USA 2001 · 101 min. · FSK: ab 12 Regie: Simon West Drehbuch: Patrick Massett, John Zinman, Mike Werb Kamera: Peter Menzies Jr. Darsteller: Angelina Jolie, Daniel Craig, Leslie Phillips, Mark Collie u.a. |
Nicht wirklich von dieser Welt war Lara Croft schon immer. Als Töchterchen aus altem britischen Adel teilt sie einerseits das Schicksal von anderen Abkömmlingen einer aussterbenden Epoche: Eine archaische Kriegerin, deren aristokratisches Wertsystem in einer zivilen Umgebung, zunehmend nicht mehr auslebbar erscheint, oder sogar mit Strafe belegt wird.
Die überfällige Kino-Auswertung des Computerspiels betont diesen melancholischen Zug der Heldin, die hier unüberbrückbare Differenz zwischen Ich und Welt noch um Wesentliches. Lara ist hier ganz Papas Tochter, und all ihr Tun hat nur den Sinn, diesem zu früh Verstorbenen Idol zu gefallen. Im Computerspiel hatte er sie noch enterbt, weil sie sich der passiven Tradition nicht beugen wollte. Da erschien Lara auch als Rebellin gegen überkommene Werte, nun bewahrt sie sie fügsam, indem sie den väterlichen Auftrag vollendet. Zu allem Überfluß hat man die Rolle des Vaters noch mit Jon Voight besetzt, dem Vater von Hauptdarstellerin Angelina Jolie. Da wirken dann Vaterfixierung und Familienzusammenführung doppelt authentisch.
Der Plot selbst erscheint kaum der Rede wert. Esoterik und Historie mischen sich zu einem MacGuffin, bei dem der gute alte Illuminatenorden (trotteligerweise als »Erleuchtete« fehlübersetzt) aus dem 18.Jahrhundert wieder einmal – man erinnert sich an 23 – nach der Weltherrschaft trachtet und sich zu diesem Zweck einer 5000 Jahre alten Prophezeihung bedient. Ein »Schlüssel« ist zu suchen, der zu den zwei Hälften eines zerbrochenen Dreiecks führt, die dann wieder Zeitreisen ermöglichen – so ungefähr jedenfalls. Die Welt als ein riesiger Abenteuerspielplatz, der am Ende zwar ein bisschen an Takeshis Castle erinnert, vor allem aber an ein Videospiel, in dem die Hauptfigur nach jeder vollendeten Aufgabe flugs auf dem nächsten Level mit höheren Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Der Rhythmus variiert kaum, rasant schnell geschnitten wirkt Simon Wests Film wie ein Nacheinander aus lauter Einzelelementen, die für sich stehen, und im Prinzip beliebig rekombinierbar sind. Film-Zitate hat Regisseur Simon West (Con Air, Wehrlos – Die Tochter des Generals) breit gestreut, doch sind sie von Mission: Impossible über Seven bis zum James-Bond-Kosmos so beliebig ausgewählt und verschlampt inszeniert, dass sie nie auch nur im Ansatz Konsequenzen haben. Auch hüpft sie mal im Kampf gegen zwei Dutzend Killer am elastischen Seil durch den Raum, doch im Unterschied zu Matrix oder Crouching Tiger, Hidden Dragon wird das nicht wegretuschiert – was nicht als filmtheoretisches Reflektieren der eigenen Mittel mißverstehbar ist, sondern nur 08/15-Akrobatik. Am interessantesten wäre es da noch, einmal der Rolle von Archäologen im Kino genauer nachzuforschen, aber auch da liefern die Indiana-Jones-Sequels weitaus besseres Anschauungsmaterial. Eher noch denkt man an Die Mumie, bei der es auch britische Wissenschaftler mit den Dämonen der Vorzeit zu tun bekommen, und es vor allem darum geht, ständig rennend in Bewegung zu bleiben.
