Spider-Man: No Way Home

USA 2021 · 149 min. · FSK: ab 12
Regie: Jon Watts
Drehbuch: ,
Kamera: Mauro Fiore
Darsteller: Tom Holland, Zendaya, Benedict Cumberbatch, Jacob Batalon, Jon Favreau u.a.
Filmszene »Spider-Man: No Way Home«
Universen wie Persönlichkeiten im freien Fall
(Foto: Sony)

Ich bin 3 oder die Sehnsucht nach der verlorenen Unschuld

John Watts schafft mit seinem Multiverse-Spider-Man einen fast schon Arno-Schmidt'schen-Zettelkasten der Verweise, ihm gelingt aber auch ein fast perfekter Familienfilm

»As skeptical as I am, I think the contem­pla­tion of the multi­verse is an excellent oppor­tu­nity to reflect on the nature of science and on the ultimate nature of existence: why we are here.... In looking at this concept, we need an open mind, though not too open. It is a delicate path to tread. Parallel universes may or may not exist; the case is unproved. We are going to have to live with that uncer­tainty. Nothing is wrong with scien­ti­fi­cally based philo­so­phical specu­la­tion, which is what multi­verse proposals are. But we should name it for what it is.«
— George Ellis, »Does the Multi­verse Really Exist?«, Scien­tific American

Schon zu Lebzeiten des über­großen Groß­schrift­stel­lers Arno Schmidt gründete Jörg Drews den Barg­felder Boten, eine lite­ra­tur­wis­sen­schaft­liche Fach­zeit­schrift, die sich ausschließ­lich darum kümmert, das zunehmend unzu­gäng­liche Werk Arno Schmidts, das sich aus seinen über Jahr­zehnte gesam­melten Zettel­kästen, poli­ti­scher Wut, lite­ra­ri­scher Neugier und alters­geilem Humor speiste, gebührend zu dechif­frieren. Für ähnlich komplexe Werke aus der heutigen Populär­kultur braucht es natürlich keine eigene Zeit­schrift mehr, da reichen die endlos mäan­dernden Infor­ma­ti­ons­flüsse des Internet völlig aus.

Bestes aktuelles Beispiel ist John Watts' drittes Spider-Man-Install­ment No Way Home, das sich in einem inzwi­schen schier endlos erschei­nenden Refe­renz­raum bewegt. Mal ganz abgesehen von Stan Lees Original-Comics befinden wir uns im Kino inzwi­schen in der dritten Gene­ra­tion von Regis­seuren und Groß­schau­spie­lern, die den wohl humor­vollsten und mensch­lichsten Marvel-Helden immer wieder neu aufer­stehen lassen haben. Sam Raimi mit Tobey Maguires Peter Parker (2002-2007), Marc Webb mit Andrew Garfields Peter Parker (2012-2014) und seit 2017 John Watts mit Tom Hollands Inter­pre­ta­tion von Peter Parker, der sich allein über die Titel­ge­bung Home­co­ming (2017), Far from Home (2019) und nun No Way Home sichtlich um Ordnung und anläss­lich der welt­weiten Migra­ti­ons­wellen auch um das Thema Coming-of-Age, Verwur­ze­lung, Identität und Heimat kümmert. Und nimmt man auch noch die äußerst gelungene animierte Umsetzung der afro-ameri­ka­nisch-beein­flussten Miles Morales-Erzählung, Spider Man: A New Universe (2018) hinzu, bewegen wir uns tatsäch­lich auf einem äußerst gegen­wär­tigen Rezep­tions-Niveau unseres Alltags.

Gleich­zeitig deutet allein schon diese Gene­ra­ti­ons­folge der »Spider-Men« an, wie viele Dreh­buch­au­toren hier ihre Geschichten erzählt haben und wie viele Peter-Parker-Persön­lich­keiten hier in die Mangel der jewei­ligen Zeit­s­trö­mungen und Erwar­tungs­hal­tungen genommen worden sind. So viele, dass eine normale Welt tatsäch­lich nicht mehr ausreicht, diese Persön­lich­keit zu fassen und man seit A New Universe auf die ja auch in der (Quanten-)Physik und Mathe­matik heiß disku­tierte Möglich­keit von Paral­lel­welten bzw. Multi­versen auswei­chen musste, in der all diese Charakter-Varianten auch Sinn machen.

