USA 2007 · 97 min. · FSK: ab 12 Regie: Mennan Yapo Drehbuch: Bill Kelly Kamera: Torsten Lippstock Darsteller: Sandra Bullock, Julian McMahon, Shyann McClure, Courtney Taylor Burgess, Amber Valletta u.a. |
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Zwischen den Welten: Linda (S. Bullock) |
Was wäre, wenn wir in die Zukunft blicken könnten? Wären wir reich, weil wir vorab die Lottozahlen wüssten? Wären wir gegen Unfälle und Missgeschicke gewappnet? Könnten wir den Satz, die Geste, den Blick proben, der uns das Herz des Liebsten erobert? Wären wir – womöglich – glücklicher? Die griechische Mythologie weiß anderes zu berichten. Seit Ödipus kennt das Abendland die gnadenlose Unentrinnbarkeit der self-fulfilling prophecy, seit Cassandra wissen wir, dass auch der Hellsichtige den Lauf der Welt nicht ändern kann. Nur Hollywood nimmt sich hier und da die Freiheit, diese schicksalhafte Gleichung auf den Kopf zu stellenBack to the Future!
Mennan Yapo ist nach Hollywood gegangen. In Deutschland war sein Kühlschrank leer, dort winkten Millionen-Dollar-Angebote. Den 100-Mille-Monster-Film hat er nicht gedreht. Das 60-Millionen-Angebot (Plot: Vier mittelmäßige Ganoven kidnappen ein Kind, das sich als der Antichrist entpuppt) hat er ebenfalls abgelehnt.
Alle Chancen kann man nicht ausschlagen: Der Film, den er dort gemacht hat, ist überwiegend ein echter Yapo – soweit man das von einem Regisseur zu behaupten wagt, der bisher einen Kurz- und einen (viel gelobten, aber zu wenig beachteten) Langfilm gedreht hat: Lautlos, eine Mär vom Mädchen und dem melancholischem Auftragskiller. Immerhin hatte Yapo aber seinen Kameramann mit am US-Set (grandios: Torsten Lippstock), welcher dann allerdings die Kamera nicht selbst bedienen durftewegen obskurer arbeitsrechtlicher US-Auflagen, ihm dafür aber abends Spaghetti in der WG kochte: zwei einsame German Guys, die sich im Hollywoodwahnsinn durchschlagen.
Glück ist ein zerbrechliches Gut. Das erfährt auch Linda, hingebungsvolle Hausfrau und Mutter. An einem Tag gerät mit der Nachricht vom Unfalltod ihres Mannes ihre Welt aus den Fugen. Doch am nächsten Morgen trifft sie Jim in der Küche, wo er ahnungslos seinen Kaffee trinkt.
Linda und ihr Mann sind glückliche Eltern – doch kein Liebespaar mehr. Wie bei den Handläufen der schönen alten Treppe in ihrem Haus blättert auch von ihrer Beziehung längst der Lack. Mit dem Tod des Mannes mäandert Lindas Leben plötzlich durch chaotische Parallelwelten. Die Reihenfolge der Wochentage gerät durcheinander, Tod und Leben bereiten ein beängstigendes Vexierspiel. Linda trifft Menschen, die sie zu kennen scheinen, an die sie sich aber nicht erinnern kann und kennt dafür andere, die sie noch nie gesehen haben. Sie findet Psychopharmaka in ihrem Waschbecken, ihre kleine Tochter hat plötzlich ein zerschnittenes Gesicht, und schließlich wird Linda in die Psychiatrie verschleppt. Doch statt eines Komplotts steckt hinter dem Ganzen eine Art Zusammenbruch des Raum- und Zeit-Kontinuums, ausgelöst durch die Tragödie. Wie beim Puzzlespiel ihrer beiden Töchter hält Linda nur Bruchstücke in den Händen, die sich erst nach und nach zu einem Bild der Geschehnisse fügen. Schließlich erwacht sie an dem schicksalhaften Mittwochmorgen und versucht mit aller Macht und dem Wissen um die Zukunft, ihren Mann zu retten.
