Deutschland 2007 · 123 min. · FSK: ab 12 Regie: Elisabeth Wicki-Endriss Drehbuch: Elisabeth Wicki-Endriss Kamera: Franz Rath Schnitt: Frank Müller |
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Bernhard Wicki & Elisabeth Wicki-Endriss |
Der Regisseur und Schauspieler Bernard Wicki (1919-2000) war ein großer Einzelgänger, der zeitlebens quer zu allen Trends und Fraktionen des deutschen Kinos stand. Schon bei seinen Anfängen in den 50er Jahren verweigerte er sich dem Eskapismus von »Opas Kino«, dem fatalen Hang zu unpolitischer Unterhaltung, die zehn Jahre nach der Nazizeit, in der Praxis nur auf eine Verteidigung des schlechten Bestehenden hinauslaufen konnte. Als Darsteller wurde er mit Rollen bei Helmut Käutner (Die letzte Brücke, Die Züricher Verlobung) bekannt, dann drehte er zunächst die Restaurations-kritische Dokumentation Warum sind sie gegen uns? Dann kam sein Spielfilmdebüt, der Antikriegsfilm Die Brücke, der ins Mark der Gegenwart traf, und den schönen Schein der »braven« Wehrmacht, des »anständigen« Kriegshandwerks, des »ehrenvollen« Todes fürs Vaterland zerstörte.
Für Wicki war Kino immer Kunst, es hatte herauszufordern und zu verstören. Wenn es dabei auch unterhielt, um so besser – doch er wusste, dass Unterhaltung nie Selbstzweck sein darf. Aber auch mit dem deutschen Autorenfilm, dem er ästhetisch und politisch näher stand, wurde Wicki nie wirklich warm. Stattdessen drehte er im Ausland, als Darsteller u.a. bei Antonioni (La notte), als Regisseur in Hollywood – Der längste Tag, Morituri. Etwas zu früh, um den Zusammenbruch der Studios und die Freiheit von »New Hollywood« noch zu erleben, kehrte er nach Deutschland zurück. Seinen gelegentlichen Auftritten, etwa in Fassbinders Despair und seinen Regiearbeiten, zumeist Literaturverfilmungen (Das falsche Gewicht, Die Eroberung der Zitadelle, Das Spinnennetz), haftet daher neben dem Charisma des titanischen Individualisten auch immer etwas ganz leicht Verbittertes an – Wicki spürte wohl, dass er qua seines Temperaments nicht in der Lage war, alle Chancen zu nutzen, die sich ihm geboten hatten.
All dies fasst nun der Film Verstörung – und eine Art von Poesie kongenial zusammen. In alten Ausschnitten erlebt man Wickis Facetten, die sich zum widersprüchlich-faszinierenden Bild eines vor Charme sprühenden, sensiblen Machos bündeln. Chronologisch aufgebaut bringt der Film vor allem am Anfang viel Neues; er erzählt von Wickis Liebe zur Literatur und seiner politischen Prägung durch den Schweizer Vater, der inneren Distanz zum NS-Staat, verschärft durch einen KZ-Aufenthalt 1939.
So interessant dieser Stoff ist, so wenig kann der Film rundum befriedigen. Das verhindert die Regisseurin, Wickis langjährige Geliebte und späte zweite Frau Elisabeth Wicki-Endriss, die dem verstorbenen Gatten durch ihren fatalen Hang zur Hagiographie einen Bärendienst antut. Zudem ist es ihr nicht gegeben, das ausgebreitete Material zu ordnen, zu gewichten oder gar zu klaren Thesen zu bündeln. So sieht man einen distanzlosen Eintopf aus Fakten und Anekdoten, der manch wichtige Themen und Fragen auslässt, weil sie der Autorin nicht in den Kram passen, und Endriss' eigene Rolle konsequent überbetont. Schließlich ist auch die Wahl der Sprecher Michael Mendl und Klaus Maria Brandauer (für frühe Gedichte Wickis) nicht eben glücklich – gerade Brandauer chargiert, und macht auch nie nur den Versuch, sich selbst zugunsten des Textes zurückzunehmen.
Der pathetische Grundton des ganzen Films wird dabei ironischerweise von Wickis eigenen kühl-präzisen Filmausschnitten selbst am stärksten dementiert – man kann sich vorstellen, wie der Regisseur nun im Grab rotiert. Diesen Nachrufstil mit seinem aufdringlich-anbiedernden Geschmäckle hat er nicht verdient. Lohnenswert ist der Kinobesuch trotzdem unbedingt, denn glücklicherweise spricht Wickis Filmkunst für sich, und seine Interviews sind wunderbar.