Das funk­tio­niert auch in No Way Home atem­be­rau­bend gut. Und das nicht nur, weil wie etwa durch Dr. Strange (Benedict Cumber­batch) und das Zitieren und Quer­ver­weisen auf andere Marvel Universe-Helden der Plot für Fans zu einem wahren Gaumen­schmaus wird (und sogar Arno Schmidts Zettel­kästen in den Schatten stellen dürfte), sondern auch, weil aus allen Spider-Man-Gene­ra­tionen gute wie böse Geister zum Leben erweckt werden und damit weitere Groß­schau­spieler wie Jon Favreau, Jamie Foxx, Alfred Molina, Willem Defoe und nicht zuletzt die wahrlich großartig aufspie­lenden Andrew Garfield und Tobey Maguire so über­zeu­gend wie über­ra­schende Gast­auf­tritte geben dürfen.

Dabei gelingt No Way Home fast schon spie­le­risch elegant die Grat­wan­de­rung zwischen nicht nur ange­deu­teter, sondern immer wieder auch über­bor­dender Fami­li­en­komödie und den üblichen, aber dennoch über­ra­genden Block­buster-Action-Elementen, die aller­dings im Zwischen-Univer­sums-Bereich mit seinen ausge­he­belten physi­ka­li­schen Gesetzen von der künst­le­ri­schen Krea­ti­vität von A New Universe in den Schatten gestellt wird.

Doch dafür bietet No Way Home die auch in A New Universe ange­deu­tete, aber hier erheblich diffe­ren­zierter ausge­baute psycho­lo­gi­sche Ebene, in der die Multi­versen nicht nur für ganze Paral­lel­welten stehen, sondern auch für die psycho­lo­gi­schen Paral­lel­welten in jedem von uns, von den Möglich­keiten und Einschrän­kungen unserer Persön­lich­keiten, mehr als nur einen Wesenszug zu entfalten und der Macht, diese zu kontrol­lieren bzw. der Ohnmacht, durch situative Einflüsse wer ganz anders zu werden.

Und dann erzählt No Way Home auch eine tolle und berüh­rende Liebes­ge­schichte, die die Überlänge des Films von 148 Minuten allemal verdient hat, weil sie auch den Mut hat, sie nicht im Erinnern, sondern im Vergessen enden zu lassen. Und einmal mehr die Frage gestellt wird, wieviel Doppel­leben ein jeder von uns ertragen kann, denn so wie Peter Parker und all seine Gegen­spieler sich in ihrem charak­ter­li­chen bzw. mora­li­schen Doppel­wesen nach Offenheit, Demas­kie­rung und Einheit sehnen, so leidet vor allem Peter Parker dann darunter, plötzlich »erkannt« und damit »miss­ver­standen« zu werden, nicht anders als die meisten von uns, die sich in den sozialen Medien zwischen ihren Wahl-Iden­ti­täten und Verwandt­schaften getrieben hin- und herbe­wegen. Mit dem einzigen Unter­schied, dass Peter Parkers Sehnsucht nach der verlo­renen Unschuld erst den eigent­li­chen Sünden­fall auslöst.

Und wie in der Bibel endet auch für Peter Parker das Paradies (vorerst) mit der Verban­nung, dem Vergessen-Werden, wird aus dem Moment der größten Befreiung und Erkenntnis der Moment des größten Verlustes, eines Verlustes, der zwar unum­kehrbar, aber dann auch nicht ganz ersatzlos daher­kommt, bleibt doch zumindest eins bestehen: die Hoffnung, dass Gefühle und Freund­schaft am Ende immer siegen werden. Das ist zutiefst roman­tisch, verspielt und ein wenig verpeilt, aber bei all dem Ernst, von dem No Way Home in seiner immer wieder märchen­haften Art auch erzählt, eben genau die Leich­tig­keit, die ein Weiter­leben erst möglich macht.

Die Uniformität des Guten

Spider-Man geht es um Spider-Man: Ein hypersensibler Gen-Z-Junge im intellektuellsten aller Superheldenfilme – die gnadenlose Biederkeit des neuen Spider-Man erzählt mit unglaublich viel Gequatsche vom Verfall des Narrativen

»...im Zweifel fürs Zerreißen der eig'nen Uniform.«
Toco­tronic

»There’s no place like home« – spätestens seit diesem Satz von Dorothy/Judy Garland im Hollywood-Klassiker The Wizard of Oz ist die Heimatsuche und die Unmöglichkeit, eine einmal verlassene Heimat wiederzufinden, im US-amerikanischen Unterbewußtsein fest verankert. Die Züricher Filmwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen hat in ihrem Buch »Heimweh. Illusionsspiele in Hollywood« (1999) gezeigt, dass dieser Satz natürlich doppeldeutig zu lesen ist. Die Bewegung Richtung »Home« ist die ganz spezifische nordamerikanische Ausprägung des Heimatfilms.

