Deutschland 2016 · 95 min. · FSK: ab 12 Regie: Christian Pasquariello Drehbuch: Christian Pasquariello Kamera: Hagen Bogdanski Darsteller: Iwan Rheon, André Hennicke u.a. |
||
Auf dem Niveau der Bildgestaltung ist alles okay |
Der deutschsprachige Science-Fiction-Film der jüngeren Zeit tut sich unheimlich schwer. Natürlich können die hiesigen Werke nicht mit dem produktionstechnischen Aufwand typischer 200-Millionen-Dollar-Blockbuster aus Hollywood aufwarten. Aber die immer populärer werdende Bewegung der Low-Fi-Sci-Fi-Filme beweist mit Filmen wie Another Earth oder Coherence, dass dies kein Nachteil sein muss, solange nur eine zündende Idee vorhanden ist. Dahingegen gelingt es deutschsprachigen Filmen wie Stille Reserven – und jetzt auch S.U.M. 1 – zwar, optisch das Beste aus den beschränkten Mitteln herauszuholen. Aber so richtig zünden will hier nichts.
Christian Pasquariellos Debütfilm S.U.M. 1 ist von einer nahezu bleiernen Schwere gekennzeichnet. Die Handlung des Films spielt in einer nicht näher bezeichneten Zukunft, in der die Erde von außerirdischen Monstern heimgesucht wurde. Die wenigen Überlebenden haben sich in ein unterirdisches Bunkersystem zurückgezogen. Die einzige Möglichkeit, an die Erdoberfläche zu gelangen, besteht darin, einen 100-tägigen Militärdienst in einem der diese Anlage schützenden Wachtürme zu absolvieren. Jetzt lässt sich der Rekrut S.U.M. 1 (Iwan Rheon) auf dieses Wagnis ein. Sein einziger Kamerad bei der extrem einsamen Tätigkeit ist eine kleine weiße Ratte.
Der Film beginnt mit Bildern von dem Aufmarsch einer großen Armee. Die Helme der Soldaten erinnern ein wenig an eine leicht modernisierte Version von Darth Vaders Kopfbedeckung. Auch die Technik im Wachturm, in dem S.U.M. 1 seinen Dienst ableistet, ist von einer stark retrofuturistischen Anmutung bestimmt, die eher an Sci-Fi-Filme der 1970er- und 1980er-Jahre als an aktuelle Produktionen denken lässt. Trotzdem ist S.U.M. 1 gerade von seiner visuellen Seite her recht überzeugend.
Über weite Strecken ist die gesamte Szenerie in kalte Blautöne getaucht. Nur bei Nacht wechseln jene zu Grün. Auf diese Weise wird wirkungsvoll das offensichtlich sehr beschränkte Budget des Films kaschiert. Selbst ordinäre Bilder von der brandenburgischen Pampa bekommen etwas sehr Atmosphärisches. Diese äußerst kalte farbliche Grundstimmung spiegelt auf effektive Art die Inhumanität einer Welt, in der Menschen statt mit richtigen Namen nur noch mit bloßen Folgen aus Ziffern und Buchstaben bezeichnet werden. Überhaupt ist die farbliche Dramaturgie in S.U.M. 1 gut durchdacht: Sobald der einsame Protagonist ein wenig Hoffnung schöpft, aus seinem traurigen Dasein befreit zu werden, treten dezente warme gelb- und orangefarbene Töne ins Bild. Auch die stärkere Hinwendung des Wachturmwärters zur Natur schlägt sich in einer entsprechend aufgelockerten Farbgebung nieder.
Ansonsten gibt es jedoch wenig, was den Zuschauer über die Laufzeit von 90 Minuten bei der Stange hält. Iwan Rheon mit seinen wasserstoffblond gefärbten Haaren und den alienartigen Augen – wahrscheinlich Zurückbildungen infolge des Lichtmangels im Bunkersystem – mag ja prinzipiell ein interessanter Typ sein. Doch das Interesse an seiner Figur schwindet, je mehr sich die immer gleichen handlungsarmen Elemente wiederholen. Dieser inhaltliche Minimalismus schafft anfangs eine stark klaustrophobische Stimmung, aber irgendwann wartet man nur noch genervt darauf, dass hier endlich einmal etwas Nennenswertes passiert.
Die Sache wird auch dadurch nicht besser, dass jeder halbwegs erfahrene Genrefilmliebhaber den ersten wichtigen Twist überdeutlich kommen sieht. Auch wenn Pasquariello ganz zum Schluss zeigt, dass dies doch noch nicht die ganze Wahrheit ist, geht er jedoch derart mit dem Holzhammer vor, dass man am Ende nicht so recht weiß, ob man diesen unerwarteten Ausbruch an Unvorhersehbarkeit begrüßen oder verdammen soll. Was bleibt, ist ein unausgegorener deutscher Sci-Fi-Film. Damit bestätigt S.U.M. 1 leider erneut den bekannten Sachverhalt, dass mit dem deutschen Genrefilm aktuell nicht sehr viel los ist. Filme wie Fassbinders genialer Fernsehzweiteiler Welt am Draht (1973) hatten noch gezeigt, dass man mit bescheidenen Mitteln sehr intelligente und spannende Sci-Fi-Filme machen kann.