USA 2001 · 88 min. · FSK: ab 6 Regie: Robert Rodriguez Drehbuch: Robert Rodriguez Kamera: Guillermo Navarro Darsteller: Antonio Banderas, Carla Gugino, Alexa Vega, Daryl Sabara u.a. |
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Spy Kids in Action |
Es ist wohl nicht ganz unzutreffend, die Begeisterung, die einen angesichts der Präsentation von James Bonds neuesten Ausrüstungsgags bei jeder neuen Folge wieder überkommt, eine kindliche zu nennen. Und so kommt dieses Stereotyp des Agententhrillers als ausführliches Zitat in Rodriguez Spy Kids eigentlich zu sich selbst und vor das wahre Publikum. Denn wer hat als Kind nicht schon oft davon geträumt einmal Spion sein zu dürfen, in einer Welt voller Abenteuer und Gefahren Heldentaten zu vollbringen und es dann schließlich seinen Eltern so richtig zu zeigen, wenn man sie aus den Verliesen der bösen Mächte befreit?
In Spy Kids erleben die 11-jährige Carmen und ihr kleiner Bruder Juni genau dies. Als ihre Eltern Ingrid und Gregorio (gespielt von Antonio Banderas und Carla Gugino) eines Tages spurlos verschwinden, erfahren sie, dass sie ihr relativ langweiliges Familienleben zusammen mit heimlichen Spionen geführt haben. Die geraten auf ihrer neuen Mission allerdings rasch in Schwierigkeiten und es liegt nun an Carmen und Juni ihnen zur Hilfe zu eilen. Plötzlich sind sie mitten drin in einer wahnwitzigen Jagd nach den Gangstern, ausgestattet mit allen möglichen phantastischen Waffen und Werkzeugen und in einem Flugzeug, das nicht nur wie ein Fisch aussieht, sondern tatsächlich auch tauchen kann. Und rasch müssen sie feststellen, dass nicht nur bei ihren Eltern die Dinge etwas anders liegen, als es zunächst scheint.
Doch wer kann schon ahnen, dass der hinreißend verrückte, kunterbunte Floop, der Junis Lieblingsfernsehshow Floop’s Castle präsentiert, mit dem internationalen Bösewicht Minion unter einer Decke steckt, der fragwürdige Experimente mit Menschen anstellt. Die lustigen, grotesken Clownsfiguren in der Show zum Beispiel sind ehemalige Spionagekollegen von Ingrid und Gregorio, die Floop einer Spezialbehandlung unterzogen hat. Und hinter der Fassade der Show wird nach Mittel und Wegen gesucht, eine ferngesteuerte Kinderarmee mit künstlichen Gehirnen zu produzieren, um mit ihr die Weltherrschaft zu erlangen. Bei Gregorio vermutet Minion das lang gesuchte Supergehirn für seine Androiden, und eher der es sich versieht, sitzt er mit seiner Gattin in den Verliesen von Floops Festung, stilvoll in bunt Ketten gewickelt.
Rodriguez hat einen Spionagethriller für Kinder gemacht. Mit dem Tempo und dem Rhythmus eines Videospiels jagt er Carmen und Juni durch den Zitatenschatz der Action- und SciFi Filmgeschichte: Flugszenen wie in Star Wars, Kampfszenen wie in Matrix, Verfolgungsjagden wie in James Bond, und mit dem richtigen Equipment fliegt Carmen wie Superman. Daß ein Elektroschockkaugummi bei der Verbrecherbekämpfung jedoch eine ganz wesentliche Rolle spielt, zeigt schon, wie bei aller Rasanz der Handlung doch Witz und Einfallsreichtum lange vor unnötigen Brutalitäten rangieren. Das macht den Film auch für kleinere Kinder zum aufregenden Erlebnis, selbst wenn für sie der bisweilen etwas verworrene Plot nicht immer durchschaubar sein wird.
Daß Rodriguez mit winzigen Budgets gute Filme machen kann, hat er schon in El Mariachi bewiesen. Für Spy Kids hat er nicht nur das Drehbuch geschrieben, Regie geführt und den Film coproduziert; er ist auch für die Kamera verantwortlich, hat den Film geschnitten und schließlich die Digitalen Effekte selbst am Computer generiert. Letzteres gibt dem Film bisweilen den Charme eines altmodischen B-Pictures.
