Deutschland 2023 · 109 min. · FSK: ab 6 Regie: Marc Rothemund Drehbuch: Richard Kropf Kamera: Philip Peschlow Darsteller: Florian David Fitz, Cecilio Andresen, Aylin Tezel, Petra Maria Cammin, Joachim Król u.a. |
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Das kleine, kurze Glück, das Fußball heißt... | ||
(Foto: Leonine) |
Dass gute Laune auch im Krankheitsfall einfach dazugehört, um den Heilungsprozess zu beschleunigen, hat Marc Rothemund bereits in seinem »Krebsfilm« Heute bin ich blond explizit gezeigt, die Verfilmung einer Autobiografie, also einer wahren Geschichte.
Auch Wochenendrebellen erzählt eine wahre Geschichte, die der deutsch-albanischen Familie Juterczenka aus dem nordhessischen Calden-Westuffeln, deren im Jahr 2005 geborener Sohn Jason im Alter von vier Jahren mit der Diagnose Asperger, einer milden Autismus-Variante konfrontiert wurde. So wie der von Cecilio Andresen verkörperte Jason interessierte sich auch der reale Jason schon früh für Astronomie sowie Naturwissenschaften und engagierte sich im Bereich des Klimaschutzes. Im Jahr 2012 begann Jason zusammen mit seinem Vater Mirco, im Film durch Florian David Fitz dargestellt, als Groundhopper deutsche Fußballstadien zu besuchen, um seinen Lieblingsverein und damit irgendwie so etwas wie jugendliche Normalität zu finden und startete zeitgleich seinen später mit dem Grimme Online-Preis ausgezeichneten Blog »Der Wochenendrebell – Groundhopping mit Asperger«, in dem er von den gemeinsamen Erlebnissen berichtete und aus dem dann fast schon zwangsläufig das Buch »Wir Wochenendrebellen« entstand.
Rothemund setzt diese Biografie konsequent um, betont jedoch wie schon in Heute bin ich blond, immer ein wenig zu viel die gute Laune und konsequente Zuversicht, die es braucht, um seinen Problemen zu entwachsen. Zwar fokussiert Rothemund realistisch auf das Phänomen Autismus und die dadurch gestresste Familie, Jasons Mutter Fatime (Aylin Tezel), die ebenso wie ihr Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs steht, etabliert aber sehr schnell über den gutmütigen Großvater Gerd (Joachim Król) einen dankbaren, aber überstrapazierten Puffer. Wie in vielen deutschen »Problemfilmen«, man denke etwa an Til Schweigers Lieber Kurt, vertraut der Regisseur auch hier nicht seiner an sich starken Geschichte, sondern unterlegt fast konsequent und zunehmend unerträglich jede Szene mit einem die Dialoge und ihre Inhalte verstärkenden Score.
Das ändert sich zum Glück mit den Zugfahrten in die Fußballstadien Deutschlands (und dann auch Europas), durch den Wochenendrebellen zu einem der raren deutschen Sportfilme wird, derer es viel zu wenig gibt, und einen ebenso raren Einblick in die faszinierende Fußballfanpsychologie gibt und natürlich auch über seinen Helden klar macht, dass Sport und erst recht Fußball durchaus therapeutische Qualitäten haben kann.
Gerade die On-the-road-Szenen entwickeln eine sehenswerte, über Fitz und Andresen hervorragend umgesetzte, enervierende Authentizität, durch die auch endlich das gute-Laune-Diktat wegfällt, etwa in der eindringlichen Speisewagenszene, in der Jason nicht nur seinem Vater die Grenzen friedlicher Kommunikation aufzeigt.
Dennoch fällt Wochenendrebellen nach solchen Szenen immer wieder und erstaunlich konsequent in den Tonfall und die Ästhetik betulicher, allzu netter und austauschbarer deutscher TV-Formate ab, gerade, weil nach jeder Grenzüberschreitung dann doch dramaturgisch und inhaltlich zu stark gegengerudert wird, um den Zuschauer nicht allzu sehr zu verstören und vielleicht auch, um eine größere Zielgruppe zu erreichen, dann doch auch als Familienfilm zu funktionieren. Sichtbar wird dieses Defizit vor allem im Vergleich zu einem Klassiker wie Rain Man oder der koreanischen Serie MOVE TO HEAVEN, die ahnen lassen, dass Wochenendrebellen mit mehr Rebellion und Risiko der bessere Film gewesen wäre.