USA 2007 · 92 min. · FSK: ab 12 Regie: Robert Redford Drehbuch: Matthew Michael Carnahan Kamera: Philippe Rousselot Darsteller: Robert Redford, Meryl Streep, Tom Cruise, Michael Peña, Peter Berg u.a. |
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Zwischen Politik und Medien: Tom Cruise als aufsteigender Republikaner |
Robert Redfords Film Von Löwen und Lämmern (i.Original: Lions For Lambs) ist formal ungewöhnlich und interessant: In drei unterschiedlichen Zeitzonen und Schauplätzen erzählt er parallel jeweils von zwei Hauptfiguren, die Filmhandlung geschieht in Realzeit von knapp 90 Minuten, die Kamera wechselt zwischen den Orten hin und her: Um 7 Uhr früh empfängt »an einer kalifornischen Universität« der Professor Stephen Malley (Redford selbst, ein wenig eitel besetzt) einen seiner Studenten zu Sprechstunde. Man erfährt, dass der Student hochbegabt, aber faul ist, der Professor versucht die Ursachen dafür zu erfahren und mehr Engagement zu bewirken. In Washington empfängt zur gleichen Zeit um 10 Uhr der aufstrebende republikanische Senator Jasper Irving (überraschend gut: Tom Cruise) die linkliberale Journalistin Janine Roth (wunderbar: Meryl Streep) zu einem Gespräch »unter drei«. Es geht darin um eine neue Strategie im War-on-Terror, für die der Senator Medienunterstützung sucht. Zur gleichen Zeit – das macht ein Telefonat während des Gesprächs zwar klar, doch müsste es rechnerisch gesehen dann dort 19 Uhr sein – kämpfen in Afghanistan zwei US-Soldaten schwer verletzt im Gebirge gegen eine feindliche Übermacht. Diese Episode verbindet die beiden anderen: Wir erfahren, dass es sich bei den Soldaten um zwei ehemalige Studenten Malleys handelt, ihr Einsatz war der Beginn der Praxis von Irvings Strategie. Alle drei Schauplätze sind natürlich auch Diskursfelder und Handlungszugänge: Praxis, Theorie, Politik, bzw. Berufsfelder: Bildung, Medien, Politik, Militär.
Das Herz des Films ist das Politische, das Gespräch zwischen Cruise und Streep, zwischen Politik und Medien, neokonservativer und linksliberaler Position. Ein Duell zweier charmanter Schlachtrösser: Beide sind schnell, smart, intelligent, ungemein auf der Hut gegeneinander, dabei vom heimlicher, verquerer Sympathie füreinander geleitet. Beide sind wohltuend abgebrüht, zynisch, zugleich beide auch idealistisch – nur Narren glauben, beides wäre ein Widerspruch –, Redford macht bei allen offenkundigen Sympathien für die Watergate-sozialisierte politische Journalistin Roth auch die Cruise-Figur stark, und Cruise zeichnet den Senator nicht nur als aalglatte Karikatur anti-neokonservativer Phantasien, as einen, der an die Situation am Trag danach, am 12.September erinnert.
»So it’s ›Kill people to help people‹?« fragt Roth bald nach Gesprächsbeginn, und stellt auch die neue Strategie infrage. 1:0! Der Senator »Wie lange werden Sie noch immer die gleichen Fragen stellen?« Roth: »Bis wir Antworten bekommen.« 2:1! Er: »We made mistakes How and why is not the question now. We are here. Now we have to move forward.« 2:2! »Wir haben 6 Jahre gewartet. Der Zweite Weltkrieg dauerte weniger als fünf.« 3:2! Er verweist umgekehrt auf
die Fehler der Presse: »Was ist mit Euch los?« 3:3! »Ich hab meine Fehler zugegeben. Wann werdet ihr das auch tun?« 3:4! Sie: »We took Iraq? How did I miss that?« 4:4!
So geht es in einem fort in diesem rasanten Schlagabtausch, der nebenbei auch ein Duell zweier Schauspieler ist, vor allem aber da Gefecht zweier Weltanschauungen. Auch hier herrscht Krieg, auch hier kämpft man um kleine Bodengewinne, mit Finten, Scheinangriffen, Bluffs, und wenn es sein muss massivem Einsatz
aller Mittel – »whatever it takes.«
Das Mehrdeutige dieses Gesprächs ist es, was es faszinierend macht: Irving will die Journalistin manipulieren, aber er glaubt auch, an das, was er sagt. Am Ende spitzt Cruise/Irving alles auf die eine Frage zu: »Do you want to win the war on terror? Yes or no? This is the quintessential Yes or No question of our time.« Eine Frage, die natürlich mindestens falsch gestellt ist.