Wie schon in Lautlos verlässt sich Yapo auch in diesem Film auf eines: Gesichter. Lieferten sich in seinem ersten Langfilm noch die Züge von Jachim Król und Nadja Uhl ein eindrucksvolles Pas de deux, steht hier der US-Star im Mittelpunkt. Am ungeschminkten Antlitz von Sandra Bullock spielt sich auch in Die Vorahnung das meiste ab, die Kamera zoomt in jede Pore, erkundet die wechselhafte Gesichtlandschaft.
So betörend die Bilder auch sind, so grandios ganze Szenenam Ende irritiert, dass das Drehbuch so unausgegoren bleibt. Da werden lose Fäden, wie die alptraumhafte Einlieferung in die Psychiatrie, später nicht mehr eingebunden. An andere Stellen stößt einem der amerikanische Pathos auf: Sagt Eurem Daddy, wie lieb ihr ihn habt! Der Showdown am Meilenstein 220 des Highways ist hollywoodwürdig. Wie man es verdaut, muss jeder für sich selbst entscheiden. Trotz dieser Schwächen: sehenswert.
Ein ganz normales, durchschnittlich wohlhabendes und recht glückliches Mittelklasse-Leben: Mustergatte Jim verdient das Geld, Mustergattin Linda verbringt die Tagen mit Shopping, hält den sachte alternden Musterbody durch Jogging fit und kümmert sich um die beiden wohl geratenen Töchter. Doch plötzlich erschüttert eine Schreckensnachricht diesen Vorstadt-(Alb-)Traum: Jim kam bei einem Autounfall ums Leben.
Es kommt, wenn das den möglich ist, noch schlimmer: Am nächsten Morgen sitzt Jim nämlich quicklebendig am Frühstückstisch, am übernächsten ist er wieder tot, am überübernächsten wieder da, und so fort Und täglich grüßt das Murmeltier – bis Linda und mit ihr wir Zuschauer an ihrem Verstand zu zweifeln beginnen.
Mit Lautlos hat der deutschtürkische Regisseur Mennan Yapo vor drei Jahren ein überaus respektables Kino-Debüt hingelegt: Ein in Deutschland leider ungewöhnliches Beispiel für einen Genre-Thriller voller Suspense, Joachim Krol spielte damals einen Auftragskiller (!), Nadja Uhl die Hauptrolle – leider wurde der Film von Deutschlands Publikum und Filmkritik seinerzeit etwas zu wenig gewürdigt, umso mehr dafür im Ausland, sodass Yapo lange vor Donnersmarck und Hirschbiegel als Deutscher die Chance bekam, einen Hollywoodthriller zu drehen, und Weltstar Sandra Bullock für die Hauptrolle zu casten.
Die Vorahnung ist ein Mysterythriller, dessen Hauptfigur abwechselnd in zwei Welten lebt: in der Jim wahlweise tot oder lebendig ist. Über diese aufwühlenden Tage gerät ihre heile Welt aus den Fugen, ihre Mitmenschen glauben ihrem »Gerede« kein Wort, doch Linda stößt auf Ungereimtheiten im Leben ihres Gatten, unter anderem eine Freundin.
Der Film ist solide und hollywoodtypisch inszeniert, aber auch sehr vorhersehbar: Wie bereits der Titel verrät, handelt es sich beim Unfall um dunkle Vorahnungen Lindas, die am Ende eben durch ihr Mittun realisiert werden. Das Schicksal ist nicht aufzuhalten, doch gerade das Misstrauen der Gattin tötet den Ehemann – so die biedere Moral am Schluß dieses uninteressanten Films. Mennan Yapos Karriere wird das nicht schaden, und Sandra Bullock hat schon schlechtere Filme gemacht.