USA 2024 · 124 min. · FSK: ab 12 Regie: Lee Isaac Chung Drehbuch: Mark L. Smith Kamera: Dan Mindel Darsteller: Daisy Edgar-Jones, Glen Powell, Anthony Ramos, Brandon Perea, Daryl McCormack u.a. |
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Nicht einmal das Kino bietet noch Halt oder Trost... | ||
(Foto: Warner Bros.) |
’Twas in another lifetime, one of toil and blood
When blackness was a virtue the road was full of mud
I came in from the wilderness, a creature void of form
Come in, she said
I’ll give ya shelter from the storm
– Bob Dylan, Shelter from the storm
Eigentlich ist es immer enttäuschend, wenn ein unabhängiges, kreatives Regie-Talent dem Ruf Hollywoods folgt. Das war schon bei Wim Wenders vor langer Zeit so und bei Chloé Zhao vor drei Jahren, als sie nach The Rider und Nomadland mit Marvels Eternals beauftragt wurde. Der war nicht schlecht, aber alles das, was in ihren Vorgängerfilmen große Stärken waren, löste sich in den Eternals in Luft auf.
Auch bei Lee Isaac Chung und seinem Katastrophenfilm Twisters ist das nicht anders. Zeichnete sich Chungs Vorgängerfilm, das exzellente und mit Preisen überhäufte Migrationsdrama Minari – Wo wir Wurzeln schlagen, vor allem durch aufregende, detaillierte Charakterzeichnungen aus und Dialoge, die auch durch ihre Wortlosigkeit bestachen, ist davon in Twisters gar nichts mehr zu sehen oder zu hören.
Doch diese Hoffnung auf eine Wiederkehr alter Stärken – so wie bei Zhao und ihren Eternals – einmal beiseite geschoben, haben wir es auch bei Chungs Blockbuster-Ausflug mit einem grundsoliden Action-Format zu tun, das vor allem dadurch besticht, dass der Relaunch (oder sollte man von einer vagen Fortsetzung sprechen?) des Vorläufers Twister aus dem Jahr 1996 zeitlich nicht besser gewählt sein könnte, sind es doch in den letzten Monaten gerade die immer stärker aus gewohnten Rudern fallenden Wetterphänomene, die daran erinnern, dass der Klimawandel die ersten deutlich spürbaren Folgen nach sich zieht.
Dabei mussten Chung und sein Drehbuchautor Mark L. Smithviel das Drehbuch von Michael Crichton und Anne-Marie Martin aus dem ersten Twister-Film gar nicht so sonderlich erweitern, gibt es auch hier eine zentrale Person aus der Wissenschaft, die durch einen Tornado traumatisiert ist und nur über (Liebes-) Umwege wieder zu ihrer Bestimmung zurückfindet. In unserer Gegenwart ist diese Person jedoch kein Mann, sondern die leidenschaftliche Tornado-Forscherin Kate (Daisy Edgar-Jones), die auf den extravaganten Tornado-Jäger Tyler Owens (Glen Powell) trifft, um sich erst in Konkurrenz und dann in Kollaboration mit ihm dem Phänomen »Tornado« und seiner Bekämpfung zu widmen. Wer Powell kürzlich in Richard Linklaters tollem A Killer Romance gesehen hat und staunen durfte, wie wandelbar sich Powell dort als Schauspieler zeigte, dürfte durch das dämliche Dauergrinsen von Powell in Twisters etwas überrascht sein. Doch je länger sich Twisters Zeit für seine völlige abstruse, völlig vorhersehbare Liebesgeschichte nimmt, so sehr nimmt sich Chungs Film auch Zeit für eine solide Medienkritik und tricktechnisch überragende Momente, um der Naturkatastrophe Bilder und die nötige Tiefenschärfe zu verleihen; Bilder, die man genauso wenig vergisst wie Theodor Fontanes Naturkatastrophenballade Die Brück’ am Tay. Und das hat dann auch nichts mehr mit dem Film aus dem Jahr 1996 zu tun oder den Katastrophenfilmen der 1970er Jahre, sondern ist eine so beeindruckende wie furchteinflößende Darstellung der Wetterkatastrophen, wie sie bald für jeden von uns Alltag sein dürften.
Dabei macht Chung dann auch in einer intelligenten, doppelbödigen und selbstironischen Sequenz klar, dass der Katastrophenfilm eigentlich ausgedient hat, dass die Realität ihn längst eingeholt hat. Denn das Kino, in das sich die gesamte Stadt auf der Flucht vor dem anziehenden Tornado gerettet hat, wird selbst zum Schauplatz des Grauens, als die Leinwand und die Mauer dahinter durch den Sturm weggerissen werden und nichts als die Realität übrig bleibt, die Katastrophe statt des eben noch gespielten Katastrophenfilms.
Dies ist der stärkste Moment des Films, weil er auch die Katharsis ist, in der sowohl das Wetter wie das Personal von Twisters geläutert werden und sogar die Anspielungen auf ein durch nahezu unüberbrückbare Klassenunterschiede zerrissenes Amerika wieder zurückgenommen und in eine glückselige Lösung überführt werden, wie sie sonst eigentlich nur in Kinder- und Jugendfilmen zu sehen ist.
Das zeigt dann allerdings auch – ganz so wie in dem zeitgleich anlaufenden Weltraum- und Atombomben-Katastrophenfilm I.S.S. – wie sehr sich unser kollektives Unbewusstes bereits auf die Katastrophe vorbereitet und neben kindlicher Angst nur mehr das kindliche Zusammenrücken und Zusammenhalten bleibt, um zu überleben.