To the Wonder

USA 2012 · 113 min. · FSK: ab 0
Regie: Terrence Malick
Drehbuch:
Kamera: Emmanuel Lubezki
Darsteller: Ben Affleck, Olga Kurylenko, Rachel McAdams, Javier Bardem, Tatiana Chiline u.a.
 Ein Manifest des Pantheismus. Alleinheit.

»I write on water, what I dare not to say.«

Taghelle Mystik: Terrence Malicks rätsel­hafter, wunder­schön anzu­se­hender Film To The Wonder

Eine ganz einfache Geschichte: Im Zentrum steht Marina, eine junge Frau russi­scher Abstam­mung aus Paris. Sie ist verliebt in einen ameri­ka­ni­schen Schrift­steller. Sie ziehen nach Oklahoma, leben zusammen; weil ihr Visum ausläuft, muss sie zurück. Er hat bald eine andere, verlässt diese aber, als Marina wieder da ist. Doch sie kann nicht mit ihm leben.

Ein Hin und Her der Bezie­hungen, die Facetten der Liebe stehen im Zentrum des neuen Films eines Schwer­ge­wichts des US-Kinos, Terrence Malick, Unter Liebe versteht der studierte Philosoph Malick aber auch grund­sät­z­lich das Wesen mensch­li­cher Bezie­hungen – und die Liebe Gottes. Auch wenn in dem Film ein von Javier Bardem gespielter katho­li­scher Priester vorkommt, viele direkte und indirekte Anspie­lungen auf die Reli­gi­ons­ge­schichte des Abend­landes besitzt, ist To The Wonder mehr ein Film über die Liebe und eine Hymne auf das Leben, als auf die Religion.
To The Wonder gleicht in seiner Anhäufung frag­men­ta­ri­scher Bilder einem Bewusst­seins­strom. Zugleich ist seine von Emmanuel Lubetzki geführte Kamera neugie­riger, sucht mehr, und weiß weniger als die gewöhn­li­cher US-Filme. Sie entdeckt dadurch am Ende Über­ra­schendes.

Es ist ein Film, über den man seine Gedanken nicht so schnell geordnet bekommt. Sein Urteil aller­dings schon. Wobei man bei To The Wonder schon mehr als einmal ins Grübeln kommen kann, was man da eigent­lich gesehen hat.

To The Wonder ist recht klar in sechs Akte geglie­dert, denen eine Ouvertüre voraus­geht, und ein Epilog folgt. »Newborn. I open my eyes. I melt into the eternal night.« heißt der erste Satz, man ist auf einer Zugfahrt, gespro­chen wird von einer Frau­en­stimme fran­zö­sisch, die Bilder sind gewollt grob­körnig, früher hätte man Super-8 vermutet, heute legt das Video nahe. »Pour la nuit eternel« sagt die Frau weiter, dann »I fall into the flame«. Wir beob­achten ein Paar auf Frank­reich­reise: ein US-Ameri­kaner und die Erzäh­lerin, eine in Paris lebende Ukrai­nerin. Sie sind zuerst in Paris, die Schwur­bel­ka­mera Lubetzkis zeigt sie verliebt knutschen und tatschen, zeigt auch einen Buddha im Schau­fenster, und vor allem das Pantheon. »What is she dreaming of?« sagt die Frau­en­stimme.

Dann ist das Paar am Atlantik, am Mont St.Michel, es ist Ebbe, sie gehen den Weg hoch zur Abtei, alles ist menschen­leer, dann sieht man die Kirche, den Kreuzgang, erinnert sich, dass der Erzengel Michael es war, der den Teufel besiegte. Man sieht eine Rose, Meer­wasser, die Sonne, das Paar auf dem Watt, die Flut, die kommt. Dazu läuft dann Wagner, die »Parzifal«-Ouvertüre.und wir wissen viel­leicht, dass am Mont St.Michel auch eine wichtige Episode der Artussage spielt.
Dann wieder Paris: »Love makes us one. two. one.« sagt die Frau­en­stimme. Im Appar­te­ment fragt die Tochter: »Why are you unhappy?« – »I dont know.« Im Park. Die Frau­en­stimme sagt: »Stop beeing so serious!« Die Frei­heits­statue. Ende der Ouvertüre.