Würde Bronfens Buch heute neu aufgelegt, müsste es um ein Kapitel zu Spider-Man ergänzt werden. Alle drei neuesten Titel der Comic­ver­fil­mungs-Reihe tragen das »Home« derart demons­trativ im Titel, dass über das Ideo­lo­gi­sche dieses Begriffs und seiner Inhalten sich nur sehr Naive noch Illu­sionen hingeben können.

Home­co­ming (2017), Far from Home (2019) und No Way Home (2021) beschreiben keines­wegs den Lern­prozeß einer Abna­be­lung und Eman­zi­pa­tion, sondern eine Not, die zur unstill­baren Sehnsucht wird, der ewigen Sehnsucht, wieder jung und Kind zu sein, nicht erwachsen sein zu müssen.

So wie Oz in Victor Flemmings Film vor allem eine hallu­zi­na­to­ri­sche Verzer­rung von Dorothys unbe­frie­di­gendem Zuhause in Kansas ist, so will Peter Parker als Spider-Man zwar immer von Zuhause weg, aber nur um zu erkennen, dass er im repres­siven Netz aus Herkunft, den von Tante May (Marisa Tomei) prokla­mierten konser­va­tiven Werten und eigener Spießig­keit gefangen ist.

Die Spider-Man-Filme prokla­mieren die Notwen­dig­keit, an den Begriff der Heimat zu glauben, gerade wenn sie zeigen, dass dieser Ort ein ideo­lo­gi­sches Konstrukt ist, das nur in der Phantasie aufrecht­erhalten werden kann. Heimat ist auch hier ein imaginärer Ort, ein Ort im Herzen.

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Es gibt einen zweiten, nicht weniger ideo­lo­gi­schen Topos in allen Spider-Man-Filmen: »With great power comes great respon­si­bi­lity.« Das sagt von früheren Filmen (und Comics) Onkel Ben, im neuesten wieder­holt Tante May diese Behaup­tung. Nun weiß man von Reden und Erklä­rungen des poli­ti­schen Alltags, dass die Formel von der »Verant­wor­tung« nur eine Chiffre ist für »Macht«. Und die Behaup­tung der »great respon­si­bi­lity« ist gerade keine mora­li­sche Maxime, an der Parker sich ausrichten kann, sondern (ersatz-)elter­liche Repres­sion, ein Netz aus latentem Schuld­ge­fühl (»werde ich meiner Verant­wor­tung auch gerecht?« soll Peter sich fragen), das ihn innerlich in seiner Herkunft (im »Home«) gefangen hält. »Home« und »Responsa­bi­lity« bedingen hier also einander: Es wäre verant­wor­tungslos, die Heimat zu verraten, und man würde das tun, wenn man nicht verant­wor­tungs­voll – i.e. im Sinne von Onkel Ben und Tante May – handelte.

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Ziemlich am Anfang des Films flieht Spider-Man, also eigent­lich Peter Parker, von Zuhause weg in eine »spiri­tu­elle Oase«. Der Medi­en­hype um ihn ist dem armen hyper­sen­si­blen Jungen zu viel, »Wellness« und »Wokeness« sollen sein Leben für eine Weile bestimmen. Und der Hoch­be­gabte möchte sich auf seine MIT-Bewerbung konzen­trieren. Man muss die Vorge­schichte der beiden Vorläufer­filme kennen, um diesen Film zu verstehen. Muss man? Ja.

Ebenso wie den Zeitgeist und die spezi­ellen Befind­lich­keiten der Ziel­gruppen-Genera­tion »Z«.

