USA 2000 · 115 min. · FSK: ab 16 Regie: Jonathan Mostow Drehbuch: Jonathan Mostow, Sam Montgomery, David Ayer Kamera: Oliver Wood Darsteller: Matthew McConaughey, Bill Paxton, Harvey Keitel, Jon Bon Jovi u.a. |
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Warum spricht man eigentlich von Popcorn-Movies? Vielleicht, weil es sich um Filme handelt, die statistisch gesehen, von besonders vielen Popcorn-Essern besucht werden? Weil hier – aus Langeweile, aus Nervosität? – der Popcornverzehr rapide ansteigt? Oder liegt der Grund doch eher darin, dass diese Filme so hübsch poppen und ploppen, wie Popcorn, und zugleich genauso wenig Substanz haben: Ein bisschen salzig, ein bisschen süßlich – schnell vergessen sind sie allemal.
Jeder, der vor 20 Jahren Wolfgang Petersens Das Boot gesehen hat, behielt zumindest eines ins Gedächtnis: Die Atmosphäre aus Enge und Stille, das laute Atmen der Mannschaft, der regelmäßige Ton des Echolots, die Spannung, die sich aus einer Situation ergab, und die einen plötzlich die im Prinzip nicht sonderlich sympathische Besatzung als Menschen erkennen ließ.
Ähnliche Effekte wollte wahrscheinlich auch Jonathan Mostrow erzielen. Für U-571 wählt er einen intelligenten Einstieg: Zu Beginn verfolgt man ein deutsches U-Boot in höchster Gefahr, und auch im amerikanischen Original hört man hier nur deutsche Worte. Man erlebt alle bekannten Topoi des U-Boot-Films: das Wegtauchen vor feindlichen Zerstörern, die Angst der Besatzung, die Kommandos der Offiziere: »Fluten!«, »volle Kraft zurück!« und »auf 100 Meter Tiefe gehen«, das Knarzen der Metallhaut, die über ihre Belastungsgrenze beansprucht wird, plötzlich spritzendes Wasser aus einem Leck. Man kennt das alles. Aber hier immerhin erinnert man sich ein wenig an Petersens überzeugende Umsetzung des Genres und erst nach über zehn Minuten wird klar, das man hier »den Bösen« bei der Arbeit zugeschaut hat. Für einen Moment gelang Mostrow, seine Zuschauer zu einem Positionswechsel zu bringen, zu zeigen, dass im Krieg die klare Täter-Opfer-Aufteilung des Unterhaltungsfilms nur in den seltensten Fällen etwas mit der Wirklichkeit zu tun hat.
Doch schnell entpuppt sich solche Perspektivenverdrehung als trügerisch, und man erkennt, dass Mostrow (dessen respektables Debüt mit Breakdown vor ein paar Jahren ihm nun die finanziellen Möglichkeiten gab, einen »Blockbuster« zu fabrizieren) ganz andere Absichten hegt. Martialische Musik und schicke Uniformen bringen einen auf platteste Eindimensionalität zurück. Mit irgendeiner Absicht zur Auseinandersetzung mit Frontwahrnehmungen – das immerhin hatten die sonst so verschiedenen The Thin Red Line und Saving Private Ryan gemeinsam – hat das nichts zu tun, und deswegen tut man U-571 zuviel der Ehre an, wenn man anhand dieses Einfalts-Plots über die Renaissance des Kriegsfilms in Hollywood debattiert. Fix schnurrt nur die bekannte Durchschnitts-Action-Maschine: Mit einem Spezialauftrag wird ein amerikanisches U-Boot auf See geschickt, es gilt ein manövrierunfähiges deutsches U-Boot zu erobern, insbesondere ist man am deutschen Geheimcode interessiert. Mit an Bord sind Stars wie Harvey Keitel und Bill Paxton, als Haupt- und Identifikationsfigur soll der von Matthew McConaughey gespielte Leutnant Andrew Tyler herhalten.
Ehrgeizig und patriotisch wie es 08/15-Helden so an sich haben, kann er es kaum erwarten, selbst ein Kommando zu erhalten, und man darf gewiß sein, dass sich die Gelegenheit bald bieten wird. Alles weitere ist an den Haaren herbeigezogen: Beim Kapern des deutschen U-Boots wird das US-Schiff versenkt, der überlebende Teil der Besatzung muss sich nun aufs feindliche Schiff retten, und unter allerlei Gefahren und Tylers Kommando den Heimweg antreten. Mit an Bord ist auch der deutsche Kapitänleutnant Wassner (Thomas Kretschmann), der als Hollywood-Nazi alten Schlages natürlich bis zum letzten Blutstropfen für den Endsieg kämpft.
Was Mostrow hier erzählt, und wie er es tut, ist ein einziges Ärgernis: Der junge Held entpuppt sich als geborener Führer, der gegebenenfalls das Leben der eigenen Leute opfert, um die Nation zu retten. Seine Männer müssen Gefolgschaft und Opferbereitschaft lernen, es wird gehandelt und nicht nachgefragt. Die Guten sind es durch und durch, die Schurken sind nichts außer schurkisch; und nebenbei klaut Mostrow auch noch den britischen Kriegsalliierten den Ruhm, die berühmte deutsche »Enigma«-Kodiermaschine erobert zu haben – eine platte Geschichtsfälschung, die auch durch zwei richtigstellende Sätze im Abspann nicht besser wird. Auf der Insel sorgte sie mit Recht für Zorn.
Aber wer hier überhaupt etwas glaubt, ist selber schuld. Um historische Wahrheiten geht es in U-571 nämlich so wenig wie um irgendetwas anderes – ein schlampiger, an nichts außer schnellem Geld interessierter (die hohe Zahl an Startkinos hat ihren Grund nur im erhofften Überrumpelungseffekt) Popcornfilm eben, der poppt und ploppt, und hoffentlich schnell vergessen wird.