Israel 2002 · 63 min. Regie: Anat Zuria Drehbuch: Anat Zuria Kamera: Nurit Aviv, Shiri Bar-On Schnitt: Era Lapid |
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»Niemand darf mich berühren. » |
Die Frau reinigt sich sorgfältig. Wäscht sich das Haar. Schneidet die Nägel. Entfernt noch die letzten Lackreste von den Zehen. Wischt winzige Maskaraspuren aus den Wimpern. Erst dann taucht sie im Becken unter. Bleiche, schlanke Frauenarme schweben im stillen Wasser. Dies ist kein gewöhnliches Bad. Die Frau vollzieht die Miqveh, die rituelle Reinigung der Frau, sieben Tage nach Ende der Periode oder nach den Blutungen der Geburt.
Während dieser Zeit gilt die Frau als unrein: »Niemand darf mich berühren, nicht einmal die Spitze meines Kopfes«, sagt die Regisseurin Anat Zuria. Ihre subtile Auseinandersetzung mit der »Tharat Hamishpaha«, der Reinheit der Familie, hinterfragt eine der Grundfesten des orthodoxen Judentums. Mit großer Offenheit sprechen Frauen vor der Kamera und berühren damit ein Jahrtausende altes Tabu.
Natalie, Katie and Shira sind drei Frauen in unterschiedlichsten Lebenssituationen: geschieden die eine, glücklich verheiratet die zweite, die dritte kurz vor ihrer Hochzeit. Jede von ihnen steht im Spannungsfeld zuwischen ihrem religiösen Empfinden und den individuellen Bedürfnissen. Katie ist verzweifelt, da ihr unregelmäßiger Zyklus ihre Ehe und ihr Leben sehr belastet: Einen Großteil der Zeit gilt sie als unrein. Voll Bitterkeit berichtet sie von der Zeit nach der Geburt ihres Kindes. »Ich hatte eine Uterusinfektion und fühlte mich schwach und krank«, erzählt sie und wie sie sich nach einer tröstenden Umarmung ihres Mannes gesehnt hätte. Doch die war erst Wochen später, nach der Miqveh wieder gestattet.
Berichte wie diese offenbaren, wie ein Gesetz, das einst dem Schutz der Frau von Infektionen diente, im Laufe Jahrtausende alter Überlieferung zum Korsett wurde, das nicht nur stützt, sondern vor allem einschnürt. Enthüllt wird auch die Doppelbödigkeit der religiösen Regeln: Ist der Mann krank, darf er sich von seiner unreinen Ehefrau pflegen und – zumindest durch die Kleidung hindurch – berühren lassen. Umgekehrt gilt diese Milderung der strengen Regeln nicht. Natürlich gibt es auch positive Stimmen: Eine Immigrantin aus New York erzählt von der Miqveh als eine willkommene Auszeit von der turbulenten Familie, ein Abend allein unter Frauen, nur für sie allein.
Die Filmemacherin selbst lebt die strengen Rituale seit zwanzig Jahren, obwohl sie aus einer säkularisierten Familie stammt. Nach ihrer Hochzeit mit einem orthodoxen Juden hatte sie große Mühe, sich in das strenge Regelwerk einzufügen. »Ich hatte große Probleme, Grundbegriffe wie Reinheit und Unreinheit überhaupt zu erfassen«, sagt sie in einem Interview. »Während der Menstruation fühlte ich mich weder unrein, noch durch die Miqveh geeinigt.«
Aufgefangen wird der rebellische Diskurs durch die wunderbaren Bilder dieses außergewöhnlichen Films. Sie offenbaren bei aller Kritik die große Sehnsucht der Frauen nach Spiritualität und gelebter Religion – und zeigt große Empfänglichkeit für die Schönheit des Rituals. Dieser Film ist kein Abgesang an das praktizierte Judentum, sondern ein Appell für mehr Menschlichkeit in der Spiritualität.