USA 2000 · 145 min. · FSK: ab 12 Regie: Roger Donaldson Drehbuch: David Self Kamera: Andrzej Bartkowiak Darsteller: Kevin Costner, Bruce Greenwood, Steven Culp, Dylan Baker u.a. |
Man trägt Grau. Ständig wird geredet, ab und an wechseln die Herren von einem der Räume in den nächsten, vom großen Verhandlungstisch ins kleine Büro, oder ans Rednerpult, von dem aus die Presse mit nichtssagenden Statements gefüttert wird. Mal blicken die Akteure zu Boden, dann wieder 'gen Himmel, wie um höheren Beistand flehend. Sie ringen mit den Händen, oder stützen die Arme in die Hüften. Die Wände der Räume sind weiß, so wie das Haus von Außen, manchmal geschmückt mit mehr oder weniger geschmacklosen Bildern von Seeschlachten und Büffeljagden, oder mit der Büste eines der Vorgänger des Präsidenten. Das Antlitz der Politik ist unheroisch geworden, genauer: das Heldentum hat sich verlagert. Keine Schlachten müssen mehr geschlagen, keine großen Reden gehalten werden. Statt dessen ist ein Nervenkrieg zu gewinnen, und der größte Feind sitzt im Innern. Überstehen scheint alles.
Es ist ein unerwartetes, seltsam eindringliches, aus historisch Belegtem und Fiktionalem aufregend gemischtes Bild politischen Handelns, dass Roger Donaldsons Thirteen Days vermittelt. Er steht am Anfang mehrerer US-Filme, die in den nächsten Wochen zu sehen sein werden, und die alle in sehr verschiedener Form das gleiche Thema behandeln: die Bedingungen der Möglichkeit von Politik in unserer Zeit.
Filme über US-Präsidenten haben im amerikanischen Kino der 90er Jahre Konjunktur. Auch Roger Donaldsons Thirteen Days fällt unter das Genre der Präsidentenfilme. Und doch ist er, bei allem Pathos und Heroisierung, die sich auch hier finden, bei aller Verklärung und mancher Schönfärberei der politischen Position der Kennedy-Regierung kaum mit jenen anderen Filmen der 90er zu vergleichen, weder den Satiren eines Mike Nichols (Primary Colors) und Barry Levinson (Wag the Dog), und schon gar nicht mit der Popcorn-Action von Absolute Power oder Airforce One. Allenfalls noch Oliver Stone (JFK, Nixon) liefert ein paar Akzente, die sich auch in Donaldsons Darstellung des politischen Führers der USA wiederfinden: wie dieser nimmt Donaldson die politische Bühne zunächst einmal grundsätzlich ernst, macht sie zum Schauplatz von schicksalhaften Ereignissen, wie dieser versucht auch Donaldson eine semidokumentarische Atmosphäre zu erzeugen. Die Wechsel zwischen Schwarzweiß und Farbe, gelegentlich ergänzt um historische Originalaufnahmen und Ausschnitte aus TV-Sendungen, etwa den Nachrichten des legendären Walter Cronkite, gehören aber eher zu den schwächeren Aspekten von Thirteen Days.
Im Mittelpunkt dieses Polit-Thrillers stehen die historischen Ereignisse des Oktober 1962, die heute im Archiv der Weltgeschichte unter dem Stichwort »Kubakrise« abgelegt sind. Tatsächlich handelte es sich eher um einen Showdown im High Noon-Stil zwischen den beiden Kalten-Kriegs-Antipoden USA und Sowjetunion, um ein weltpolitisches Kräftemessen, dass – ausgelöst von heimlich auf Kuba stationierten sowjetischen Atomraketen – mehr zufällig bis zu einem Punkt eskalierte, an dem ein militärischer Konflikt, sprich der mit atomaren Waffen geführte Dritte Weltkrieg, fast unvermeidlich schien.
Zumindest zwei Tatsachen scheinen dieses Szenario zu einem schwierigen Filmstoff zu machen. Zum einen weiß man, ganz schlicht gesagt, von vornherein, wie die Geschichte ausgeht. Die atomare Apokalypse, die Donaldson zu Beginn in der düster-bizarren Schönheit aneinandergeschnittener Originalbilder von Atomexplosionen aufscheinen lässt, hat sich nach dreizehntägiger Krise nicht ereignet, sie ist auch später nicht wirklich geworden.
Zum zweiten handelt es sich um Vorgänge, die vor allem in geschlossenen Räumen stattfinden; das Tun der Beteiligten besteht aus endlosen Debatten, Abwägungen, Zweifeln und Ängsten, aus Kommunikationshandlungen, die selbst häufig wieder nur indirekt ihr Ziel verfolgen, denn die Furcht, ein falsches Signal zu geben, Angst oder Unentschlossenheit zu zeigen, überwiegt alles. Wie nun stellt man solche emotionalen, an herkömmlicher »Action« überaus armen Vorgänge dar?
Doch
gerade diese beiden Kardinalprobleme bewältigt Donaldson meisterhaft. Indem der Regisseur gar nicht erst versucht, eine irgendwie »objektive« Sicht der Ereignisse zu zeigen, indem er sich auf die subjektiven Perspektiven der politischen Akteure im Weißen Haus konzentriert, zieht er die Zuschauer mehr und mehr in die Dramatik des Ablaufs hinein, und lässt den Ausgang des Geschehens vergessen.