Demgenüber fallen die beiden anderen Erzählstränge deutlich ab. Der von Redford selbst gegebene Professor – von deutschen Feuilletonisten wahlweise zum Historiker oder zum Soziologen befördert – zitiert vor allem politische Denker wie Sokrates, Platon, Aristoteles. Trotzdem wirkt er wie eine schwächere Kopie und Karikatur des Roth/Streep-Charakters: Ein latent frustrierter Vertreter der 68er Bürgerbewegung der gegenüber seinem gelangweilten Studenten-Snob eine recht idealisierte (naive?) Auffassung von Engagement vertritt. »They bank on your apathy, they bank on your willful ignoranceHow can you enjoy the good life when Rome is burning?« so der Professor. »Rome is burning!« Und die Brandstifter sind längst weg. Professor Redford entfaltet eine Psychologie der Furchtlosigkeit: »Man hat Angst und zwingt sich zum nächsten Schritt, um nicht nachdenken zu müssen.« und argumentiert zugleich konservativ. Doch mit Nachbesserungen am amerikanischen Traum ist es nicht getan. Längst nicht mehr.
Über die dritte Episode und die beiden Soldaten im Schnee des afghanischen Hochgebirges decken wir hier lieber den Mantel des Schweigens. Über Tote nur Gutes. Denn schlimm ist hier nicht das Gewackel der Studio-Kulissen, über das sich manche Kritiker hier etwas über Gebühr aufregen, sondern dass Redford seine Jungs einen Heldentod sterben lässt, wie es kein totalitärer Propagandafilm besser gekonnt hätte, trotz schwerer Verletzung aufrecht, dem Feind ins Auge sehend, wie Gary Cooper in High Noon. Zu allem Überfluss: Der eine der beiden hätte womöglich fliehen und überleben können, doch – »Ich hatt' einen Kameraden« – er opfert sich, denn am schönsten stirbt’s sich doch gemeinsam im Feld Wo liegt eigentlich ein Unterschied zwischen solchem schönes-Opfer-fürs-gute-Vaterland-Pathos und demokratischem Faschismus?
»Nie habe ich solche Löwen unter dem Befehl solcher Lämmer kämpfen sehen.« Es ist angeblich dieses Zitat eines deutschen Offiziers während des Ersten Weltkriegs, gemünzt auf die Tapferkeit der britischen Truppen und die Unfähigkeit ihrer Kommandeure, das den Titel zu Redfords Film inspirierte. Denkt man es allerdings zuende, kommt man bereits auf erste Probleme: Denn verstanden als indirekte Aussage des Filmemachers, muss man ja zurückfragen: Wäre es besser, wenn die Soldaten auch Lämmer wären? Wohl kaum – der Film argumentiert in die entgegengesetzte Richtung. Sollen also die Kommandeure Löwen sein? Liegt das Problem des War-against-Terror also nur in der Feigheit der Führung? Wenn im Film die Journalistin gegenüber Senator Irving räsonniert, dieser habe keine Kampfeinsätze hinter sich, sondern agiere vom »air-conditioned room« aus, wenn US-Linke Präsident Bush und Vizepräsident Cheney die Tricks vorwerfen, mit denen sie sich während es Vietnamkriegs dem Militärdienst entzogen haben, dann taugt das womöglich noch als Wahlkampfmunition. Aber offenbar auch dafür nicht genug. Letztendlich reproduziert man damit aber nur Vorwurf der Rechten gegen alle »Drückeberger« und erinnert verdächtig an das Ressentiment der bundesdeutschen Großvätergeneration gegen alle, die früher »nich jedient« haben. Wäre denn wirklich viel gewonnen, wenn Bush und Cheney Fronterfahrung hätten? Das kann nur glauben, wer denkt, dass jedes Kriegserlebnis per se zum Pazifist erzieht. Stattdessen entwickelt der Titel latent eine neue Dolchstoßlegende, nach der die Amerikaner, wären sie nur von Löwen in die Schlacht geführt worden, irgendetwas hätten besser machen können – als ob nicht der Krieg selbst, so wie er begründet wurde, bereits unverzeihlich war.
Nein: Es wäre wunderbar, wenn es tatsächlich Redfords einzige Sünde wäre, dass seine Fragen »stets um das Naheliegende« kreisen, wie Katja Nicodemus in der »Zeit« kritisiert. Tatsächlich aber entwickelt der Film Lösungsvorschläge, ergreift Partei für Werte, die man nur mit sehr viel Mühe und Toleranz noch akzeptieren kann. Man hat Von Löwen und Lämmern vorgeworfen, der Film sei zu trocken, zu akademisch, zu didaktisch. Ist er auch. Aber das ist nicht das Problem, denn wenn er etwas Spannendes, Herausforderndes, oder wenigstens Überraschendes zu sagen hätte, würde man dies ebenso gern sehen, wie eine gute Dokumentation. Das Problem ist, dass er das alles nicht hat.
