USA 2008 · 105 min. · FSK: ab 12 Regie: Darren Aronofsky Drehbuch: Robert D. Siegel Kamera: Maryse Alberti Darsteller: Mickey Rourke, Marisa Tomei, Evan Rachel Wood, Mark Margolis, Todd Barry u.a. |
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I'm still standing: Randy »The Ram« (Mickey Rourke) |
Selbst die virtuellen Körper altern. Wenn schon sein geschundener realer Leib dem Vergehen der Jahre immer mehr Tribut zollen muss, so hätte doch Randy »The Ram« Robinson wohl gehofft, dass dessen Abbilder ein Ding für die Ewigkeit seien. Aber wenn auch sein Pixel-Alter Ego völlig unermüdlich auf Knopfdruck genauso munter, hoch und schnell hüpft, so kräftig tritt und schlägt wie eh und je – was hilft das, wenn dieser Bildröhren-Body auf 8-Bit Technologie basiert? Die Tage von
Randys Ruhm waren noch die Tage des Nintendo Entertainment System. Das Wrestling-Game, das ihn da schein-verewigt hat, ist so hoffnungslos veraltet wie die Konsole, auf der es lief. Den Nachbarsjungen, den Randy immer wieder zum Spielen überredet, lockt er damit nicht mehr wirklich hinter dem Ofen hervor. Der würde lieber »Call of Duty 4« auf der aktuellen Xbox zocken. Für den ist die Blöckchengrafik nicht weniger Zeichen von Alter, als es Falten, Narben und müde Muskeln sind.
Ein
ander Mal sitzen Randy und ein paar Wrestler-Kollegen von damals, ein paar nicht minder abgehalfterte, angeschrammte Ex-Stars, in einer Turnhalle und halten Hof für die letzten Treuen der Fans, die sich dorthin verirren, um sich Autogramme und Fotos mit ihren Idolen zu holen – gegen Geld, versteht sich. Ein lächerlich geringes Zubrot für die einstigen Großverdiener der Szene. Sie verkaufen dort auch Filme von ihren einstigen Erfolgen, Heldentaten. Diese Filme sind auf
VHS-Kassetten. Auch hier ist die Zeit gnadenlos – ist die Technologie kein Verbündeter im Ringen gegen den Verfall.
Wenn aber schon die virtuellen Körper von der Zeit so wenig verschont bleiben – wie ungleich unbarmherziger ist sie dann erst zum realen menschlichen Fleisch.
The Wrestler ist zuallererst ein Film über Narben. Über die sichtbaren und die unsichtbaren, wie könnte es anders sein – aber zunächst einmal konsequent über die sichtbaren. Es ist ein Film von atemberaubender, schonungsloser Körperlichkeit – voller Schweiß und Blut, ein
Film, den man so sehr zu spüren und zu riechen scheint wie zu sehen.
Lange darf man erstmal miterleben, was Randys Körper so kaputt gemacht hat: Einerseits das knochenharte Wrestling an sich – und weil er in der Topliga schon lange nicht mehr mithalten kann, weil es dort jüngere und fittere Performer braucht, mit einem frischeren, zeitgemäßeren Image, deshalb ist Randy inzwischen in den Niederungen des Extreme Wrestling angekommen, wo echtes Blut zur Show, wo zu den Requisiten
Stacheldraht und Tackerpistolen gehören. Andererseits setzt Randy der in diesem Business gängige Gebrauch zu von Steroiden und anderen Pharmaerzeugnissen, die nicht aus der Apotheke auf Rezept besorgt werden. Was ihn einst fitter machen sollte, als die Natur es ohne Nachhilfe erlaubte, verlangt jetzt zunehmend seinen Tribut.
