USA 1999 · 116 min. · FSK: ab 16 Regie: Simon West Drehbuch: William Goldman, Christopher Bertolini Kamera: Peter Menzies Darsteller: John Travolta, Madeleine Stowe, Timothy Hutton, James Woods u.a. |
Denkt man an smarte Bomben, CNN-Frontberichte und die sauberen Hochtechnologie-Shows der Rüstungsindustrie, könnte man fast den Eindruck bekommen, Armeen wären heute etwas Modernes. Tatsächlich aber täuschen derartige Werbefilme – noch immer ist das Militär eines der letzten Refugien des Archaischen, ein Ort an dem Männer nur zählen, wenn sie zum right stuff geformt sind, aus dem die zukünftigen Kriegshelden gemacht werden. Disziplin und Rituale sind wichtiger, als Individualität und Zivilcourage, und Ehre ist nicht mehr zu unterscheiden von der Omertà, dem Schweigegebot der Mafia. Blickt man genauer hin, entdeckt man eine Welt, die so undurchdringlich und geheimnisvoll ist, wie die Sumpflandschaft von Virginia, in der Simon West (Con Air) seinen zweiten Spielfilm Generals Daughter spielen läßt.
In dieser Männerwelt sind Frauen noch immer Fremdkörper, selbst wenn sie, wie in den USA zum Dienst an der Waffe zugelassen sind. Und wer den Frieden stört, weil er Geheimnisse nicht ruhen läßt, sondern Licht in das Dunkel bringen will, findet sich schnell ausgegrenzt aus dem Männerbund – wie Paul Brenner (John Travolta). Dem begegnen die Kino-Zuschauer zuerst als Trottel mit Zigarre im Mund und Südstaatenakzent. Schnell begreift man aber, das sich hier nur ein Undercover-Detektiv dumm stellt – und der Schauspieler Travolta ganz nebenbei eine kleine flotte Parodie auf seinen Bill Clinton-Auftritt in Primary Colors liefert.
Von den beiden einzigen Frauen, die in diesem Film vorkommen, ist die erste nach einer Viertelstunde tot. Es ist Elisabeth, Offizierin und hübsche Tochter des Generals Joe Campell (James Cromwell), der in wenigen Tagen in den Ruhestand geht, und bereits seine spätere politische Karriere im Visier hat. Offensichtlich wurde die junge Frau bestialisch ermordet, zuvor mehrfach vergewaltigt. Schnell ist klar, daß der Vater mehr weiß, als er sagt. Zudem fordert sein Adjudant von dem Ermittler, mögliche peinliche Untersuchungsergebnisse nicht nach außen zu tragen -»Es gibt den richtigen Weg, den falschen Weg, und den Army-Weg«-, um den Wahlkampf des Generals nicht zu gefährden.
Der größte Teil des Films schildert nun die Ermittlungen Brenners und seiner Mitarbeiterin Sunhill (Madeleine Stowe), einer Expertin für Sexualverbrechen. Deren Rolle ist denkbar undankbar – sie dient dramaturgisch in erster Linie als Stichwortgeberin Travoltas und dazu, die Frauenfeindlichkeit des Militärs auch am lebenden Objekt zu demonstrieren. Interessanter dagegen sind die Vertuschungsrituale der verdächtigen Soldaten. Besonders sticht hier der schillernde Colonel Moore heraus, grandios gespielt von James Woods. Moore, ein guter Freund der Toten, weiß offenbar um deren Geheimnis, und macht sich einen Spaß daraus, mit Brenner seinen privaten Psychokrieg zu spielen. Doch mit dem Fortgang der Ermittlungen führen immer mehr Spuren zurück in das Arbeitszimmer des Generals...
Die Grundidee von Generals Daughter ist nicht neu. Schon in Rob Reiners A Few Good Men ging es um die Armee als politisch fragwürdigen Raum geheimer Verschwörungen, um Vertuschungsmanöver und einen ehrlichen Ermittler, der gegen die Wand des Schweigens ankämpft. Das Originelle von Simon Wests Regie ist, daß der Brite offenbar einen besonderen Blick für jene viktorianischen Relikte hat, die sich auch innerhalb der US-Armee finden lassen. Es geht dabei nicht in erster Linie um »Realismus« – die bedrohlichen, düsteren Räume der Kaserne markieren nicht minder eine Traumlandschaft, wie die flimmernde Luft von Virginias Wäldern –, sondern um ein darüber hinausreichendes objektives Bild. Wests Perspektive schärft den Blick für das interne Klassensystem, die leere Formalität des zwischenmenschlichen Umgangs, den sturen Verhaltenscode, der nichts duldet, was in irgendeiner Form aus dem Rahmen fällt. Ehre ist in dieser Welt von Blut, Schweiß und Kameradschaft vor allem eine Entschuldigung für Verbrechen. So trifft ein Mann zwischen der Loyalität zu seiner Familie und der Loyalität zur Armee (die ja eine Art zweite Familie sein kann) leicht eine falsche Entscheidung.
Daß der Regisseur seine schwieriges Thema in ein Mainstream-Gewand kleidet, ist ein interessanter Versuch. Je länger der Film dauert, um so mehr tritt aber die Armee-Analyse gegenüber dem Mainstream-Thriller in den Hintergrund. So verläßt man das Kino nicht wirklich befriedigt. Denn wer tatsächlich am Ende als der Schuldige entlarvt wird, ist das Unwichtigste an dieser Geschichte.