The Woman in the Yard

USA 2025 · 88 min. · FSK: ab 16
Regie: Jaume Collet-Serra
Drehbuch:
Kamera: Pawel Pogorzelski
Darsteller: Danielle Deadwyler, Okwui Okpokwasili, Russell Hornsby, Peyton Jackson, Estella Kahiha u.a.
The Woman in the Yard
Wenn man genau hinsieht, bewegen sich die Hände
(Foto: Universal Pictures)

Schauriger Eindringling

Simple Prämisse, effektiver Grusel: Im Horrorfilm »The Woman in the Yard« wird eine trauernde Familie von einem Gespenst heimgesucht

Manchmal entspringt der größte Horror ganz einfachen Situa­tionen. Oder wie hier: einem einzelnen Bild. Auf einmal sitzt bei strah­lendem Sonnen­schein eine Fremde vor dem Haus. Ganz in Schwarz ist sie gekleidet, während sie reglos auf ihrem Stuhl lauert und einer Familie das Leben zur Hölle macht. The Woman in the Yard kommt mit einer Handvoll Darstel­le­rinnen und Darsteller aus, spielt an einem einzelnen Schau­platz und entspinnt sich (bis auf wenige Rück­blenden) quasi in Echtzeit. Ein eng abge­stecktes Szenario also; perfekt für das Blumhouse-Produk­ti­ons­studio, das bekannt ist für seine Horror­filme, die in der Regel nicht allzu viel kosten und umso lukra­tiver an den Kassen performen. Mini­ma­lis­ti­sches Konzept, maximale Bedrohung, lautet die Maxime dieses Films und sie geht lange Zeit erstaun­lich gut auf! Natürlich gruselt der Horror auch hier vor allem so lange, wie der Schrecken noch ungreifbar und seine Herkunft ein Mysterium bleibt.

Jene Familie, das sind die Mutter Ramona, ihr Sohn Tay und die jüngere Tochter Annie, muss den Unfalltod des Vaters verkraften. Der Traum vom eigenen Paradies, ein Gehöft inmitten idyl­li­scher Natur, liegt plötzlich in Trümmern. Ramona selbst hat den Auto­un­fall mit schweren Verlet­zungen überlebt. In ihrer getrübten Wahr­neh­mung quillt noch immer Blut aus der vernähten Beinwunde und die Haupt­dar­stel­lerin Danielle Deadwyler zeigt dabei eine eindring­liche schau­spie­le­ri­sche Leistung. Sowohl in ihren leidenden, schmerz- und hass­erfüllten Blicken, die immer seltener unter der Fassade der gefassten Mutter­rolle verborgen werden können, als auch in der Körper­lich­keit, mit der sie auf der Leinwand auftritt. Ein sinn­bild­li­ches, schweres Gewicht legt sie auf ihre künstlich vernarbten Glied­maßen, während sie sich auf Krücken durch das heim­ge­suchte Haus und Grund­stück schleppt. Jeder humpelnde Schritt lässt die Last und den Kummer ihrer Figur spürbar werden. Und nun stellt sich die Frage: Ist das einfach eine weitere Trauer- und Trauma-Erzählung, von denen es im Genrekino seit Jahren nur so wimmelt? Der Auftakt legt das zumindest nahe.

Mehr als ein Trau­er­film

Während die Familie versucht, ihre Trauer um den toten Vater beiseite zu schieben und ihren Alltag zu bewäl­tigen, taucht plötzlich das eingangs beschrie­bene Schreck­ge­spenst auf und scheint das ganze unter­schwel­lige Trübsal eska­lieren zu lassen. Der Tod höchst­per­sön­lich könnte das sein, der dort plötzlich im Hof sitzt und Terror verbreitet. »Heute ist der Tag«, murmelt er bedeu­tungs­schwer. Oder ist das doch eine Zauberin, die Übles im Schilde führt? Mit eigen­ar­tigen Licht­spielen bezirzt sie die Bewohner des Farm­hauses. Allein ihre Schatten scheinen Gegen­s­tände bewegen zu können. The Woman in the Yard weiß, seinen Horror zunächst sehr effektiv um räumliche Distanzen zu entwi­ckeln. Die Kamera von Pawel Pogor­zelski kreiert in ihren abson­der­lich verscho­benen Winkeln und Perspek­tiven ein raffi­niertes Unbehagen. Mit verzerrten Totalen, Blicken von Oben und der Annähe­rung an ebenjene Schatten, die den Hof über­ziehen, umspielt sie die Unnah­bar­keit und Rätsel­haf­tig­keit der gespens­ti­schen Frau­en­ge­stalt. Und natürlich stößt selbst die Nahauf­nahme hier an unbe­hag­liche Grenzen, wenn ein pech­schwarze Schleier die Identität der Frau verhüllt. Also wird The Woman in the Yard zu einem Film der Paranoia und Beob­ach­tung. Man legt sich am Fenster auf die Lauer, sieht zu, was das Gespenst wohl treiben wird. Und Stück für Stück sitzt es plötzlich näher am Haus.