Der erste Akt zeigt nun die USA, angeblich Oklahoma. Gelbe Felder, ein Flugzeug am Himmel, später sieht man es noch mal. »How I loved you« sagt die Frau­en­stimme. Sie heißt Marina. Um das Dasein als Single Mum geht’s mit einer Nachbarin, um Amerika mit der Tochter: Ein Super­markt, so sauber, die Felder, weiß. Trotzdem sagt die Tochter: »We need to leave. There is something missing.« Bilder eines Verg­nü­gungs­parks. Coney Island of the mind. Man hält es für möglich, dass Marina verrückt ist. Die Wohnung ist immer leer, einzelne Kisten stehen herum. Ben Affleck auch. »Tu est pas mon pere.« Bardem als Priester. Im ersten Moment etwas lächer­lich. Aber warum nicht? Er redet immer nur mit Gott. Licht, Insekten, Gott als Allnatur. Zugleich verborgen. Janse­nismus?
»Men revolt against god« predigt der Priester. Gott gibt uns Freiheit der Wahl. »The one thing god condamns is to avoid the choice, the risk, the possi­bi­lity of betrayal. ... the man who hesitates, can do nothing...« Schlüs­sel­sätze.
»If you'd asked me to stay, I would have« sagt die Frau­en­stimme. Sie reist ab. »Ewig existiert nicht.«
Zweiter Akt: Natur, Proben nehmen, Zorn, Afflick ist ein Umwelt­ak­ti­vist. Eine blonde Frau im Kran­ken­haus. Pferde. Büffel, Prärie, da kann man mitdenken: Western, Indianer.
Die Römer­briefe des Paulus werden zitiert. Da heißt es: »All things work together for good.« Wenn er nun die beiden Frauen zusammen brächte, wäre es konse­quent. Das wird er aber nicht tun. »Do you want this? Do you know, what you want?« Nochmal: Die Sünde der Unent­schie­den­heit.
Rot, Gelb, Orange. Die Blonde ist ein Jeanstyp, ein all amercan girl. Offener, weniger kompli­ziert, aber auch lang­wei­liger. Affleck fängt was mit ihr an. Ein Mann zwischen Europa und Amerika.
Dritter Akt: Paris, Regen, Melina wieder. Die Tochter sei nun beim Vater. »Paris is dreadful«. Und alles nur weil das Visum ausge­laufen war. Der Staat ist mal wieder schuld.
Die Blonde: »Walk away, what we had was nothing, pleasure, lust«. Melina und Affleck heiraten. Liebe, Treue, Gefangene unter­schreiben als Zeugen. Sie: »may be i should stop telling you, that I love you. I know that strong feelings make you uneasy.« Frühling, Pflanzen. Ein Rönt­gen­bild beim Arzt: »Would you want to have children?« – »Some day.«
Unter­was­ser­bilder: »Ou est la verité? Above or down there?« Grüne Wiesen.
Vierter Akt: Eine Italie­nerin ermuntert Melina. Wie die Stimme des Teufels: »Live and do what you like.« Das Leben sei nur ein Traum. »You should be free, listen to your heart. We are gypsies... I am my own expe­ri­ment. I want somebody to surprise me!«
Immer wieder die Sünde der Entschei­dungs­lo­sig­keit. Die nicht genutzte Wahl. die vernach­läs­sigte Freiheit. »Weak people never bring anything to an end for them­selves. They want the other people to do it.« Dann geht sie mit einem Proll ins Motel. Der hat einen Totenkopf im Spin­nen­netz als Tatoo. Bisschen fett aufge­tragen. Das Wagne­ria­ni­sche Malicks.
Dann ist sie bald wieder weg aus Oklahoma. Endgültig. Affleck kann sehr dumm gucken. Es hilft ihm aber nichts. Christus kam nur bis Suburbia.
Der sechste Akt zeigt vor allem den Priester. Er kümmert sich um Mongo­loide und Straf­ge­fan­gene. Und er kommu­ni­ziert mit Gott. Bardem auf Spanisch ist toll: »Where are you leading me? Christo accom­pa­ning me; Christo ante mi; Christo behind me; Christo above me; Christo under me; Christo en mi derecha; Christo en mi izquirda; Christo en mi...« Als ob man mit Christus nur auf Spanisch ange­messen sprechen kann.
Im Epilog noch einmal ein Aufwasch von allem: Amerikana, gelbe Felder, Pferde, Mont St. Michel, Wagner.