The Wrestler, wie gesagt, behauptet diesen Körperstress nicht nur, er macht ihn fühlbar – genauso wie den Adrenalin-Kick, den
diese atavistischen Kampfspektakel verursachen. Schmerz und Faszination sind da untrennbar miteinander verbunden. Und als Randy schließlich an dem Punkt ist, da er erfährt, dass er seinem Leib endgültig zulange zuviel zugemutet hat, da ist das für den Zuschauer nicht einfach nur eine Drehbuchsituation, ein dramaturgischer Ausgangspunkt. Da fühlt man längst in jeder Hinsicht mit ihm, da kann man die Schmerzen und die Müdigkeit der Glieder so stark nachvollziehen wie Randys
Sucht nach seinem Sport. Denn nicht, dass er zu alt wird für seinen Beruf ist Randys Problem. Sein Problem ist, dass er nichts anderes kann, dass er nicht anders kann. Das Wrestling ist seine Berufung.
Es ist keine geringe Überraschung, dass The Wrestler ein Film von Darren Aronovsky ist. Der hat sich als Regisseur ja bisher durch extrem stilisierte, artifizielle Filmen wie Pi, Requiem for a Dream und The Fountain hervorgetan – Filme, in denen die Regie, die Bilder und der Schnitt die wahre Hauptrolle spielten. Umso erstaunlicher nicht nur, dass er sich nun eines Stoffs mit solch starker Bodenhaftung annimmt. Sondern vor allem, dass er es mit solcher von ihm ganz ungewohnter stilistischer Zurückhaltung tut.
Aronovsky hat exakt begriffen, was dieser Film braucht: Das Gefühl von Wahrhaftigkeit. Und das gibt er ihm in jedem
Moment. Da mieft nichts nach Studio, Filmset oder gar Hollywood. Da scheint alles so in der tristen Wirklichkeit des Suburbias von New Jersey angekommen wie sein Protagonist. Da atmet jedes Detail Authentizität, hängt in jeder Tapete, in jedem Mehrzweckhallenfußboden das echte Gefühl von Versagen und stiller Verzweiflung.
Und die Zurückhaltung, die Aronofsky Kamera und Schnitt auferlegt, die verlangt er auch seinen Darstellern ab: Er weiß immer genau, wo ein Wort mehr, eine
etwas größere Geste zuviel gewesen wäre. Da stimmt jede halberhaschte Berührung auf den Millimeter.
Wäre das nicht so, wäre The Wrestler in die falschen Hände gefallen, hätte das Drehbuch vermutlich auch das Zeug gehabt zu einem unüberzeugenden, süßlichen, manchmal etwas klischeehaften TV-Movie der Woche. Dass er davon meilenweit entfernt ist, liegt freilich nicht nur an Aronofskys Regie: Es liegt an Mickey Rourke.
Man kann sich nurmehr schwer vorstellen, dass überhaupt je jemand an eine andere Besetzung von Randy »The Ram« auch nur denken konnte. Jeder
andere hätte diese Rolle nur gespielt. Mickey Rourke ist Randy.
Das ist wie beim Wrestling, das ja auch eine eigentlich gar nicht so unkomplexe Melange aus Fiktion und Realität ist: Freilich ist der Ausgang des Matches abgesprochen, oft bis in die einzelnen Moves hinein choreographiert, freilich spielen die Akteure im Ring nur ihre Charaktere. Aber die Akrobatik ist deswegen nicht minder beeindruckend, ein Sprung aus mehreren Metern Höhe bleibt ein Sprung aus mehreren Metern
Höhe.
Und freilich hat sich Mickey Rourke nicht einfach so, wie er ist, vor die Kamera gestellt. Aber Film ist eben immer zu einem gewissen Anteil auch ein dokumentarisches, weil fotografisches Medium, und Rourke war schon immer durch und durch ein FILMschauspieler: Einer, der wirkt über das, was er aus seinem Leben, aus seiner Persönlichkeit ins Gesicht und auf den Leib geschrieben mitbringt. Er war schon in Adrian Lynes konservativem, aseptischen »Konsum ist geil«-Porno
9 1/2 Weeks das eine bisschen wahre, dreckige Körperlichkeit. Und mit jedem Exzess und jedem Rückschlag, mit jeder bizarren Volte, die er seiner Karriere und seiner Biografie gab, hat sich nur noch mehr Erfahrung, noch mehr Geschichte abgelagert.