Fürsorge und Todes­trieb

Die Regie­ar­beit von Jaume Collett-Serra, der bislang neben House of Wax und Orphan – Das Waisen­kind vor allem im Action- und Thriller-Kino zu Hause war, meistert jeden­falls einen inter­es­santen Genre-Mix. Er kombi­niert eine Spuk­ge­schichte mit einem Home-Invasion-Kampf gegen den Eindring­ling und lässt sie schließ­lich in einem psycho­lo­gi­schen Drama münden. Nicht die Schat­ten­spiele, die Klauen der Geis­ter­frau und die akus­ti­schen Schocks sind der eigent­liche Grusel dieses Films. Statt­dessen verlässt sich The Woman in the Yard auf den Schrecken der Mutter­schaft und der Kern­fa­milie, wie es so viele Filme in den letzten Jahren getan haben, spätes­tens seit Ari Asters Heredi­tary kanonisch wurde. Regret­ting Mother­hood, als das Verbinden von Mutter­schaft mit Zweifeln, Reue, Ängsten und allgemein negativen Gefühlen ist in sozio­lo­gi­schen und femi­nis­ti­schen Diskursen der jüngeren Vergan­gen­heit zu einem markanten Begriff geworden. Auch The Woman in the Yard will im weitesten Sinne an solche Diskurse anknüpfen, wenn­gleich es ihm gar nicht allein um die Mutter­schaft an sich geht. Dort spielt der ganze Wust an Verlust­er­fah­rungen, Zweifeln, Ängsten, erdrü­ckenden und geplatzten Lebens­ent­würfen mit hinein und lässt das Mitein­ander zum emotio­nalen Pulver­fass werden. Wieder also sieht sich eine Familie mit ihrer dunklen Kehrseite konfron­tiert.

Das ist effekt­voll und in seiner Bedroh­lich­keit intensiv aufbe­reitet, aber als Thema in der aktuellen Filmwelt gewiss kein bahn­bre­chendes Wagnis. Es mutet inzwi­schen wie Horror-Standard-Einerlei an. Dazu verengt es den zunächst so wunderbar rätsel­haft schwe­benden Grusel etwas zu sehr in Richtung einer frag­wür­digen Selbst­the­rapie. Denn zu den Marotten des Films gehört ebenso der pflicht­be­wusste Abspann-Verweis auf Hilfs­an­ge­bote bei psychi­schen Problemen und Suizid­ge­danken, während das eigent­liche Narrativ vor allem zele­briert, wie das gequälte, tabu­bre­chende Ich sich selbst und aus eigenem Antrieb heraus zu zähmen hat. Alles, um wieder als gesell­schafts­taug­lich zu gelten. Bequem für ein unbe­tei­ligtes Kino­pu­blikum. Zu bequem! Ganz so finster, wie es zwischen­durch anmutet, will The Woman in the Yard dann doch nicht werden. Bloß gut, dass seine finalen Durst­stre­cken und laut polternden Wahn­vor­stel­lungen, die sich immer tiefer in die Psyche der Haupt­figur graben, die starken Momente bis dahin nicht allzu gravie­rend schmälern. Momente, in denen sich der vermeint­lich gut behütete Raum gegen seine Bewohner richtet. Und jene Momente, in denen die Fürsorge zur zerstö­re­ri­schen Kraft und zum Todes­trieb verkommt. Die Angst vor dem verbor­genen, anderen Ich – noch so ein beliebter Horror-Topos – übersetzt diese charmante, kleine filmische Schau­er­no­velle in einige erschüt­ternde Bilder.