bruce Willis kehrt im zweiten Teil nur kurz als geisterhafte Erscheinung zurück) wenigstens einen moralisch integren Protagonisten, lassen Rodriguez und Miller den Zuschauer im Sequel durchgehend im Regen stehen. Hier bietet sich wirklich niemand als Identifikationsfigur an, weshalb das Leinwandtreiben den Betrachter insgesamt seltsam kalt lässt, obwohl fortlaufend heftigste Gefühlswallungen und drastische Schicksale im Mittelpunkt stehen. Eine erzählerische Radikalkur, die man als bewusste Abgrenzung vom Hollywood-Einerlei bejubeln kann, die zugleich aber auch den Genuss des visuell berauschenden Spektakels schmälert. Immerhin soll ein Kinobesuch nicht zuletzt bewegen, mitreißen und aufwühlen. Beständige Gleichgültigkeit gegenüber den Leidenswegen der Figuren ist da eher kontraproduktiv.