Die Stärke des Films ist sicherlich seine Ausstattung: die James-Bond Gimmiks und das Innere des Miniflugzeugs zwischen B-Movie-Trash und Brazil. Dicke, dumme Daumen auf Füßen als Bodyguards von Floop, der mit ständig wechselnden Outfits daherkommt wie eine durchgeknallter Glamrocktunte. Alan Cummings spielt ihn hinreißend ambivalent zwischen ewigem Kind und kreativem Genie, das von der Macht verführt wird. Sein Schloß sieht aus, als habe sich ein angeturnter Antonio Gaudi am Designfundus der 60-er und 70-er Jahre vergriffen, um seinem psychedelischen Traum ein architektonisches Denkmal zu setzen. Da passen die Fooglies prächtig rein: groteske, marshmellowbunte, zerknautschte Clownsmutanten, die in der wahnwitzigen Choreographie von Floops Show ihren Wackeltanz aufführen und unverständlichen Unsinn zwitschern. Die Präsentation dieser Show in einer mehrminütigen animierten Clipsequenz ist sicher der originellste Teil des Films.
Für die Nebenrollen hat Rodriguez einige witzige Besetzungen gefunden. Ausgerechnet Cheech Marin, der Veterane des Kifferklamauks, soll sich als Onkel Felix in Abwesenheit der Eltern um Carmen und Juni kümmern. Danny Trejo, der Barkeeper aus dem »Titty Twister« in From Dusk till Dawn, darf seinen Brutalocharme als verschollener Bruder von Gregorio zum Besten geben. Und George Clooney ist als Chef von Ingrid und Gregorio zu bewundern.
Das sieht zunächst im Grunde alles ganz wunderbar aus und dennoch hinterlässt dieser Kinobesuch am Ende einen sehr zwiespältigen Eindruck. Denn so spannend die Features auch entwickelt sind: der Film traut doch seinen eigenen Stärken nicht. Zu viel wird da zu rasch mit einem gnadenlosen Tempo abgehakt. Interessante Details verkommen dabei zum bloßen Gag. Soweit man hier noch von Erzählweise sprechen kann, ähnelt sie eher dem Durchlauf der virtuellen Welten in einem Computerspiel. Die schnelle Lösung des Problems öffnet den nächsten Level. Und der ist in Spy Kids zudem oft nicht ganz logisch mit den anderen verbunden. Das entspricht möglicherweise inzwischen tatsächlich dem Sehverhalten von Kindern, das ja zunehmend an der Gameboyästhetik geschult ist. Aber etwas verwundert ist man schon, wenn in Spy Kids zugleich mit dem gestreckten pädagogischen Zeigefinger gewackelt wird und Floops Show auch als Menetekel für die Ausbeutung kindlicher Phantasie für die Interessen einer Medienindustrie verstanden werden soll. In gewisser Weise widerspricht der Film da seinem eigenen durchaus kritischen Subtext.
Floop, der ständig auf der Suche nach der optimalen Ergänzung seiner Sendung ist, begreift schließlich, was da fehlt: die Kinder. Genau das aber fehlt leider auch dem Film: Wirkliche, lebendige Kinderfiguren, sorgfältig gezeichnete, nachfühlbare Charaktere. Carmen und Juni besitzen die Anmutung von Cartoon Figuren, ein Eindruck, der durch die hölzerne, zudem miserabel synchronisierte Sprache der beiden noch verstärkt wird. Am Ende kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie den Robotern aus Minions Kinderarmee doch irgendwie ähnlich sind.
Weniges verunsichert die gegenwärtige Gesellschaft tiefer, als ihre eigenen Kinder. Gerade hat Spielbergs A.I. das vorgeführt: Die Angst der Erwachsenen vor dem Kind, vor der geheimnisvollen Welt, in der es sich bewegt, und zu der ihnen kein Sesam-öffne-Dich Zugang verschafft. Und den Horror, der gerade in der Perfektion liegt, mag sie auch noch so liebevoll und harmlos grundiert sein – es scheint der Natur des Kindes zu widersprechen, wenn es auch ohne Erwachsene auskommt. Zugleich birgt das Motiv des auf sich allein gestellten Kindes immer auch einen versteckten Traum gerade der modernen Erwachsenenwelt: Die klammheimliche Hoffnung, aller Verantwortung ledig zu sein, die Rolle des Beschützers und Ernährers abwerfen zu können, und wieder ungebunden als Individuum »sich selbst verwirklichen« zu dürfen, die Freiheitsversprechen unserer Zeit tatsächlich zu leben.
Filme wie Kevin allein zu Haus dürfen als unbewusster Ausdruck solcher Hoffnungen verstanden werden, als Traumspiel einer Gesellschaft, die immer weniger Zeit und Raum für ihre Kinder hat, und dies durch immer mehr Geld zu kompensieren sucht. Weil sich die Defizite nicht einfach leugnen und verdrängen lassen, konstruiert sich die Erwachsenenwelt im Kino die Gestalt eines selbstbewusst-wehrhaften Kindes, eines immer optimistischen, nie wirklich ängstlichen überklugen kleinen Erwachsenen – zahllos sieht man in jüngeren Filmen diese Kinder, die eigentlich keine sind, und die eher noch ihren Eltern aus der Not helfen, als ihrerseits Hilfe zu brauchen (wie das in älteren Filmen zumindest kurz vor Schluß fast immer der Fall war, und damit die Ordnung der Dinge wieder zurecht rückte).
