USA 2010 · 125 min. · FSK: ab 16 Regie: Ben Affleck Drehbuch: Peter Craig, Ben Affleck, Aaron Stockard Kamera: Robert Elswit Darsteller: Ben Affleck, Rebecca Hall, Jon Hamm, Jeremy Renner, Blake Lively u.a. |
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Straighter Gansterfilm |
Man neigt dazu, Ben Affleck immer wieder zu unterschätzen. Vielleicht liegt das auch nur daran, dass er in einigen strotzdummen Filmen – zum Beispiel Pearl Harbor – die Hauptrolle übernommen hat, dass er mit Daredevil den reaktionärsten aller Superhelden gespielt hat, oder daran, dass er mal mit Jennifer Lopez nicht nur liiert, sondern verlobt war. Und wenn ein Schauspieler dann noch anfängt, Regisseur werden zu wollen, dauert es oft nicht mehr lang bis zur Nervenklinik.
Jetzt ist der Moment gekommen, Abbitte zu leisten. Denn mit The Town, Afflecks zweiter Regiearbeit – das Drehbuch zu Good Will Hunting, das er gemeinsam mit Freund und Kollegen Matt Damon schrieb, zählt da wenig, eher schon sein Erstling Gone Baby Gone – ist ihm ein alles in allem hervorragender Film gelungen: Straight und cool, hart und konsequent und dabei immer mit jener zurückgenommenen, trockenen Eleganz, wie sie für die no-nonsense Polizeifilme der ausgehenden 1960er und der 1970er Jahre typisch ist, für den späten Don Siegel etwa, erzählt er von einer Gruppe von Bankräubern in Boston.
Es ist das gleiche Milieu, das Martin Scorsese vor ein paar Jahren in seinem – viel barockeren, ornamentalen – Hongkong-Rip-Off The Departed ins Visier nahm: Irische Proletarier in dem nur einen Quadratkilometer großen Charlestown, jene andere, nicht-italoamerikanische, katholische Mafia der Ostküste.
Affleck zeigt sie vermutlich viel näher dran an der Wirklichkeit als Scorsese: Als der White Trash, der sie sind: Schlägernde dumpfe Muskelpakete, mit kahl- oder kurzrasierten stiernackenverpackten Schädeln und vielen martialischen Tatoos auf dem Bodybuilding-gestählten Körper. Abends säuft man sich die Hucke voll, nimmt sich eine der noch übriggebliebenen Barschlampen oder gleich eine Nutte mit aufs Zimmer, und alle paar Monate macht man eine Bank. Raubüberfälle seien hier ein Handwerk, erklärt schon der Vorspann, das von den Vätern an die Söhne vererbt würde. Dass man irgendwann mal ein paar Jahre sitzt, versteht sich ebenso von selbst, wie dass man keinen verpfeift – die in Männerkumpanei gepackte, vom Recht der Älteren und der Stärkeren gestützte, und notfalls mit Blut und Eisen verteidigte Omertá.
Zunächst sieht man mal hier diese Handwerker bei der Arbeit. Sie erweisen sich als absolute Profis, und auch in dieser Feier der Professionalität erinnert der Film an das Werk Don Siegels, auch an manche Filme von Kathryn Bigelow (z.B. Point Break). Vier Männer überfallen eine Bank, Bewegung und Chaos werden nicht so smooth inszeniert wie in Heat, sie haben erschreckende Todesmasken auf, ihre Trümpfe sind Ortskenntnis und Konsequenz. Trotzdem gibt es eine Geisel, die etwas sieht, eine junge Bankangestellte, und sie gerät ins Visier von Gangstern wie FBI.
Wie der Film das alles entwickelt, ist sehr schön, auf eine gewisse Weise sehr altmodisch und klassisch, sehr realistisch, dabei aber sehr desinteressiert an Glaubwürdigkeit. Oder ist es glaubwürdig, dass diese Gangster seit langem gemeinsam operieren, hier aber die Polizei sie sehr früh hat und nur nichts beweisen kann. Und keine Erlaubnis zur Überwachung bekommt? »We never get 24/7 surveillance as long as nobody of the guys converts to Islam.«
Guter Spruch und völlig ausreichende Erklärung für den Film, aber nicht glaubwürdig. Ebenso: Der Wahnsinn, mit dem Affleck – auch Hauptdarsteller – sich an die Zeugin ranmacht und rankommt, ohne dass die Polizei irgendetwas merkt. Aber für die Geschichte und den Film sind solche Fragen zweitrangig. Es folgt ein zweiter Raub in Nonnenmasken, eine wahnwitzige Verfolgungsjagd. Klar ist alles an den Haaren herbeigezogen, auch wie die Bosse Affleck zur Arbeit zwingen wollen.
Die Polizei aber wird einem hier zunehmend unsympathisch, es wird gezeigt, wie sie einen Wehrlosen erschießt. Insgesamt ist das ein Film voller Suspense, mit gut choreografierter Action. Die Moral des Ganzen: Egal wie man sich verändert, man muss den Preis zahlen.
Die echte Frage, die offenbleibt lautet: Wie kann es Bankräuber so wie früher heute – im Westen, nicht sonstwo – eigentlich noch geben? Bei all den Überwachungstechniken, die wir haben. »In Boston gibt es über 300 Banküberfälle pro Jahr.« sagt der Film. Wirklich? Immer noch? Heute? Wohl eher vor 15 Jahren, in jener Zeit in der der zugrundelegende Roman spielt. Aber immerhin.