USA 2017 · 117 min. · FSK: ab 6 Regie: Steven Spielberg Drehbuch: Liz Hannah, Josh Singer Kamera: Janusz Kaminski Darsteller: Meryl Streep, Tom Hanks, Sarah Paulson, Bob Odenkirk, Tracy Letts u.a. |
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Schon damals gab es epistemische Krisen... |
Man mag immer wieder an der amerikanischen Politik verzweifeln, auf die „Vierte Gewalt“ im Staat ist jedoch – gerade in Krisenzeiten – weiterhin Verlass. Eine Kontinuität, die durchaus geschätzt wird; als eine der wenigen Zeitungen konnte die New York Times trotz eines Gewinneinbruchs weitere digitale Abonnenten hinzugewinnen. und auch Amazon-Chef Jeff Bezos versucht mit allen Mitteln „seine“ Washington Post wieder auf die Beine bringen und zu dem zu machen, was sie auch durch ihre investigativen Recherchen zu den „Pentagon Papers“ 1971 geworden war.
Passend zu den gegenwärtigen politischen Verwerfungen in den USA beschwört Steven Spielberg in Die Verlegerin diese goldene Zeit des Journalismus, die auch für die New York Times einer ihrer großen investigativen Erfolge war. Denn es war die Times, die zuerst über die Pentagon Papers berichtete, den ersten „Leak“ der Pressegeschichte. Der Whistleblower von damals, Daniel Ellsberg, war Militär-Analytiker der RAND Corporation, einem staatlich finanzierten Think Tank. Während seines Aufenthaltes in Vietnam verlor Ellsberg seinen nationalen Idealismus und spielte der New York Times einen Bericht zu, der belegte, dass vier Generationen von Präsidenten die Öffentlichkeit in Bezug auf das amerikanische Vorgehen in Vietnam getäuscht hatten. Die amerikanische Regierung unter Nixon und das CIA waren derart entsetzt über die Veröffentlichungen, dass sie der Times mit rechtlichen Schritten weitere Veröffentlichungen untersagten. Erst zu diesem Zeitpunkt gelang auch der Washington Times ein Zugriff auf den Bericht.
Spielbergs konzentriert sich in seiner Erzählung auf diesen Zeitpunkt und führt gleich mehrere Fäden dramatisch zusammen: Die eigentliche Beschaffung der Pentagon Papers, die Anstrengung der Nixon Administration auch die Post gerichtlich zu belangen und die Auseinandersetzungen zwischen dem Chefredakteur der Post Ben Bradlee (Tom Hanks) und seiner Besitzerin Katharine Graham (Mery Streep), die zwischen allen Stühlen stehend, unsicher ist, wie sie handeln soll. Denn die Post befindet sich zu diesem Zeitpunkt in einer wirtschaftlichen Krise und soll über einen Börsengang wieder saniert werden. Der Verwaltungsrat rät deshalb davon ab, die Pentagon Paper zu veröffentlichen, da die Post durch eine gerichtliche Verfügung massiv an Wert verlieren könnte. Außerdem ist Graham in ihrer Führungsposition als Frau ein absolutes Novum und von Männern umgeben, die ihr eine richtige Entscheidung nicht zutrauen.
Spielbergs Verlegerin ist deshalb nicht nur Schauplatz eines investigativen Kampfes gegen eine nie geglaubte epistemische Krise und für ein demokratisches Amerika, sondern vor allem auch das Porträt einer Frau, die in einer von Männern dominierten Wirtschaft um ihr eigenes Selbstbewusstsein und gegen ihrer Sozialisierung als devote, brave Ehefrau ankämpft. Streep verkörpert diese Rolle so überzeugend vielschichtig, arbeitet auch die negativen, kaum erträglichen Seiten ihres Charakters heraus, dass man es Spielberg hoch anrechnen muss, diese Momente auch belassen zu haben und keinen der üblichen Helden-Bio-Pics daraus zuzuschneiden. Auch die übrigen Beteiligten werden immer wieder auch in ihre Grauzonen überführt, angefangen vom alles und jeden überrollenden Bradlee bis zu anderen in ihren Rollenklischees gefangenen Investigativjournalisten und den überraschenden, gegen den Strich gebürsteten Rollenbesetzungen durch die »Serienhelden« Mathew Rhys (The Americans) und Bob Odenkirk (Breaking Bad). Spielberg unterlegt dieses Personal-Karussell mit allem, was die Zeit von damals ausmacht: Klackklickernden Schreibmaschinen, Münztelefonen und die Zeitungen, die noch gedruckt werden. Eine der schönsten, liebevollsten Momente dieses nostalgischen Verhältnisses zu einer verlorenen Zeit, ist der Augenblick, an dem die Druckmaschinen angeworfen werden und selbst die Journalisten in den oberen Stockwerken die Vibration dieser gewaltigen Apparaturen spüren und alle noch so unterschiedlichen Beteiligten in dem Betrieb einer Zeitung zu einem organischen Ganzen verschmelzen.
Die Verlegerin ist ein wichtiger Film, der nicht nur Amerika den historischen Spiegel vorhält und zeigt, was passiert, wenn Präsidenten und ihr Gefolge das eigene Ego und die Möglichkeiten der Auslegung von Wahrheit sträflich überschätzen. Spielbergs Verlegerin reiht sich damit jedoch auch in eine Schlange von amerikanischen Journalistenfilmen ein, denen immer daran gelegen war, transparent zu machen, was Journalismus im besten Fall sein kann. Man denke nur an die großartige Zeitungsserie Lou Grant, die zwischen 1977 und 1982 ausgestrahlt wurde und in der Hauptdarsteller Ed Asner in seiner Rolle als Redakteur das einmalige Kunststück fertigbrachte, sowohl einen Emmy für die Hauptrolle in einem Drama als auch für die beste Nebenrolle in einer Komödie ausgezeichnet worden zu sein. Und dann sind da natürlich Die Unbestechlichen (1978) von Alan J. Pakula mit Dustin Hofman und Robert Redford, die sich ebenso wie Lou Grant als unersersetzliche »Vierte Gewalt des Staates« verstanden und wie in Spielbergs Verlegerin ebenfalls Post-Journalisten waren, unter dem gleichen Chefredakteur Ben Bradlee, und sich ebenfalls Richard Nixons Fehlverhalten annahmen, dieses Mal allerdings in Sachen „Watergate“. Wie wichtig Die Unbestechlichen auch heute noch sind, ist auch Spielberg bewusst und montiert immer wieder Szenen in seine Inszenierung, die Pakulas Klassiker zitieren.
Aber gerade weil Spielberg und dem gesamten Team die Nähe zur gegenwärtigen amerikanischen Politik bewusst ist – das CNN-Interview mit Meryl Streep und Tom Hanks Mitte Januar spricht dafür Bände – und dies tatsächlich aus jeder Pore von Spielbergs Film atmet, stellt sich dann und wann auch Ermüden über diesen dann doch allzu eindeutigen Brückenschlag ein, sind retrospektiv die Bilder des letzten großen Journalistenfilms, Tom McCarthys Spotlight über die investigative Recherche des Boston Globe dann doch geschlossener und aufregender, nachhaltiger. Oder sind die akribischen Fakten, die Ken Burns und Lynn Novick in den Abschnitten ihrer bahnbrechenden Dokumentation zu Vietnam zu den Pentagon Papers zusammentragen, erschütternder, denn dort steht ohne jeden emotionalen »Hollywoodpuffer« tatsächlich Vergangenheit gegen Zukunft. So erschütternd und kristallklar, dass man nicht weinen, sondern nur noch eins tun möchte: handeln!