Roberto Rodriguez' Spy Kids knüpft genau an derartige Phantasien an. Seine Helden sind die 9jährige Carmen und der 7jährige Juni Cortez, die zwei Kinder eines Paares aus ehemaligen Top-Spionen, das sich mit der Familiengründung zur Ruhe gesetzt hat. Am Beginn des Films erzählt Mutter Ingrid das eigene Leben den Kindern in Form einer Gute-Nacht-Geschichte. Während die Kinder nichts über die wahre Identität ihrer – nach Außen langweiligen – Eltern ahnen, ist das Märchen für uns Zuschauer bebildert – ein rasanter, gut erzählter Auftakt, der bereits viele Stereotypen des Agentenfilms parodiert und den Takt vorgibt für eine erstaunlich furiose, überdrehte Komödie, die auch sich selbst keinen Augenblick ernst nimmt, und der es doch an tieferer Bedeutung nicht fehlt.
Kino heißt, dass alles möglich und alles erlaubt ist. Roberto Rodriguez zelebriert diesen Freiraum seit jeher; bei ihm wird er tatsächlich Leinwandwirklichkeit. Dies galt in seinen früheren Filmen, vor allem jenen, die er innerhalb der US-Filmindustrie gedreht hat (From Dusk till Dawn und zuletzt den weit unter Wert geschätzten The Faculty), die vom hochreflexiven Spiel mit den Genres, der Verweigerung gegenüber Hollywood-Zwängen geprägt sind.
Diesmal also der Agentenfilm. Nach neun Jahren werden die Eltern Ingrid und Gregorio Cortez vom Geheimdienst reaktiviert. Doch offenbar sind ihre alten Fähigkeiten etwas eingerostet, schnell werden sie von dem Glam-Pop-Schurken Fegan Floop gefangengenommen. Dieser bringt Agenten reihenweise zum Verschwinden und hält sie in überdimensionalen Kinderpuppen gefangen; die Kinder des Landes manipuliert er per TV-Show, sein Ziel ist, wie immer in solchen Fällen, die Weltherrschaft. Erringen möchte er diese mithilfe einer Armee aus Roboterkindern, das einzige, das ihm dafür noch fehlt ist das »dritte Gehirn«, eine Superwaffe, in deren Besitz sich Gregorio befindet.
Das alles hört sich höchst albern an, und ist es auch. Aber es handelt sich um eine fröhliche, heitere, unbeschwerte, immer unaufdringliche Albernheit, die die Zuschauer trotzdem nie für dumm verkauft. Der Humor von Spy Kids ist eine präzise Mischung aus Subtilität und Scherzen der gröberen Sorte, aus Filmzitaten, Witzen, die nur Erwachsene verstehen und Spässen, bei denen die Kinder vor Vergnügen glucksen werden, auch wenn die Erwachsenen mit den Augen rollen.
Dabei ist dieses rasante Spiel mit – vor allem – James-Bond-Klischees auch noch intelligent. Denn ungeachtet anderer Aspekte dreht sich alles letztlich in sensibler und anregender Weise um das Verhältnis von Erwachsenen- und Kinderwelt. So verrät Spy Kids in Komödienform etwas über die Träume von Eltern, die gern in ihren Beruf zurückwollen, den sie für die Familie geopfert haben. Ebenso geht es aber um Kinder, die über die besorgten Ratschläge ihrer Eltern längst hinaus sind – oder manchmal nur glauben, es zu sein. Und die Idee, Erwachsene ausgerechnet in Kinderpuppen einzusperren, ist eben mehr als nur ein Gag, ebenso Rodriguez' Kinderroboter – ein auch ohne A.i.-Erfahrung beklemmendes Bild.
Nie verrät Rodriguez hier das Niveau seines Stoffes: Denn wenn sich die Erwachsenen in der Realität vor den Zwängen des Alltags mehr und mehr in die künstlichen Paradiese der Spaßgesellschaft, also in bunt-fröhlich-tumbe Kinderwelten flüchten, dann müssen die Kinder zwangsläufig in Rollen der Erwachsenen schlüpfen. Eine Annährung der Welten, die zwar viel Komödienstoff bietet, darüber hinaus aber ein Stück ernster Wirklichkeit zum Thema macht: Infantilisierung und parallel
das Wieder-Verschwinden der Kindheit.
Am Ende steht gegenseitig erhöhte Achtung zwischen Kindern und Eltern, family values, die aber nie von oben herab oder per erhobenem Zeigefinger gepredigt, sondern sozusagen durch die Hintertür vermittelt werden.
Jenseits von all dem ist Spy Kids aber zuallererst eine höchst erfrischende Pop-Komödie, ein bunter Augenspaß, 90 Minuten Kinovergnügen pur.