USA 2021 · 100 min. · FSK: ab 12 Regie: Taylor Sheridan Drehbuch: Michael Koryta, Charles Leavitt, Taylor Sheridan Kamera: Ben Richardson Darsteller: Angelina Jolie, Finn Little, Nicholas Hoult, Jon Bernthal, Medina Senghore u.a. |
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Nostalgische Reise in ein anderes Kino | ||
(Foto: Sky) |
»Ich hasse diesen beschissen Ort.«
»Er hasst dich ebenfalls.«
– Aidan Gillen und Angelina Jolie in They Want Me Dead
Einen Film auf einer der Apps von Sky Ticket zu streamen ist wie eine Zeitreise in die Anfänge des Streamens: mal startet der Film nicht, dann ruckelt es, dann stimmen Tonspur und Film nicht überein und auch von Untertiteln scheint bei Sky niemand etwas gehört zu haben, von den Abstürzen ganz zu schweigen – wer also wirklich wegen eines exklusiv gelaunchten Films ausweichen muss, sollte keinesfalls die Posts der verzweifelten Community lesen, sondern sich mutig ins Gefecht stürzen, denn irgendwann geht irgendwie dann doch irgendetwas.
Und außerdem gibt es nun mal Filme, die es am Ende der Pandemie nicht mehr ins Kino schaffen, die durch die anstehenden Tsunami-artigen Neustartwellen der nächsten Wochen im Streamingstrudel untergehen werden oder schon untergegangen sind, und bei denen es anstrengender Perlentaucherei bedarf, um wenigstens ein paar von ihnen zu retten.
Am Anfang schien dies auch das Schicksal von They Want Me Dead zu sein, als er am 3. Juni auf Sky gelauncht wurde, doch inzwischen hat es They Want Me Dead tatsächlich auch in Deutschland noch in die Kinos geschafft – sogar vor dem großen, kollektiven Neustart aller Kinos am 1. Juli.
Und das ist gut so, denn They Want Me Dead ist eine dieser Perlen, nach denen es sich unbedingt zu tauchen lohnt, auch wenn es vielleicht eher eine Zuchtperle als eine Naturperle ist. Aber es ist immerhin eine Regie- und Drehbucharbeit von Taylor Sheridan, der mit seinen Drehbüchern zu Sicario, Sicario 2 und Hell or High Water und dann mit seiner ersten Regiearbeit Wind River skalpellartig und beeindruckend konsequent die Tumore bloßgelegt hat, die Amerika von innen zerfressen. Ein Amerika, in dem die »last frontiers« im Grunde jene sind, die schon vor 150 Jahren die »last frontiers« waren, und in dem damals wie heute nur »Gewalt als Therapie« bleibt, um die inneren und äußeren Freiheiten zu retten.
Diese Arbeitshypothese gilt auch für Sheridans They Want Me Dead, eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Michael Koryta, der zusammen mit Sheridan und Charles Leavitt für das Drehbuch verantwortlich ist. Wie in allen Filmen mit Sheridans Beteiligung beobachten wir auch in They Want Me Dead einen entfesselten Kapitalismus, der Widersacher gnadenlos aus dem Weg räumt. In diesem Fall einen forensischen Buchhalter, der sich auf die Seite des Guten hat schlagen wollen, nun aber mit seinem Sohn Conner (Finn Little) auf der Flucht nach Montana ist und seinen Sohn schon sehr bald in die schützenden Hände von Hannah Faber (Angelina Jolie), eine Feuerspringerin, übergeben muss, die dadurch ebenfalls ins Visier des brüderlichen Killerkommandos um Jack (Aidan Gillen) und Patrick (Nicholas Hoult) gerät.
Die einfach strukturierte Action-Thriller-Handlung, die immer wieder an Klassiker des Genres wie John McTiernans Die Hard erinnert, emanzipiert sich jedoch nicht nur durch ein zeitgemäßes Gender-Uplifting – statt Bruce Willis haben wir es mit der ebenso körper-kompetenten und reaktionsstarken Angelina Jolie zu tun –, sondern wie schon in Wind River übt Sheridan auch in They Want Me Dead sehr direkte Kapitalismuskritik und stellt die Natur und ihre Gewalttätigkeit nicht nur symbolisch neben die Gewaltbereitschaft der Menschen. Er kommt dabei der biblischen Erkenntnis in den Galatern – »Denn was ein Mensch sät, wird er auch ernten.« – sehr nah, vor allem durch die im tatsächlichen Wortsinn beeindruckende »Unterfeuerung« seiner Argumentation.
Diese Deutlichkeit ist allerdings auch die größte Schwäche von They Want Me Dead. Hatte Wind River gerade durch seine Ambiguität überzeugt, Sheridans Verweigerung simpler Stereotype von Gut und Böse und eine immer wieder betonte Verlangsamung des Tempos, um seinen Charakteren Zeit für ihre Entwicklung zu geben, befinden wir uns hier tatsächlich im »reinen« Genre des actionbetonten Thrillers, in dem die Schauspieler nur mühsam den Anforderungen des Drehbuchs hinterherkommen. Allen voran Angelina Jolie, der man die traumatisierte Feuerwehrfrau in kaum einem Moment so richtig abnimmt und für die Linda Hamilton, die im letzten Terminator vor zwei Jahren auf ganzer Linie überzeugte, wohl die bessere Wahl gewesen wäre.
Doch bleibt bei all der verbrannten Ambiguität und charakterlichen Tiefe immer noch Sheridans kritischer, wuchtiger Unterton und eine irgendwie auch nostalgische Reise in das Kino der 1980er und 1990er.
They Want Me Dead ist seit dem 3. Juni 2021 auf Sky abfrufbar, aber inzwischen auch in ausgewählten Kinos zu sehen.