Seine Muskeln sind nicht die eines Hollywood-Stars, der sie sich mal eben für den Part antrainiert hat. Seine Muskeln sind die von einem, der immer wieder geschwankt hat zwischen einer Karriere im Kino oder als Boxer,
der selbst als er schon viel zu alt dafür war nochmal meinte, in den Ring steigen zu müssen.
Man kann nur hoffen, dass The Wrestler nun wirklich das Comeback für Rourke ist, von dem seit dem Sieg des Films in Venedig alle sprechen. Sollte dabei aber nicht vergessen, dass Rourke die letzten Jahre nie wirklich weg war, dass er so viele Filme mit teils bizarren (Double Team, ohnehin ein bizarrer Film), teils großartigen (The Rainmaker, Get Carter, The Pledge) Gastauftritten veredelt hat, und dass es schon bei Spun hieß: Das ist das Comeback eines
geläuterten Mickey Rourkes.
Denn, ja, Rourke ist selbstverständlich auch wie Randy »The Ram« Robinson eine ehemalige Ikon der ‘80er, die in Ungnade gefallen ist, die von den höchsten Höhen des Ruhms sich nach ziemlich weit unten gearbeitet hat und um ihren bescheidenen Platz im Showbusiness kämpfen muss.
(Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass The Wrestler – durch den Guns'n'Roses irgendwie unterschwellig wie ein unsichtbarer
Schutzpatron des unverbesserlichen Hairmetal-Fans Randys schwurbeln – fast zeitgleich mit Axl Roses kurioser Selbstdemontage »Chineses Democracy« erschienen ist; noch so einer aus der Ära Hulk Hogans, der nicht aufhören kann...)
Mickey Rourke verkörpert im wahrsten Sinne des Wortes Randy »The Ram«. Die Schrammen der beiden, äußerlich wie innerlich, sind über weite Strecken deckungsgleich, und der Film ist sich voll dessen bewusst, dass dies zu den wichtigsten
Posten auf seiner Haben-Seite gehört.
The Wrestler wäre durch all das schon alleine ein großartiger Film, selbst wenn er narrativ einfach nur jenen Weg gehen würde, der ihm, von Anfang an, von den vertrauten Hollywood-Mustern her, vorgezeichnet scheint: Wenn er eine jener üblichen Geschichten erzählen würde von einem Mensch, der durch eine Krise zu sich und seiner entfremdeten Familie, der durch die Liebe zu einem neuen Sinn findet.
Doch The Wrestler hat ein anderes Ziel vor
Augen, The Wrestler glaubt letzten Endes nicht an diese Patentlösung. Das Angebot dazu allerdings scheint offensichtlich genug: Da ist die Stripperin Cassidy (die wunderbare Marisa Tomei), mit der Randy offensichtlich schon lange eine etwas komplizierte halb geschäftliche, halb freundschaftliche Beziehung verbindet. Auch sie ist in einem Geschäft, das wenig Mitleid hat für alternde Körper, auch sie ist an dem Punkt, wo das unvermeidliche Ende ihres Berufs
abzusehen ist – aber nicht das Leben danach. Da wären zwei, die wüssten wie das ist, wenn der eigene Leib in jeglicher, auch finanzieller Hinsicht die Existenzgrundlage ist, und wenn deren Verfall, wie man’s nimmt, zu schnell oder zu langsam geht: Zu schnell, weil er das Bedürfnis überholt, seiner Tätigkeit weiter nachzugehen. Zu langsam, weil sich dennoch Jahre an weiterer Lebenserwartung auftun, die mit irgendetwas gefüllt sein wollen. Es scheinen die beiden eigentlich
eine ideale Kombination, um – wie man so sagt – gemeinsam alt zu werden.
