USA 1998 · 110 min. · FSK: ab 12 Regie: Joe Dante Drehbuch: Ted Eliott, Zak Penn, Adam Rifkin Kamera: Jamie Anderson Darsteller: Kirsten Dunst, David Cross, Gregory Smith, Jay Mohr, Phil Hartman u.a. |
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Krieg im Kinderzimmer |
Kinderzeit ist Horrorzeit. Wer erinnert sich nicht: Grimms Märchen machten einst viel mehr Angst als später noch der schlimmste Splatterfilm. Zu den Phantasien aus Jugendtagen gehört auch die Idee, daß sich das ganze Kinderzimmer-Inventar plötzlich selbständig machen könnte. Vielleicht tummelt sich in Kasperlepuppen und Cowboyfiguren, in Barbies und Gameboys doch mehr Leben, als man ahnt.
Genau solche Gedanken liegen dem Plot von Small Soldiers zugrunde, der kein Kinder- sondern ein humorvoller Actionfilm ist. Es geht um ein paar Plastik-Soldaten, die sich plötzlich selbständig machen, und Krieg gegen andere Puppen und schließlich auch gegen Menschen führen. Und das erstaunlich effektiv. Grund: Ihnen wurde ein High-Tech-Computer-Chip eingepflanzt, der ursprünglich aus der Rüstungsindustrie stammt. (Schon zu Beginn eine sehr hübsche Idee: Der Manager einer Waffen- und Spielzeugfirma – die u.a. in einem Spot »Waffen für die ganze Familie« anpreist – will, daß seine Puppen »einmal wirklich das können, was die Werbung verspricht«. Ein redlicher Wunsch, wenn auch nur durch Gewinnstreben motiviert, gebiert den Horror. Wir lernen: Der unbedingte Wunsch nach Authentizität führt in die Katastrophe; Werbung sagt eben nicht die Wahrheit, und vielleicht soll man das auch gar nicht verlangen.)
So entwickeln die künstliche Wesen entwickeln ihre eigene, mörderische Identität. So absurd diese Prämisse auch erscheinen mag, funktioniert Small Soldiers doch überraschend leicht und gut: Alles ist nachvollziehbar und nie umständlich.
Obwohl das nicht chic ist, muß man noch ein bißchen mehr von der Geschichte erzählen. Denn die Firma kreiert zwei Gruppen von Puppen: Einerseits eine Green-Beret-artige Elitetruppe, ein Haufen von dumpfblöden patriotischen Plastikrambos. Andererseits die »Gorgonites«, ihre häßlichen, melancholischen Gegner, die nur programmiert sind, um sich zu verstecken, und willfähriges Kanonenfutter abzugeben. Angeführt werden sie von einer traurig-heroischen Figur namens Archer, dessen Charakterdisposition in manchem an die eines alten Indianerhäuptlings, aber auch an die Tugenden der römischen Republik und an die archaischen Naturliebe eines »Lederstrumpf« erinnert: amerikanisches Pioniertum, daß sich auf den ehrenhaften Kampf im Wald besinnt. (Und Archer liest auf dem PC deshalb auch Henry Thoureau).
Was von außen betrachtet zunächst als Unterhaltungsfilm schlichterer Art erscheint, ist daher in Wahrheit ein durchaus gewalttätiger, wenn auch auf der feinen Grenze zwischen comichafter und echter Gewalt klug hin- und hertänzelnder-Actionstreifen mit Tiefgang. Der Film wirkt ähnlich wie die kleinen Plastikpuppen, die im Mittelpunkt stehen: von außen belanglos, eher häßlich, und jedenfalls ein harmloses Vergnügen, doch innen voll unerwarteter künstlicher Intelligenz auf
absoluter Höhe des Möglichen.
Wie klug und anspielungsreich auch Action sein kann, weiß man seit Terminator. Regisseur Joe Dante, der hier nach Gremlins zum zweiten Mal seine Späße mit der Differenz von Schein und Sein treibt, variiert das Terminator-Prinzip.
Das Resultat ist subtiler, als man vermutet. Viele Anspielungen und Mehrdeutigkeiten machen vor allem in der Originalversion aus Small Soldiers eine anspruchsvolle Satire und eine echte Fundgrube für Insiderwitze. Ziel: Den Zuschauer selbst zum Denken zu bringen.
Nachdem man in Spielbergs Saving Private Ryan gerade noch das Hohelied des gerechten Krieges
vernehmen konnte (wozu an anderer Stelle noch mehr zu sagen sein wird), führt Small Soldiers die Phrasen, die jeden Patriotismus begleiten, ad absurdum. Hier sind Soldaten richtig böse: fies und gemein treiben die Puppen Schabernack mit ihren menschlichen Schöpfern, und die scheinbar unschuldige Gegenstände verselbständigen sich, bis das traute Heim zum Schlachtfeld wird. Es gibt viele gute Einfälle: Zu den besten Momenten gehört die Selbstkreation der
Figuren: Der Liliput-Frankenstein bastelt sich seine eigene Braut aus Barbiepuppen, und diese mißgestalteten Punk-Barbies, die ein wenig auch an Ridley Scotts Replikanten erinnern; und diese mißgestalteten Punk-Barbies fesseln später ihre Puppenmami, wie einst die Liliputaner ihren Gulliver – sage keiner, daß sei nicht metaphorisch gemeint (Also aufgepaßt Mädels, daß ihr euch nicht auch daheim von euren Barbies fesseln laßt).
In der schließlichen Selbstzerstörung des
Kinderzimmers durch das durchgeknallte Spielzeug läßt sich ohne zuviel hineinzuinterpretieren, eine schöne Metapher für die Zerstörung der Kindheit sehen.
Small Soldiers ist, kein Zweifel, ein B-Movie, aber ein guter, weil er auf Zuschauererwartungen und political correctness keine Rücksicht nimmt. Eine Satire für Erwachsene, und ein Film, der auf mehreren Ebenen funktioniert.
Der Film berührt mit alldem etwas Fundamentales, zum Teil Unbewußtes. Wovon unter der Oberfläche auch erzählt wird, ist wie die Kulturindustrie Krieg führt gegen alte Werte, wie die alten Pionierideale Amerikas und Tugenden
des zweiten Rom in der Rambowelt versagen (müssen; Archer ist lebensunfähig, und kann nur noch in der Selbstaufgabe Ruhm ernten, da wo er Rambo am ähnlichsten ist), wie Barbies und Terminators das Mainstream- small-town-Amerika erobern.
Small Soldiers ist ein modernes Märchen über den Verlust der Unschuld. Eine sehr zeitgemäße Phantasie, aufs Seltsamste poetisch, dabei spielerisch und verspielt, witzig und gewitzt, und damit einer der subversivsten Unterhaltungsfilme des Jahres.