Alles läuft über Smart­phone, über Inter­net­kom­mu­ni­ka­tion, Handeln bedeutet im geschlos­senen Raum in irgend­welche Tech­nik­tasten zu hauen. Tatsäch­lich rückt der neue Spider-Man-Film das über­schießende Fantum der Jungen, die Allge­gen­wär­tig­keit der Smart­phone-Kommu­ni­ka­tion und die Bedeutung der sozialen Netzwerke ins Zentrum. Dieser Peter-Parker-Spider-Man würde ohne Mobil­te­lefon kaum aus einer eigenen Wohnung finden.
Auch der Charakter der Freundin Mary Jane hat sich verändert: Zendaya, die Darstel­lerin der Freundin, hat das Zen bereits im Namen. Auf der Leinwand sieht man eine Blüm­chen­be­zie­hung: Händ­chen­halten und mal einen zaghaften Kuss, vergessen ist Kirsten Dunst.

Das alles passt in seiner gnaden­losen Bieder­keit ins ideo­lo­gi­sche Konzept des Marvel-Konzerns und Holly­woods (Spider-Man ist ein Marvel-Comic-Charakter, die Film­rechte aber gehören dem Sony-Konzern), denn Spider-Man ist nicht nur der spießigste, klein­bür­ger­lichste aller Super­helden, einer, der nicht wie Ironman oder Batman in protzigen Villen wohnt, in schnellen Autos herum­fährt und Technik-Gadgets liebt, sondern einer, der eigent­lich nichts mehr ersehnt, als Norma­lität und einen Abend vor der Glotze mit Pizza und seiner Freundin MJ – es ist schreck­lich, dass dieser Spider-Man »einer von uns« sein will. Wer will denn solche Helden sehen? Ich jeden­falls nicht, ich will Helden, ob super oder nicht, die nicht ganz von dieser Welt sind.
Aber dieser Spider-Man ist überhaupt weniger Superheld, als vor allem eine Super­fran­chise. Und demzu­folge muss dies auch eine Geschichte für die ganze Welt werden, die zugleich auch eine Geschichte für alle Genera­tionen sein soll, und alle Menschen aller Länder und Kulturen inte­grieren.
Weil die Welt sich aber zugleich immer weiter ausdif­fe­ren­ziert, muss auch die Figur des Spider-Man sich immer weiter ausdif­fe­ren­zieren. Ebenso die Figuren der Schurken.

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Das ist der Wider­spruch, den die Macher lösen müssen. Und noch nie hat ein Super­hel­den­film diese Proble­matik derart offen reflek­tiert und dann auf der Leinwand ins Bild gesetzt wie dieser. So ist Spider-Man: No Way Home para­do­xer­weise der intel­lek­tu­ellste aller bishe­rigen Super­hel­den­filme, und ein typisch »post­mo­dernes« Produkt, in dem Figuren fort­wäh­rend über sich selber und ihre Rollen nach­denken, ihre Möglich­keiten zu handeln, oder nicht zu handeln in langen Dialogen reflek­tieren, und in dem vor allem Figuren sich verdop­peln und verdrei­fa­chen. Die Handlung dreht sich auch irgendwie um ein Böses, das besiegt werden soll. Vor allem aber dreht sie sich um Spider-Man selbst, und um seine Befind­lich­keit.

Nur zwischen­durch ist dies mal kurze Zeit ein richtiger Film mit einer Handlung von A nach B und dann nach C, die von Guten erzählt, die gegen Schurken kämpfen. Und allzu selten ist dies auch ein Film der unge­se­henen, wirklich über­ra­schenden Bilder.

Die tollste Szene ist, wenn einmal ein »Multi­verse«, also mehrere Universen gleich­zeitig, geöffnet wird. Ganz kurz fühlt man sich da in einen Chris­to­pher-Nolan-Film versetzt, Inception zum Beispiel, wenn dann acht Züge parallel zu einer Art rasenden Blüte geformt, im Concorde-Tempo durch die Luft düsen. Aber nur selten kommt es zu solchen Momenten.

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Ansonsten ist Spider-Man: No Way Home stink­lang­weilig. Dominiert von unglaub­lich viel Gequat­sche und breit getre­tener Figuren-Befind­lich­keit, statt von dem ökono­mi­schen Erzählen, das Hollywood einst ausge­macht hat.

