Deutschland 2005 · 91 min. · FSK: ab 12 Regie: Jörn Hintzer, Jakob Hüfner Drehbuch: Jörn Hintzer, Jakob Hüfner Kamera: Volker Mai, Jörg Pfeiffer, Daniela Knapp u.a. Darsteller: : Thomas Schmieder, Rüdiger Klink, Max Mauff, Harald Schrott, Claudia Geisler u.a. |
||
Dienen Plateauschuhe der Weltverbesserung? |
Ein Einzelkind hat es nicht leicht im Leben: Immer muss es sich im Urlaub seine Spielgefährten alleine suchen und beim alljährlichen Weihnachtsfest zwischen Mama, Papa, Oma und Opa ohne geschwisterliche Unterstützung die Zeit totschlagen. Ohne Raufen, Balgen und fiese Ärgereien. Und ohne einen älteren Bruder oder Schwester, die einem im Bus den Platz freihalten. Doch damit ist jetzt Schluss. Denn in Zeiten von Hartz IV und verschärfter Arbeitslosigkeit wird vom Staat ein etwas ungewöhnliches Programm der Umschulung angeboten: die Ausbildung zum Leihbruder. Den sich die Eltern von jammernden Einzelkindern mieten können und der gegen Bares ins Haus einzieht und dort ebenso wie das natürlich erworbene Kind die Wohnung verwüstet.
So könnte die Welt aussehen, wenn es nach den beiden Filmemachern Jörn Hintzer und Jakob Hüfner gehen würde, die in ihrem Kinofilm Die Weltverbesserungsmaßnahme acht Ideen vorstellen, mit denen die Welt etwaseinfacher wird. Zum Beispiel, indem man den deutschen Sparfüchsen den »Sorbischen Euro«, ein Geld mit begrenztem Haltbarkeitsdatum andreht, dass sie zwingt, es auszugeben. Sonst ist die Zeit um und es nichts mehr wert. Und auch für die schwindenden Leistungen der Krankenkasse haben die zwei Kunststudenten aus Berlin einen Rat: Warum nicht selbst das ärztliche Gewerbe per Anleitung durch Videofilme erlernen, um so den unnötig teueren Gang ins Krankenhaus zu sparen. Oder seinen Gatten zur Selbsthilfegruppe Ampel e.V. schicken, damit er endlich ohne Hand auf der Hupe durch den allabendlichen Rush-Hour-Verkehr von Berlin fahren kann.
Augenzwinkernd erzählen die beiden Regisseure ihre Geschichten über die Menschen, die versuchen ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Und trotz wachsendem Leistungsdruck, Arbeitslosigkeit und Stress im Alltag nicht bereit sind, auf ein wenig Glück im Leben zu verzichten. Stattdessen wollen sie mit ihren eigenen Ideen die Welt ernsthaft verbessern, ähnlich wie Mux alias Jan Henrik Stahlberg in Marcus Mittermeier Regiedebüt Muxmäuschenstill. Dank dem Experten Johannes Schleede alias Peter Berning, der in fast in jeder Episode, ganz wie der reale Alexander Kluge, als Experte für alle möglichen Fachbereiche auftaucht, bekommen sie bestätigt, dass sie mit ihrer Idee genau richtig liegen.
Die meisten Geschichten setzten sich aus fiktiven Interviews zusammen, in denen sowohl die Weltverbesserer als auch deren Opfer von den jeweiligen Aktionen berichten – erneut ein Verfahren, das stark an Kluge erinnert. Den Geschichten wird so ein dokumentarischer Charakter verliehen, der jedoch durch die Person Johannes Schleede, dem Allround-Experten gebrochen wird. So wird zugleich das Expertentum wie es in der heutigen Funk und Fernsehlandschaft allseits verbreitet ist, auf die Schippe genommen.
Natürlich sehen sich die beiden Autoren und Regisseure Hinter und Hüfner auch selbst als Weltverbesserer. »Sonst hätten wir nicht über insgesamt fast drei Jahre hinweg diese Irrsinns-Lowbudget-Produktion aufrechterhalten können. Da braucht man schon den Glauben daran, dass der Film eine echte Weltverbesserung darstellt, und die Welt den Film unbedingt sehen muss.« Mit ihrem Projekt, zeigen die beiden Wahlberliner, dass es sich lohnt für die eigenen Ideen einzustehen und sich nicht dem weitverbreiteten Konformismus anzuschließen aus Angst, seinen Job oder seine Anerkennung zu verlieren. Auch wenn dies einen kurzfristig weiterbringt. Denn Hörigkeit, Autoritätsglaube und Anpassung kann keine Welt verbessern, sondern sie nur zum Stillstand bringen.