USA 1998 · 108 min. · FSK: ab 16 Regie: John McNaughton Drehbuch: Stephen Peters Kamera: Jeffrey A. Kimball Darsteller: Kevin Bacon, Matt Dillon, Neve Campbell, Denise Richards u.a. |
Es ist ziemlich heiß in Blue Bay, Florida. Nahe bei den Sümpfen, nahe beim Meer kann man zwar hübsche Ferien machen, für die Bewohner ist es aber vor allem langweilig. Sam Lombardo (Matt Dillon) vergeht die Langeweile allerdings schnell, denn seine scheinbar (offensichtlich?) notgeile Schülerin Kelly beschuldigt ihn, als sie mit ihren schlüpfrigen Annährungsversuchen erfolglos bleibt, kurzerhand der sexuellen Belästigung. In den USA wird sexual harassment noch um einiges ernster genommen, als hierzulande. Lombardo bekommt also ziemlichen Ärger, der dadurch nicht kleiner wird, daß ihn auch seine Schülerin Suzie (Neve Campell) mit ihren Aussagen schwer belastet.
Der Reiz von Wild Things, darum ist hier die Inhaltsangabe ca. nach 20 Filmminuten beendet, liegt darin, daß die Story immer neue, tatsächlich überraschende Wendungen nimmt, und das Netz der Verschwörung sich nicht etwa über Lombardo oder doch ?- sondern über dem Zuschauer höchstselbst zuzieht. Wild Things ist ein klassischer B-Movie, insofern, als er sich für Logik und das Hollywood-Gesetz, das jeder Film gefälligst einen
anständigen Helden und anständige Bösewichter zu haben hat, keinen Deut interessiert. Genaugenommen gibt es hier nur Bösewichter, und der Thriller ist zwar oft spannend, dann aber in seiner Handlung so verwirrend, skurill und überraschend, daß man das Geschehen alles in allem sehr distanziert wahrnimmt.
Man staunt, was sich John McNaughton alles traut, und wagt nach der Hälfte des Films nicht mehr noch irgendwie auf den Ausgang der Geschichte zu spekulieren. Es handelt sich hier
um den klassischen Brian-de-Palma-Effekt, darum also, im Gewande des Thriller ganz andere Geschichten zu erzählen, vor allem die von der Verwirrung des Zuschauers.
Denn wer Wild Things aufmerksam für eigene Reaktionen verfolgt, wird seine geheimen Sehnsüchte enttarnt finden: die daß die Welt in Ordnung sei, daß es also irgendwo doch noch strahlende Helden oder zumindest deren negative Spiegelung, den finsteren Bösewicht gäbe. Von wegen !
Das irritiert
natürlich so manchen Betrachter, für den die Welt ein Oben und ein Unten zu haben hat, und auch sonst aus Ordnung und Sauberkeit besteht. Im straighten Ablauf eines Cop-schnappt-Gangster-und-stellt-Moral-wieder-her-Plots kann man sich hier nicht suhlen; geistiges Zurücklehnen ist zwecklos. Wild Things ist also ein Film, der dem Zuschauer einiges über seine Art Filme anzugucken erzähltund damit über sich selbst.
Wer das nicht wissen will, aber offen genug ist, um auch anderes zu akzeptieren als Konfektionsware, bekommt ein wunderbar künstliches intelligentes Märchen erzählt. Und obendrein eine kleine Gesellschaftstudie: Denn McNaughton hat den bösen Blick. Sein Amerika ist ein sumpfiger Zauberwald, der mit fiesen Bösewichtern bevölkert ist, die zu jeder brutalen Schandtat fähig sind. Theresa Russell und Robert Wagner spielen in netten Nebenrollen feiste korrupte alte Bürger und die Jungen sind nicht besser, nur konsequenter. Fazit: Wild Things ist intelligent, kurzweilig und sogar ein bißchen subversiv. Wie Brian de Palma.
Florida. In einer schmerzlich an Seifenopern erinnernden, typisch amerikanischen Hafenstadt, gerät der Lehrer Sam Lombardo (Matt Dillon, In & Out) wegen angeblicher Vergewaltigung vor Gericht. Die aus reichem und einflußreichem Hause stammende High-School-Queen Kelly van Ryan (Denise Richards) behauptet sein Opfer zu sein. Zudem meldet sich auch White-Trash-Kokserin Suzie (Neve Campbell, Scream 1 und 2) und erzählt dieselbe Geschichte. Nach einem, dank dem quirligen Winkeladvokat Bowden (Bill Murray mit einem gerissenen Auftritt) mit einem Freispruch endenden Schauprozess, heftet sich Detective Duquette (Kevin Bacon, Sleepers) an Lombardo´s Fersen. Langsam deckt er ein weitläufig geplantes Doppelspiel auf, bei dem keiner lange das ist, was er anfangs zu sein scheint.
Henry Regisseur John McNaughton hat einen Thriller geschaffen, der seine amerikanische Fassade bis auf die Grundmauern niederreissen will. Will. Denn, anders als beim ähnlich gelagerten Starship Troopers, in dem Denise Richards übrigens auch eine Hauptrolle spielte, konstruiert sich hier ein Berg unglaublicher und zunehmend unglaubwürdiger werdender Wendungen und Kniffe zu einem immer höheren und wackeligeren Stapel, der irgendwann unter seiner eigenen Last zusammenbricht. Zwar ist die Demontage Mittel zur Kritik, aber die Unmengen heimtückischer Twists, die locker für 20 andere Filme reichen würden, sind einfach lächerlich. So reiht sich eine Richtungsänderung an die nächste, alles in allem sehr ermüdend und keinesfalls originell.
Außerdem ist das Thema als Seifenoperparodie so ausgelutscht, daß die Handlung im besten Falle zum Einschlafen anregt. Nachdem die Gerichtssaal-Handlung schnell erledigt ist, begibt sich Wild Things auf Thriller-Gebiet und beschäftigt sich mit der Suche nach dem oder den Tätern. Dabei spielen die Darsteller geschickt vorerst auf niederem Fernsehniveau, offenbaren dann nach einiger Zeit ihr wahres Können, das sich aber erst zu spät zeigt. Ansonsten räkelt sich vor allem Denise Richards als Wet-Dream-Actress mit Neve Campbell und Matt Dillon im Bett. Die zahlreichen Softsex-Einschübe sind immer Selbstzweck und erfahren außer ihrem Schauwert keine Begründung.
Leider ist Wild Things keine Persiflage auf Fernsehserien wie »Beverly Hills 90210« geworden, zu sehr steht sich die Story selber im Weg und verliert einfach die gesamte Wirkung im hahnebüchenen Dickicht der fehlgeschlagenen Inszenierung. Schließlich wird auch noch der Abspann bemüht, um die sprunghafte Entwicklung in der Handlung zu erklären. Sowas läßt tief blicken.