Mir geht es auch nicht so, wie jener Berliner Lokal­zei­tung, deren bericht­erstat­tender Fan es ganz wunderbar fand, »dass sich selbst das hart­ge­sot­tene Kriti­ker­pu­blikum mehrmals zu Szenen­ap­plaus hinreißen lässt«. Wunder gibt es immer wieder. Da frage ich mich eher, ob das wirklich Kritiker waren, oder Fanclub-Mitglieder. Und ob die Idee vom »hart­ge­sot­tenen Kritiker« nicht eh ein einziges Klischee, oder sagen wir: ein verblasster Mythos ist?
Auf solche Gedanken kommt man, weil im Spider-Man-Multi­versum auch die Zeit gedreht ist. Nach etwa drei Stunden Filmdauer bekam ich Hunger und dachte, der Film könnte leicht eine ganze Stunde kürzer sein als er ist. Es würde ihm gut tun. Statt­dessen erlebt man hier die Folgen des Seri­en­booms und der allmäh­li­chen Verwand­lung des Narra­tiven, den Verfall der Kunst, Schwer­punkte zu setzen. Es soll alles gesagt werden, alles vorkommen, alles »episch« sein und mit Bombast-Musik untermalt, und statt eines einzigen Endes gibt es davon eine ganze Handvoll.
Dazu passt dann auch, dass man sich nicht für einen Bösewicht entscheiden wollte, und auch nicht für einen Spider-Man, sondern kurzer­hand fünf (!) verschie­dene Schurken und ungelogen drei (!) Spider-Männer auftreten lässt. Gespielt werden sie außer von dem jetzigen Tom Holland auch von seinen Vorgän­gern Andrew Garfield und Tobey Macguire.

Man könnte sagen: Ein nost­al­gi­sches Wieder­sehen, der Marvel-Konzern bietet seinen Fans einfach alles in einem Rundum-Sorglos-Wohl­fühl­paket. Man könnte aber auch sagen: Hollywood ist verrückt geworden.

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So werden wir Zeugen einer unge­se­henen heiligen Drei­fal­tig­keit, einer Spider-Man-Trinität. »We are a team«, enthüllt uns plötzlich, dass Peter Parker unter einen Multiple-Persön­lich­keits­syn­drom leidet. Während das Böse in diesem Film höchst indi­vi­duell auftritt – der Teufel hat viele Gestalten – erleben wir das Gute uniform und in Uniform.
Das geklonte Gute. Diese vielen Spider-Männer reden dann auch mitein­ander. Der eine darf nicht töten, der andere tut es dann aber trotzdem.

So offenbart dieser Film eine Welt­hal­tung, in der »multi­per­spek­ti­vi­sches Erzählen« eine Floskel für reine Willkür und latente Publi­kums­ver­ach­tung ist. Wo es keine Verbind­lich­keit mehr gibt, ist der Publi­kums­ver­trag gekündigt.

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Dieser Peter Parker/Spider-Man will im Film fort­wäh­rend die Vergan­gen­heit mani­pu­lieren und alle Welt vergessen lassen, was war und wer er ist. Er will fort­wäh­renden Neuanfang und zweite Chancen. Das belegt sein kindi­sches Gemüt, sein im Grunde puber­täres Wesen: Denn »Spidey« will nicht zu seinen Entschei­dungen stehen, er weiß nicht, dass das Leben bedeutet, dass man das Rad nicht zurück­drehen kann. Zugleich will er als trotziges Kind der alleinige »Bestimmer« sein. Denn er entscheidet über alle anderen; entscheidet, wann und ob sie ihr Gedächtnis verlieren. Am Ende des Films weiß er Dinge, die kein anderer auf der Welt weiß. Das schafft natürlich eine grund­le­gende Ungleich­heit zwischen den beiden Liebenden. Es ist das Ende aller Gleich­heit. Lieber hofft Spidey auf eine gute Märchenfee, die ihm jeden Wunsch erfüllt. Diese gute Fee heißt hier »Doctor Strange«.
Dieser »Dr. Strange«, eine weitere Marvel-Figur, gespielt von Benedict Cumber­batch, ist nicht nur »Spideys« Ersatz­papa, sondern überhaupt der einzige Erwach­sene dieses Films und die wahre Haupt­figur. So erzählt uns dieser Film einiges über den Traum der Menschen, immer wieder von vorn anzu­fangen, den Traum vom ewigen Neustart und Nullpunkt, der ewigen Jugend.

Vor allem aber erzählt der Film viel über das Kino von heute. Ein Kino, das in die Krise schlit­tert, weil es immer stärker sche­ma­ti­siert und normiert ist, weil es sich immer weniger entscheiden will, sondern auch noch den letzten Zuschauer ins Kino locken und es allen recht machen.

Einmal mehr könnten Filme wie diese trotz aller Werbe- und Marke­ting­mil­lionen aber beweisen: Wer alle kriegen will, kriegt am Ende keinen.