Was soll das nun alles? Aus meiner Sicht: Ein Manifest des Panthe­ismus. Allein­heit. Eine Medi­ta­tion über den Versuch, eins zu sein mit Gott. Die Liebe verbindet. »L’amour qui nous aime.« »We were made to see you.«

Malick ist offen­kundig in seine lebens­phi­lo­so­phi­sche Phase getreten. Das bedeutet Irra­tio­na­lismus. Das muss man nicht gut finden, ist aber sein gutes Recht. Es geht aber auch, wie oft bei ihm, um Ehrfurcht, um Andacht vor dem Leben. Er hat auch den Mut zu Kitsch und Pathos.
Die Bild­sprache und Narration sind im Prinzip dieselbe wie in The Tree of Life: Kino als Bewußt­s­eins­strom. Als Gemurmel, Gestammel mitunter, als asso­zia­tives Reden und Kreisen. Es bedeutet auch Verzicht auf Dialoge. Eine Kamera, die etwas entdeckt, nicht nur sieht, was sie schon kennt. Die gleitet, driftet, nie still­steht. Nicht klar ist. Dazu läuft im Off klas­si­sche Musik: Berlioz, Wagner, Gorecki, Tschai­kowsky, Haydn, Gounod. Film­sprach­lich ist das so frag­men­ta­risch wie expe­ri­men­tell. Und Malick hat die Ruhe weg...

Viel­leicht ist Malick ein Heideg­ge­rianer, auch der kam vom Katho­li­zismus her. Und Malicks Verbin­dungen zur Philos­phie, und zu Heidegger, von dem er ein Buch übersetzt hat, sind bekannt. Malick führt einen Diskurs über Schwäche und Stärke, über Häss­lich­keit und Schönheit. Gut möglich, dass er in vieler Hinsicht sehr konser­vativ ist. Aber das ist doch zweit­rangig für seine Bedeutung als Künstler. War Celine, waren Pound und Jünger und Benn schlechte Schrift­steller?
To The Wonder bietet auch Innen­an­sichten der Religion. Wenn man an Religion glaubt, dann ist das nicht der schlech­teste Film über Religion. Im Gegenteil. Es geht aber vor allem um die Liebe. Fragmente einer Sprache der Liebe. Liebe heißt hier immer auch Schönheit. Wir sind allein mit dem Tod.

Ein Gedanke: Wenn The Tree of Life ein Film über und aus Sicht von Jungen ist, ist To the Wonder viel­leicht einer aus Sicht von Frauen? Er zeig das Diffuse, die Angst (»der« Frauen), »I write on water, what I dare not to say.« sagt die Frau­en­stimme.
Ein zweiter: Was unan­ge­nehm auffällt: Diese Menschen haben immer Freizeit, nie Arbeit, einen perma­nenten Urlaub. Sie, gespielt von einem hübschen Model und Ex-James-Bond-Girl, läuft allzu oft in Unter­wä­sche herum. Wie in einer Werbung für »Victorias secret«.

Ein dritter Gedanke: Man hat auch Joyce und Proust zunächst nicht erkannt, Stra­winsky gehasst, und Bracque und Picasso, man hat ihre Kunst »primitiv« und »wahn­sinnig« und einen Rückfall und ein Krisen­sym­ptom genannt. Und viel­leicht war und ist sie auch unter anderem genau das. Viel­leicht war und ist sie aber auch genial. Wir wissen das immer noch nicht ganz sicher, und genau darin liegt der Reiz. Und wenn ich hier behaupte, dass Malick Kunst macht, habe ich damit ja noch nicht gesagt, dass es immer gute Kunst ist...

Es ist jeden­falls etwas zu einfach, diesen Film anzu­greifen. Denn er macht sich angreifbar. To The Wonder wirkt vor allem unfertig. Es gibt Momente, die völlig unklar sind, nicht aufge­nommen werden, und zu viele lose Fäden. To The Wonder ist Malicks schwächster Film ist. Aber eben von Malick, das rela­ti­viert das Adjektiv »schwach«. Aber wenn ich die Wahl habe, Malick für das, was er gut macht und was gelingt, zu vertei­digen oder ihn für das, was ihm misslingt, und was er schlecht macht, anzu­greifen, dann muss man nicht lange nach­denken.

Gerade wenn es kontro­vers hergeht, gilt das Prinzip: »Im Zweifel für den Ange­klagten«. Also den Regisseur.

Dies ist ein Film über Abwe­sen­heit, Sehnsucht. Ein lyrischer, tief roman­ti­scher Film. Meditativ. Malick möchte Hingabe des Zuschauers. Nicht an ihn, nicht an Gott. An den Film.
Zudem ist der mitunter fast naiv wirkende Malick kein Zyniker. Er glaubt weiterhin, dass so etwas wie Wahrheit und ein Sinn des Lebens exis­tieren, und dass der Mensch sie finden sollte. Für Anderson ist Wahrheit, zumindest im neuen Film dagegen nur das Ergebnis von mensch­li­cher Mani­pu­la­tion.
Es ist aber völlig legitim, viel­leicht sogar notwendig, dass man im Kino nach dem Sinn des Lebens fragt. Muss man so fragen? Und muss man diese Antwort geben? Man muss nicht.