USA 2020 · 32 min. Regie: Travon Free, Martin Desmond Roe Drehbuch: Travon Free Kamera: Jessica Young Darsteller: Joey Bada$$, Andrew Howard, Zaria Simone u.a. |
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You Can’t Always Get What You Want... | ||
(Foto: Netflix) |
Like every day in every way, and everywhere you go just ain’t safe
The only thing that I can say, to you is, »Pray«
– Joey Bada$$ x Capital STEEZ – Survival Tactics
»Nicht schon wieder ein Zeitschleifenfilm!«, mögen jene gähnend schimpfen, die sich fast schon in einer Film-Genre-Zeitschleife gefangen sehen. Denn war da nicht grad erst die Horrorkomödie Happy Deathday oder die viel gelobte Serie Russian Doll?! Und wie oft spukt nicht in jedem von uns der fast schon ins kollektive Unbewusste verankerte Klassiker Und täglich grüßt das Murmeltier durch den Kopf?
Zugegeben, auch in Travon Frees und Martin Desmond Roes AAFCA-ausgezeichnetem und Oscar-prämierten Kurzfilm endet jede Zeitschleife mit dem Tod des Protagonisten (auch Billy Murray »stirbt« ja, wenn auch »nur« an Langeweile). Denn der vom Rapper, Hip-Hop-Musiker und Schauspieler Joey Bada$$ verkörperte Cartoonist Carter schafft es einfach nicht, nach einem One-Night-Stand mit Perri (Zaria Simone) nach Hause zu seinem Hund zu gelangen. Denn immer wieder trifft er vor Perris Haus im Herzen von New York auf den Polizisten Merk (Andrew Howard), der ihn nach längerem oder kürzerem Gespräch und folgendem »Gerangel« erschießt und Carter wieder neben Perri aufwachen lässt.
Die Gründe für die unterschiedlichen Eskalationen sind so abstrus, dass sich die aktuellste, tragische »Begegnung« dieser Art, der Tod des 20-jährigen Daunte Wright am 11. April 2021 in Minnesota (eine Polizistin verwechselte Dienstwaffe mit Taser) mühelos in das Script von Two Distant Strangers integrieren ließe.
Auch diese Thematik ist natürlich nichts Neues, bemühen sich afroamerikanische Filmemacher seit dem »New Black Cinema« (z.B. Boyz 'n the Hood, 1991) unermüdlich darauf hinzuweisen, wie gefährlich das Leben für einen Afroamerikaner auf den Straßen der USA ist. Eine Entwicklung, die inzwischen sogar im Jugendfilm angelangt ist, man denke nur an George Tillman Jrs 2018 erschienenen, großartigen The Hate U Give.
Doch Free, der das Drehbuch zu Two Distant Strangers nach der Tötung von George Floyd während der ersten Corona-Pandemie-Welle geschrieben hat und bereits mit Drehbuchpreisen für The Daily Show und Full Frontal with Samantha Bee von sich reden gemacht hat, gelingt mit Roe, der 2019 einen Sports-Emmy für seine Sport-Dokuserie Tom vs. Time erhielt, den Konflikt auf ein hochprozentiges Destillat einzubrennen. Ohne alle historischen und gesellschaftlichen Kontexte sehen wir den Konflikt auf das Wesentliche reduziert – die Gesprächssituation und ihre tödliche Eskalation. Mit allen gesprächstheoretischen und -praktischen Mitteln versucht Carter in jeder neuen Zeitschleife die Situation zu deeskalieren, um dann aber sogar mit dem »Konzept Empathie«, einer Fahrt »nach Hause«, zu scheitern.
Das ist zwar zutiefst pessimistisch, doch neben einem Kick absurden Humors versehen Free und Roe ihren Protagonisten vor allem mit der Zauberwaffe des ewigen Widerstands. Carter wird damit zu einer Art »Jesus von New York«, der so gewaltfrei wie symbolisch für alle in ähnlichen Situationen »Gefallenen« steht, die in einem minutenlangen Abspann am Ende auch namentlich erwähnt werden.
Doch ist Two Distant Strangers noch mehr als ein agitatives
BLM-»Manifest«, denn es lässt sich fast spielerisch in jedem unserer gegenwärtigen Konflikte populistischer »Blasenpolitik« als fast schon idealer Zerrspiegel instrumentalisieren, sei es im Gespräch mit Neuen Rechten, Querdenkern, Orban- wie Bolsonaro-Gefolgsleuten und vielleicht ja sogar mit der chinesischen Staatsführung.
Two Distant Strangers ist seit dem 9. April 2021 auf Netflix abrufbar.