Und da ist Randys entfremdete Tochter Stephanie (Evan Rachel Wood), die einerseits froh ist, dass sie sich endlich ein Leben geschaffen hat, aus dem die Existenz ihres Vaters schlichtweg getilgt ist. Die aber andererseits insgeheim, ganz tief drinnen, noch immer darauf wartet und hofft, dass er wieder auftaucht darin und endlich die Rolle spielt, die ihm eigentlich zugedacht wäre. Randys Versuche,
genau das zu tun, sind freilich so unbeholfen, so rührend und brutal daneben zugleich, wie die Bemühungen eines Elefanten, dem Besitzer eines von ihm unabsichtlich zertrampelten Porzellanladens beim Wiederaufbau zu helfen.
Aber The Wrestler traut sich zu sagen: Es gibt Dinge, die können manche Menschen, und Dinge, die können sie nicht. Die sind ihnen nicht gegeben. Auch zu Liebe und Familie gehört ein Talent – das sind nicht die magischen
Alles(wieder)gutmacher für jeden.
Es gibt für manche Menschen andere Leidenschaften, andere Begabungen. Und es kann sein, dass diese sie einsam machen. Dass sie nicht in ihre Zeit und Welt passen. Und dass sie nicht gesund für sie sind.
Aber wenn man schon nicht wirklich die Wahl hat, dann soll man, verdammt noch mal, das tun, was man kann und was einen so glücklich macht, wie’s halt nunmal geht.
Und dass The Wrestler dazu den Mut hat, das macht ihn von
einem großartigen Film zu einem wahrhaft großen.
Nach einem Vorspann, der ganz im Stil der 80er Jahre gehalten ist, bei dem zu völlig veralteter Rockmusik Fotos und Poster aus Randy 'The Ram' Robinsons Wrestler-Karriere dem Zuschauer gezeigt werden, ist eigentlich alles schon vorbei. Das Bild bleibt einen Moment lang schwarz und man hört ein röchelndes Husten kurz bevor man sich auch visuell in einer völlig zerstörten Welt eines um 20 Jahre älteren Mannes wiederfindet. Die großen Hallen der Vergangenheit sind zu schäbigen Provinz-Turnhallen geworden. Der einstige Star wohnt nun in einem winzigen Trailer und lebt nur noch in der Vergangenheit der 80er Jahre. Er hat eine künstliche, grellblond gefärbte Matte auf dem Kopf, unter seinem Fernseher steht ein uralter Nintendo, er legt scheinbar nur fürchterlichste Hair-Metal-Bands auf, trägt ein Hörgerät, das er bei seinen Auftritten ablegt, als würde das etwas an seiner Situation verändern. Mit der Gegenwart hat dieser Mann schon lange nichts mehr zu tun.
Vieles wurde bereits geschrieben über Darren Aronofskys vierten Kinofilm und vor allem über den Hauptdarsteller Mickey Rourke, dessen Leistung als Wiederauferstehung gefeiert wurde. Aus der Geschichte hätte problemlos ein ziemlich klischeehaftes Sportlerdrama der Marke »Rocky« werden können. Zwar weicht hier die naive Heldengeschichte dem schonungslosen Sezieren des körperlichen Verfalls des einstigen Helden, auch wird das Leben an der Grenze zur Armut thematisiert und nicht zuletzt der routinierte Kauf und die Einnahme von Steroiden und sonstigen Dopingmitteln. Dennoch ist das Drehbuch keineswegs die Stärke des Films, was sich vor allem gegen Ende von The Wrestler bemerkbar macht: Hier ist der Film schon nahe am Kitsch und wird hauptsächlich durch Mickey Rourke gerettet.