Redford macht ein paar gute Punkte: Er erinnert seine eigene Gesellschaft an ihre Bildungsdefizite: 77% aller Studenten kennen ihren Senator nicht. 75% kennen das Land nicht, an das Minnesota grenzt. Er argumentiert gegen eine Politik, die ihr Gedächtnis und damit ihren Sinn für die Vergangenheit verloren hat. Die damit immer kurzatmiger wird. Man müsse auf die Vergangenheit schauen, um die Gegenwart zu verstehen, um aus Fehlern zu lernen. Er weist auf Klassenprobleme hin. Die Wehrpflicht ist weiterhin ein Raum der Gleichheit und des sozialen Saufstiegs für Unterprivilegierte, der Militäreinsatz aber auch eine Weise, den Klassengegensatz wieder zu verschärfen. Arme sterben hier, und Schwarze. Und er benennt das Versagen der Medien, auch der seriösen, bei denen Kommerzinteressen die Verantwortung abgelöst haben, Feigheit und Bullshit-Nachrichten dominieren.
Aber Redfords Film zieht aus alldem keine gedanklichen und politischen Konsequenzen. Die Afghanistan-Episode mündet ins sinnlose Selbst-Opfer. Die Washington-Episode ins politische Patt und in die Resignation der Medien. Und in der Kalifornien-Episode bleibt nur das hohle 08/15-Pathos des »We can change things.« Doch dieses Pathos ist die Ursache der gesellschaftlichen Apathie und Ignoranz, die der Film anklagen möchte.
Schlimmer noch: Resignation und Pathos sind unehrlich. Denn sie sind nicht zuende gedacht, sie sind vermeidbar wie der Heldentod am Hindukusch. Der ist nur möglich, weil sich immer noch genug Idealisten/Verzweifelte/Deppen (genau ist das nicht zu unterscheiden) zum freiwilligen Truppeneinsatz melden – was Redford ja aller Kritik zum Trotz auch prinzipiell in Ordnung findet. Täten sie das nicht, müsste jede Regierung auf eine Wehrpflicht zurückgreifen – das würde Kriegseinsätze wie den jetzigen gleich schwerer machen.
Auch in seiner theoretischen und politischen Reflexion bleibt Von Löwen und Lämmern auf halber Strecke stehen: Der Film zeigt Ratlosigkeit, aber er zeigt auch zuviel Subtilität in der Problembehandlung, er rechtfertigt das Bestehende viel zu sehr, gibt zuviel Kredit. Vom Guantanamo und Abu Ghraib kann man heute nicht mehr schweigen, wenn man vom Krieg gegen den Terror reden will. Diese Stichworte aber fallen nicht.
Wenn es um Bürgersinn und
Engagement geht, werden im Film alle möglichen konträren Optionen erörtert – aber die einzige Option, die nicht erwähnt wird, ist die wichtigste: »Changing Policy at home«. Mit anderen Worten: Aufstand, Rebellion, Revolution. Andere Filme waren da schon weniger feige. Etwa der in seiner Subversivität unterschätzte Unterhaltungsfilm V for Vendetta. Dort heißt es: »People
shouldn’t be afraid of their governments, governments should be afraid of their people.« Das ist, leider, die einzige wirkliche Lösung.
Jeder soll sich engagieren meint Redford. Aber noch immer gibt es in den USA keine breite Antikriegsbewegung, die mit der gegen Vietnam vergleichbar wäre. Hier hätte jedes Engagement anzusetzen. Die Ursache der Probleme, die Redford in Von Löwen und Lämmern anspricht, ist nicht allein der amtierende Präsident und sein Administration. Es ist ein Volk, das mehrheitlich nicht gegen Folter, Konzentrationslager und Angriffskriege eintritt, das den Sinn für die Rechtsbrüche und moralischen Tabuverletzungen verloren hat, die auf sein eigenes Konto gehen, das die 9/11-Terroranschläge immer noch primär als narzisstische Kränkung begreift, die jede Reaktion rechtfertigt.
Von Löwen und Lämmern ist am Ende doch nur eines jener typischen halbgaren Statements der sogenannten »Hollywood-Linken« – die hierzulande gut als Unionspolitiker durchgehen würden –, das als Kritik daher kommt und trotzdem doch ganz affirmativ ist. Und Redford ist eigentlich nur ein Wimp, der sich auch im siebten Jahr der Regierung Bush einschüchtern lässt von der Angst nicht patriotisch genug zu sein. So repräsentiert Von Löwen und Lämmern recht gut die Skrupel und das Versagen der Demokraten als Bush-Opposition: Man will kritisieren, aber traut sich nicht. Dann zitiert man Sokrates, feiert Selbstopfer und redet von Engagement.
Rom brennt zwar, sagt Robert Redford, aber er empfiehlt dann doch nur, den Pfadfindern beizutreten, und Brunnen zu bauen, statt den Brandstiftern die Fackeln aus der Hand zu schlagen. Und bitte aufrecht sterben. Das ist im Gesamtergebnis schon wieder reaktionär.