USA 2011 · 89 min. · FSK: ab 16 Regie: Måns Mårlind, Björn Stein Drehbuch: Len Wiseman, John Hlavin, J. Michael Straczynski, Allison Burnett Kamera: Scott Kevan Darsteller: Kate Beckinsale, Stephen Rea, Michael Ealy, Theo James, India Eisley u.a. |
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Verdrängte Phantasien |
600 Jahre sind für eine Vampirin keine Ewigkeit. Also sitzt sie da wieder zu Beginn des Films, wie schon am Anfang des ersten Teils der Underworld Saga im Jahr 2004, und erzählt uns ihre Geschichte: Eine schöne Frau über den Dächern einer nächtlich erleuchteten Stadt. Es regnet, und ihre Stirn ist düster umwölkt von Untergangsgedanken. Wie Batman blickt sie hinab, belastet von ihrem Herrschaftswissen. Sie wirkt so kühl und einsam, wie verletzlich. Dieses Bild das die Heldin Seline einführt, eine Vampirin mit humanistischen Neigungen, die damit in ihrer Welt zum Outcast wird, ist von derartiger ikonischer Wucht, dass es auch nach acht Jahren und drei Filmen nicht überboten wurde, ein prächtiges morbides Signal, das den Zuschauer überwältigt, und die Regisseure Måns Mårlind und Björn Stein, die bisher im Fernsehen ihre Sporen verdient haben, tun gut daran, es wieder aufzugreifen, und die nächste Runde der Franchise mit der Rückkehr zu den Ursprüngen einzuläuten.
Mit schnellen Schnitten wird erzählt, was aus der Erde inzwischen geworden ist: Die Bilder eines dystopischen Amerika, eines Überwachungsstaats, in dem Militärs und böse Wissenschaftler den Ton angeben, sind nicht mehr neu, schon lange vor Bushs »Krieg gegen den Terror« malte das Kino – etwa in Edward Zwicks The Siege oder Tony Scotts Enemy of the State – die Konsequenzen rechter Paranoia und übertriebenen Sicherheitsdenkens süffig aus. Hier wird es mit dem Motiv des ewigen Kampfes zwischen Vampiren und Werwölfen kombiniert, der jene »Gegenwelt« dominiert, von der die Filme handeln. Die Werwölfe, hier Lykaner genannt, sind die Bösen. In Menschengestalt getarnt machen sie biotechnische Experimente, um selber an Stärke zu gewinnen, Allmachtsphantasien treffen sich mit Angst und Bosheit.
Auch Underworld: Awakening folgt der aktuellen 3D-Mode, wurde allerdings auch tatsächlich in der Technik gedreht, und zeigt ein paar sehr schöne Bilder, die sich besonders gut in 3D machen: Zum Beispiel jene Szene zu Beginn, in der Selene von den Biotech-Jägern gefangen wird. Das gelingt nämlich erst, als sie ins Wasser springt, um ihren angeschossenen Geliebten, den Werwolf-Mensch-Hybriden Michael zu retten – man sieht Schüssen durchs Wasser sausen, das Sekunden später mit einem Schnellvereiser fest gemacht wird, und ihren Häschern Selene on Ice serviert. Überhaupt gehören die 3D-Effekte zur Abwechslung einmal zu den Stärken des Films – etwa einer furiosen Auto-Verfolgungsjagd, in der Seline, die natürlich bald fliehen kann, von einem Haufen Werwölfe gejagt wird, oder einer Szene, in der Silber-Nitrat-Gas die Luft mit lauter kleinen Silberpartikeln erfüllt, die nun dreidimensional im Raum schweben.
Die eigentliche Story dieses vierten Teils liegt aber woanders. Sie dreht sich nicht darum, wie die Heldin den düsteren Plänen der Menschen-Werwolfzüchter entgegen tritt, nicht um Kampf und Jagd, sondern darum, dass Selene entdeckt, dass sie während ihrer bewusstlosen Gefangenschaft, Mutter einer Tochter wurde. Die hat nebenbei den Charme, noch mehr Superheldenfähigkeit und damit Kinopotential zu haben, als ihre Mama. Die Mutterideologie kommt hier zwar mitunter etwas platt daher. Im Grunde aber erzählt der Film hier von verdrängten Phantasien: Vom Mutter sein, ohne aufzuziehen; von einer berufstätigen Frau von heute, die am liebsten eine Tochter hat, die wie ihre Schwester ist, mit der man vernünftig reden und sich austauschen kann.
So wie der Film vor allem nachts spielt, ist die von Kate Beckinsale gespielte Selene-Figur von kühler schwarzromantischer Klassizität, die auf den Vorwurf der Kälte mit schönen Sätzen anworten darf, wie diesem: »My heart is not cold. It’s broken.« Sonstige Effekte und Wendungen der Story bleiben im Rahmen des Üblichen, und wird diejenigen erfreuen, die schon bisher etwas mit Underworld anfangen konnten. Das Zeug dazu, neue Fans zu Gewinns zu gewinnen, und einen echten Neustart der Reihe einzuleiten, hat der Film trotz guter Ansätze aber nicht. In Amerika reichte es immerhin zu beachtlichem Kassenerfolg, und ein fünfter Teil ist beschlossene Sache. Damit ist Underworld weitaus langlebiger als Twilight, dem schon nach drei Filmen die Luft ausging. Kein Wunder, setzt doch Selenes Geschichte nicht auf Pubertätskitsch, sondern auf den ewigen Charme des Vampirgenres: Fetischismus und Decadence. Der Film noir trifft hier den Schwulst des Fin de Siécle und das ist allemal schön anzusehen.