Überhaupt: Wer interessiert sich heutzutage noch für Wrestling, diese seltsame Mischung aus Sport und Show, die vor Ewigkeiten sogar in Europa mehr oder weniger populär gewesen ist? Aber darum geht es eigentlich nicht. Der Film zeigt zwar in einigen Szenen den Alltag von eher erfolglosen Berufswrestlern, zeigt sie in der Umkleidekabine und präsentiert ihre Absprachen vor den Kämpfen, die wiederum trotz aller Gefälschtheit äußerst anstrengend und stellenweise sehr brutal dargestellt werden. Selbst eher unbekannte Einzelheiten werden dem Zuschauer präsentiert, wie beispielsweise sich im Ring heimlich selbst zu verletzen, um den Kampf realistischer werden zu lassen mittels versteckten Rasierklingen. Aber das, was den Film letzten Endes ausmacht, geht über eine Milieustudie weit hinaus.
Dass der Film funktioniert liegt an Regisseur Darren Aronofsky und natürlich an Mickey Rourke. In der Tat würde der Film ohne seinen auferstandenen Star nicht annähernd so funktionieren wie mit ihm. Kaum vorstellbar, wie der Film geworden wäre, wenn die Hauptrolle wie zunächst vorgesehen von Nicolas Cage übernommen worden wäre. Dabei geht es zunächst noch nicht mal um die schauspielerische Leistung Rourkes, sondern um die Parallelen zwischen dem Schauspieler und seiner Figur. Rourkes tiefer Fall Anfang der Neunziger Jahre, seine Alkohol- und Drogenprobleme und seine zum Scheitern verurteilten Versuche als Boxer führten dazu, dass wohl kaum jemand noch an ihn als Schauspieler geglaubt hatte. Selbst die stark beachtete Darstellung in der Comic-Verfilmung Sin City hatte nicht die Qualität eines Comebacks, da hier durch zu viel Bluescreen und Make-Up der Schauspieler verdeckt wurde. Es ist schon traurig, dass jüngere Generationen ihn höchstens als Prolet in B-Movies sehen konnten, dass man ihn im Internet als Paradebeispiel für missglückte Schönheitsoperationen fand (und natürlich immer noch findet), dass es zuletzt kaum vorstellbar war, dass dieser Mann mit dem entstellten Gesicht einst als hervorragender Schauspieler gefeiert worden ist. Nun, dass Letzteres seine Richtigkeit nach wie vor hat, konnte Mickey Rourke in Aronofskys Film bewiesen. Und genau wie die Geschichte von Mickey Rourke ist auch die Geschichte von Randy 'The Ram' Robinson eine tragische Angelegenheit.
Neben Rourke verblasst der Rest des hochkarätigen Schauspieler-Ensembles völlig. Marisa Tomei spielt zwar nicht in vielen Szenen mit, hat aber doch eine zentrale Rolle. Man könnte sie als das weibliche Pendant zur Hauptfigur sehen, allerdings ist sie bei weitem nicht so durchstrukturiert. Es wäre leicht, sich über ihre Rolle lustig zu machen, da es in der letzten Zeit kaum einen Film mit ihr zu geben scheint, in dem sie nicht nackt zu sehen ist. Aber die Figur macht im Kontext der Geschichte wieder Sinn, denn es geht hier um alternde Körper mit denen immer weniger und schließlich kein Geld mehr zu verdienen ist. Mehrfach wird die Stripperin im Club bei ihren vergeblichen Versuchen gezeigt, Kunden für einen privaten Tanz zu bekommen. Gleich bei ihrem ersten Auftritt im Film mokieren sich die Teilnehmer eines Junggesellenabschieds über ihr Alter. Ihre eher ablehnende Reaktion, als Randy von seinem Herzinfarkt erzählt, ist nur folgerichtig, da beide Charaktere dieselben Probleme haben, und es ihnen mehr oder weniger unmöglich ist, der Realität ins Gesicht zu sehen. Das erste wirklich ernsthafte Gespräch endet mit Plattitüden, die ganz offensichtlich keine der beiden Figuren überzeugt. Dabei spielt Marisa Tomei sehr überzeugend das Schwanken zwischen Empathie und der professionellen Freundlichkeit, die ihr durch den Beruf aufgezwungen wird. Evan Rachel Wood überzeugt zwar als Tochter Randys, allerdings drücken die Szenen mit ihr sehr stark auf die Tränendrüse. Für den Film ist es dadurch vorteilhaft, dass der Handlungsstrang zwischen Vater und Tochter nicht ausführlicher geraten ist und diese Geschichte endet, nachdem das Nötige gesagt worden ist.
