GB/USA 1997 · 102 min. · FSK: ab 12 Regie: Michael Winterbottom Drehbuch: Michael Nicholson, Frank Cottrell Boyce Kamera: Daf Hobson Darsteller: Stephen Dillane, Woody Harrelson, Marisa Tomei, Emira Nusevic u.a. |
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Kriegsfotografen in Schussposition |
»Immer auf Ballhöhe« so lautet das erste Gebot für einen guten Fußballschiedsrichter, und ähnlich geht es auch Kriegsberichterstattern: Immer da sein, wo Dir die Kugeln um die Ohren pfeifen. Da kann es schon mal vorkommen, das man vier Tage hintereinander nicht in Frieden frühstücken kann, weil justament dann, wenn der Hotelpage mit dem fünfeinhalb-Minuten-Ei angedienert kommt, diese doofen Freischärler wieder ihre Feuerpause beenden.
So hart kann das Journalistenleben sein. Und weil man als Chronist eben wie der Fußballschiedsrichter dabei ist, aber nicht mitspielen darf, wächst die Frustration. Entweder bekommt man Magengeschwüre, die nur noch mit schottischem Maltwhiskey in der Hotelbar zu kurieren sind (vgl. Hemingway) oder man kriegt einen sogenannten »Moralischen«. Manchmal passiert auch beides hintereinander.
Henderson (Stephen Dillane) gehört zur zweiten Gruppe. Er ist der Held von Welcome to Sarajevo, aber halt ein typischer 80er Jahre Held: angekränkelt mehr vom Zweifel als von der Gedanken Blässe, fröhlich nur, wenn er sich doch einmal vom abgebrühten Flynn, den Woody Harrelson wie eine altgewordene Variante des natural born killers Mickey Knox spielt, doch zu einem Schluck Whiskey verführen läßt. Gramzerfurcht watet Henderson im Blut des Bürgerkriegs, besudelt mit all den unkonkreten Schuldgefühlen die so typisch sind für gesettelte
Westler, die plötzlich raus aus ihrem Fernsehsessel in die Realität gestoßen werden, die sie aus der Tagesschau kennen.
Henderson ist nun aber einer von denen, die selbst die Tagesschau machen. Und so rutscht der Film schnell in das Dilemma, daß so viele Journalisten-Filme kennzeichnet: Einerseits beschwören All the President’s Men, Die Fälschung und The Year of Living Dangerously das romantische Leben der neutralen coolen Chronisten, der immer auf der richtigen Seite steht, weil er auf gar keiner steht, nur einer Wahrheit verpflichtet, die er nicht kennt, weil er erst einmal recherchieren muß. Andererseits muß der Beobachter und Outsider zum Handelnden und Insider gemacht werden. Wie geht das? Fußballschiedsrichter können ihren Frust immerhin noch loswerden, indem sie gelbe und rote Karten verteilen, oder sich als linientreue Hüter des Regelwerks aufspielen. Journalisten im Film läßt man irgendeine Verschwörung aufdecken, oder er muß stellvertretend für die vielen Opfer zumindest ein unschuldiges Menschenkind retten. Diesem Mechanismus folgt auch Regisseur Michael Winterbottom, und erstaunlicherweise gelingt es ihm, die ganze, sehr unglaubwürdige, aber durchaus anrührende Story ohne allzuviel Sentimentalität über die Bühne zu bringen.
So ist Welcome to Sarajevo trotz dem latenten Journalisten-Heroismus und einigen Kitsch-Momenten kein Film geworden, der aus Balkan-Exotismus und Kriegs-Schaulust übermäßig Kapital schlägt. Ihm gelingt es immerhin, eine Ahnung dafür zu schaffen, was in Jugoslawien eigentlich geschehen ist.
Geschichten über das Schicksal von Journalisten im Krieg bergen Spannung und erzählen doch mehr: das Aufeinandertreffen grundverschiedener Perspektiven, die
Verwandlung des einzelnen unter der Erfahrung des Krieges und den Einbruch des Archaischen in eine Lebensweise, die den Umgang damit längst verlernt hat. Die Hauptfigur Henderson ist auch nicht anders als seine Kollegen, nur kann er die Realität, die ihn umgibt, vielleicht noch ein wenig schlechter ertragen als andere. Mit leichter Hand gelang es dem Regisseur hier, das große Drama unseres Jahrzehnts zu schildern und zu kommentieren, ohne nur Bekanntes zu wiederholen.