Man erlebt einen Männerbund grau gekleideter ständig redender Herren – dies war
noch die Zeit, als Frauen in der Politik allenfalls Kaffee kochen und Briefe tippen durften. Hier setzen sich zumeist diejenigen durch, die eine große Klappe haben. Trotz zweieinhalb Stunden Filmlänge gibt Thirteen Days kein einziges Mal Einblick in die russische Sicht der Dinge. Das ist gut für den Film. Sein Thema sind die internen Konflikte und Probleme, der Blick auf den Apparat bei der Arbeit. Man beobachtet die Mechanismen des Handelns, spürt die Zwänge,
denen auch die Handelnden ausgesetzt sind, und ihre Ohnmacht in manchen Augenblicken, erkennt ihre Würde.
So ist Thirteen Days zuallererst ein Film darüber, wie Politik funktioniert, über die wahrscheinlich immer noch nicht allen bewusste Tatsache, dass kein Machtzentrum »mit einer Stimme« spricht, das vielerlei Interessen und unterschiedliche Denkschemata das Handeln prägen, und vor allem individuelle Psychologien.
Indem Donaldson diesen Aspekt ins Zentrum steht, wird hier Politik zum Schauplatz eines Psychothrillers, dessen – durch die Konflikte der Figuren bestimmte – Spannung von Innen kommt, und tatsächliche Action nicht nötig hat, weil die anfänglich visuell skizzierte Bedrohung immer latent und insofern auch real vorhanden bleibt.
Wie alle Thriller braucht auch dieser seine Helden. Zum Stellvertreter des Zuschauers wird der Präsidentenberater Kenneth O’Donnell,
eine historische Figur, zugleich aber eine der blassesten Gestalten in Kennedys Tafelrunde. Kevin Costner leiht diesem Mann, der überall dabei war, ohne je entscheidend einzugreifen, seinen Star-Appeal, der seit jener leicht antiquiert wirkt und insofern perfekt in die Ära der frühen Sechziger passt.
Die eigentlichen Helden dieses Dramas sind aber die Kennedy-Brüder. Bruce Greenwood und Steven Culp verhalf hier vor allem ihre Ähnlichkeit mit John F.Kennedy und seinem Bruder Robert einmal zu einer Hauptrolle. Besonders Greenwood überzeugt aber über alle angeeignete Gestik hinaus auch durch sehr zurückgenommenes, cooles Spiel. So nimmt er dem Bild des Präsidenten, der letztlich die richtigen Entscheidungen traf, einiges von seinem pathetischen Heroismus. Freilich bleibt dieses Bild auch diesmal letztlich verwaschen zwischen der Verklärung des politischen Jahrhundert-Mythos Amerikas als eines jungen moralischen Ritters, der der Welt noch einmal ihren einstweilen letzten politische Aufbruchsvision zu geben vermochte, und dem Portrait eines unsicheren Zauderers, der letztlich bereit war, einen Atomkrieg zu führen.
Vielleicht ist diese Unsicherheit aber historisch angemessener, als hätte sich Donaldson ganz auf eine der beiden Seiten geschlagen. Letztlich ist es ein unverklärtes, verhältnismäßig realistisches Bild des Politischen, das hier gezeigt wird. Zwischen heiligem Ernst und spielerischer Risikobereitschaft der Akteure konzentriert sich der Film vor allem auf zwei wesentliche Aspekte: Das historisch grundsätzlich belegte, an Konspiration grenzende Treiben des US-Militärs, dass am Präsidenten vorbei an einer Eskalation der Lage interessiert war, nicht nur bereit, sondern willens, den Atomkrieg zu führen. Gegenüber John Frankenheimers durch die Kubakrise inspiriertem Seven Days In May von 1964 bleibt Donaldson zwar weniger deutlich. Fast beiläufig zeigt er die Mischung aus Naivität und Skrupellosigkeit, und die nahezu verzweifelten Bemühungen der Präsidentenberater und des Verteidigungsministers McNamara (Dylan Baker), das illoyale Militär im Zaum zu halten, ohne doch je einen Zweifel zu lassen, dass von dieser Mentalität noch größere Gefahren für den Weltfrieden ausgingen als von der politischen Konfrontation.
Zum zweiten vermittelt der Film, dass Politik zu wesentlichen Teilen ein Reich der Zeichen ist. Ein Großteil des Handelns ist symbolisch, die komplizierte Botschaft wird nicht direkt vermittelt, sondern setzt sich aus der Fülle kleiner Gesten und einzelner Zeichen zusammen. »Das ist keine Blockade, sondern Sprache.« erklärt einmal McNamara einem begriffsstutzigen Admiral, »Der Präsident kommuniziert mit Chruschtschow«. Auch Drohungen, auch der Einsatz militärischer Mittel bleiben hier immer Fortsetzung von Politik. Irgendwann, so scheint es kommt freilich der Punkt, an dem man einander vertrauen muss, sei es nicht auf den guten Willen, dann zumindest auf die Rationalität der Beteiligten. So gehen Emotionen und rationales Kalkül in diesem Fall eine schwer durchschaubare Mischung ein. Die Sicherheiten, in denen wir uns wiegen, auch jene von uns allen gelegentlich gern zur Schau gestellte lässige Politikverachtung, wird in Thirteen Days nachhaltig erschüttert.