Dennoch sollte bei dem ganzen Lob auf den Hauptdarsteller Regie und Kameraarbeit nicht vergessen werden, denn so zurückgenommen der Film auch inszeniert ist, lebt er doch von den Freiheiten, die der Hauptfigur hier gegeben werden. Der Erzählrhythmus dabei ist sehr durchdacht und ausgewogen, fällt nur im letzten Drittel qualitativ etwas ab. Die Kameraführung ist sehr organisch und konzentriert sich ganz auf den Kern des Films: seine Hauptfigur. Selbst in ruhigen Einstellungen bleibt die Kamera leicht in Bewegung, was zur dokumentarischen Wirkung des Films beiträgt. Sehr oft bleibt die Kamera dicht hinter Randy, folgt ihm wie in einem Interview für das Fernsehen. Schwenks sind sehr deutlich sichtbar, an einer Stelle wird sogar ein Zoom verwendet, was in heutigen Produktionen eigentlich überhaupt nicht mehr geschieht. Auch die ungewöhnliche Länge der Einstellungen entspricht ganz und gar nicht den Konventionen einer Hollywood-Produktion. Vor allem im Bereich des Dokumentarfilms bekannt ist die Kamerafrau Maryse Alberti und im Rahmen der Produktionsbedingungen und dem Konzept des Films absolut die richtige Wahl. Es ist schon beeindruckend, mit welchem Mut zur ausgestellten Hässlichkeit die Kamera in Detail-Aufnahmen rücksichtslos über den alternden, verbrauchten Körper Randys fährt – und damit immer auch Mickey Rourke zur Schau gestellt wird. Randy Robinson ist ein aufgepumptes Wrack, seine Bräune sieht krank aus, seine Muskeln wirken unnatürlich und überall sind Narben zu sehen.
Obwohl The Wrestler ohne ausgiebige stilistische Spielereien wie in Darren Aronofskys Vorgängerfilmen Pi – Der Film und Requiem for a Dream auskommt, ist der Film auf den zweiten Blick gar nicht so weit entfernt vom restlichen Oeuvre des Regisseurs. Auffallend und von der Kritik weitgehend unbeachtet geblieben ist beispielweise eine für Aronofsky typische, besonders durchstrukturierte Soundspur des Films: Leitmotivisch taucht immer wieder Musik auf, Randys Zusammenbruch wird von einem akustischen Geräusch begleitet, ebenso das Einsetzen des Hörgeräts. Insgesamt pendelt der Film zwischen lauten Geräuschkulissen, die oft von charakteristischer Musik ausgefüllt sind, und einer eigenartigen Stille, die durch diese Kontrastierung zusätzlich hervorgehoben wird. Oft werden Szenen auch über die Akustik eingeleitet und charakterisiert: Beispielsweise das Husten zu Beginn des Filmes lässt den Zuschauer noch vor der ersten Einstellung bereits ahnen, dass die guten Zeiten für Randy Robinson vorbei sind.
Das Unglaubliche an dem Film ist, dass es sich hier um eine US-Produktion handelt, die mit dem Budget von nur sechs Millionen Dollar etwas geschafft hat, was man von Hollywood nicht wirklich mehr erwartet: Einen Film, der sich ganz auf die Geschichte konzentriert – auf eine ungeschminkte Verlierergeschichte. Darren Aronofskys The Wrestler, zweifellos schon jetzt einer der besten Filme des Jahres wird getragen von einer grandiosen schauspielerischen Leistung. Mag sein, dass zu Beginn des Films die Heldengeschichte längst vorbei ist. Die interessantere Geschichte fängt aber erst an!