Alles weitere ist Staffage, kaum wichtiger als die gelegentlichen product placements am Rand der Spielfläche. So nimmt noch nicht einmal die Heldin die Bösewichter und ihre Bedrohung wirklich ernst, immer lächelnd, augenzwinkernd und perfekt frisiert, besorgt sie vielmehr das Geschäft ihrer Gegner, offenbar damit es überhaupt bis zur 90-Minuten-Marke weitergeht. Es bleibt eben ein Actionfilm für die Spaßgesellschaft.
Das dies so ist, stimmt traurig, denn das Zeug zur echten Kinoheroine hätte Lara Croft auf alle Fälle. Nur hatte man offenbar Angst, mehr Inhalt und tiefere Gedanken hätten die Alterfreigabe für Teenager gefährden können – mit dem Ergebnis dass es dann auch ein Teenager-Film geworden ist.
Für das jüngere Publikum leistet Tomb Raider immerhin gewisse Einübung in moderne Mythen. Man lernt eine Techno-Amazone kennen, die im Unterschied etwa zur Comic-Figur
Tank Girl aber nie ein Girlie sein darf. Denn deren Girl Power entfaltet sich immer in der Differenz zu den Männern und dabei nicht zuletzt auch durch Sex. Sexuell aktiv darf Lara Croft aber auch im Film nicht sein. Offenbar möchte das traumatisierte Töchterchen den Papa im Jenseits nicht zusätzlich noch durch intensivere Männerbekanntschaften kränken. Hier liegt auch die entscheidende
Differenz zu ihrem Landsmann James Bond, mit dem sie ihrem traditionalistischen Appeal und die Vorliebe für Weltrettung in exotischen Schauplätzen teilt. Doch der ist ein Ladykiller, ihr bleiben nur ein Butler und ein nicht weniger geschlechtslos wirkender Computer-Nerd, der auf ihrem heimischen als Faktotum um Heimtechniker fungiert.
Braver und weiblicher, als ihr Game-Vorbild hat Lara zwar unendlich viel Munition für ihre beiden Pistolen zur Verfügung, muss aber trotzdem auffallend oft mit dem Messer, der klassisch weiblichen Waffe kämpfen, das im Spiel gar nicht vorkommt. So tut einem nicht zuletzt Angelina Jolie leid. Der Hollywood-Shooting-Star darf zwar schön aussehen, volle Lippen, lange Beine und eine üppige Oberweite präsentieren, aber nie Charakter zeigen. So wirkt auch ihre ständige Coolness unmotiviert, und man erinnert sich, dass der bessere Lara Croft-Film eigentlich 1999 Philip Noyce Bone Collector war – eine Art Noir-Großstadt-Version des Cyborg-Themas, bei dem Jolie ihren Körper dem gelähmten Denzel Washington leiht.
Am besten ist der Film daher dort, wo er sich ganz auf die virtuellen Wirklichkeiten einläßt, denen er entstammt: Gleich zu Beginn trägt Lara einen Trainingsfight mit einer Kampfmaschine aus, und als sich das metallische Ding verselbständigt, kommt es gar zu einer Art Vergewaltigungsversuch – einer der mageren Hinweise auf ihr Geschlecht, und eine Art Verschmelzung zwischen Mensch und Maschine, der zumindest einmal in diesem Film auch die biotechnologischen Perspektiven des Lara-Croft-Themas anreißt. Besiegt wird der imaginierte Maschinenmann dann bezeichnenderweise durch Herausnehmen des Computerhirns, nicht etwa durch Kastration.
Und einmal scheint sie dann ganz in ihre natürliche Umgebung zurückzukehren: »Leih mir Deine Augen« flüstert sie durchs Mikro, und läßt sich von ihrem Haustechniker am fernen Computer dirigieren – für einen Augenblick wieder ganz Sklavin des Users. Indem man Lara Croft aber nicht wie im Spiel nur von hinten, sondern auch von vorne sieht, wächst die Distanz, ohne das den Phantasien des Publikums Rechnung getragen wird. Weder als Heldin des Cyberfeminismus, noch als potentielle Männergeliebte kann man sich diese Lara Croft vorstellen, sie bleibt saubere Freundin und Schwester, wo sie im Spiel immerhin dark and dirty war.