Deutschland 2009 · 94 min. · FSK: ab 12 Regie: Uli Edel Drehbuch: Bernd Eichinger Musik: Bushido Kamera: Rainer Klausmann Darsteller: Bushido, Elyas M'Barek, Moritz Bleibtreu, Hannelore Elsner, Mina Tander u.a. |
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Unfreiwilliger Volltrash |
»Sex, Friseur, Solarium, dann zocken« – so sieht ein perfekter Tag im Leben von Bushido aus – zumindest laut dem Magzin Neon, das dem Rapper jetzt einen schönen, entlarvenden Text mit dem Titel »Das Vorzeigearschloch« gewidmet hat. In Uli Edels Film gibt es von alldem nichts, nur ein bisschen Sex auf einem Orientteppich, eine Szene, mit der sich die Darstellerin Karoline Schuch ihre Karriere, wenn sie denn eine hatte, ruiniert haben dürfte. Wenn Zeiten ändern Dich einfach ein schlechter Film wäre, wäre das keine Überraschung. Überraschend ist, wie weichgespült und soft, wie lahm, wie uninteressant dies alles daher kommt. Ein Film, um es Mal in Bushidos Diktion zu sagen, ohne Eier, schwul. Von Opfern für Opfer.
»Gucken Sie sich mal an, wie billig das ist. Genau wie ne Olle, die in die Disco geht, sich an die Bar setzt, ein bisschen Titten zeigt und alles umsonst bekommt. Die weiß einfach, wie sie’s machen muss. Ich krieg zwar nicht alles umsonst, aber ich weiß auch, wie ich’s machen muss.« – Bushido
Nein, Bushido ist nicht gerade der Typ des Lieblingsschwiegersohns, eher ist er einer von denen, vor denen uns unsere Mütter immer gewarnt haben. Und dieser Film funktioniert nicht zuletzt als Anleitung zum Konservativsein: Oder muss man sich nicht fragen, was eigentlich los ist mit einer Gesellschaft, in der überhaupt Filme über Leute wie Bushido gemacht werden?
Klar, das ist humorlos. Aber ist Bushido ein Meister des Humors? Es ist ja nicht unbedingt humorig gemeint, auch wenn es dann als Realsatire funktioniert, wenn Bushido auf dem Bayerischen Filmpreis mit Horst Seehofer plaudert. Zumindest haben Seehofer und Bushido gemeinsam, dass sie auf Interviews gerne als große Provokateure des Zeitgeists auftreten und mit Vorliebe den Satz »Es gibt keine Tabus« sagen.
»Es gibt keine Tabus«, das heißt bei Bushido, der das Kunststück schafft, CSU und Grüne zu einer schwarzgrünen Koalition zu vereinen, das heißt Sexismus, Antisemitismus, Schwulenfeindlichkeit, Wenn man nur mal den Unsinn zusammenschreibt, den das Großmaul an einem Tag so verzapft: »Ich bin ein Taliban... Ich bin jetzt der Märtryrer! ... Ich würde nie politischen Rap machen. Die Leute können sagen, du klingst rassistisch, nationalistisch, sexistisch, kriminell, damit kann ich leben. Aber wenn sie sagen würden: Du machst politischen Rap – oh mein Gott! ... Paris Hilton, Mann, die ist einfach so'n dummes Stück Fleisch, da bin ich echt Sexist. Ich hätte die einfach gerne für den Geschlechtsakt: erniedrigen und dann tschüss. Aber Angelina Jolie und Jessica Alba und vor allem Eva Longoria... oh mein Gott ey, ich würd' denen die Schuhsohlen küssen! ... Der nächste große Schritt wäre wohl eine Familie. Aber das mache ich nicht leichtfertig. Ich will nicht auf einer Aftershow-Party eine Frau schwängern, mit der ich nicht zusammen leben will.« Und so weiter, ein Stuss-Zitat nach dem anderen. Und jetzt also ein Film über ihn. Bushido lacht sich krank – auf dem Weg zur Bank.
Keiner hat ihn vorher sehen dürfen. Erst einen Tag vor der Premiere am vergangenen Mittwochabend gab es die erste Pressevorführung von Zeiten ändern Dich, und wer in Berlin im Kino saß, konnte dort sogar Moritz Bleibtreu, einem der Hauptdarsteller beim Zugucken zugucken – selbst den Schauspielern hatte man den Film vorab nicht gezeigt. Ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang. Aber, das merkte man dann spätestens bei der Filmvorführung im Premierenkino am Potsdamer Platz, es hatte seine sehr guten Gründe, dass der Constantin-Verleih Bernd Eichingers Kinofilm über Bushido bisher so gut versteckt hielt. Und dass alle, die irgendwie an dem Projekt beteiligt waren, dann einen Maulkorb verpasst bekamen, um ja nicht irgendwelche Anekdoten auszuplaudern – was manche natürlich doch taten: Etwa darüber, wie Bushido mal aus Versehen einen Stuntman k.o. schlug, weil er seine Bewegungen scheinbar nur schlecht koordinieren kann. Oder darüber, dass seine Bodyguards wohl vor allem dafür zuständig sind, notfalls mit Gewalt dafür zu sorgen, dass sich den Frauen, für die sich der Berliner Bürgerschreck interessiert, keine anderen Männer nähern – offenbar fürchtet Bushido Konkurrenz.
Wie in Lost Highway sieht der Beginn aus: Nacht, eine Straße, ein Fahrzeug, die Markierung der Mittelstreifen wird zum Möbiusband. Dann Schnitt in den Rückblick: Ein kleiner Türkenjunge wird im Deutschunterricht gebeten, das deutscheste aller deutschen Gedichte zu deklamieren: Goethes Ballade vom »Erlkönig«. Und er macht daraus – einen Rap! Hübsche Szene, in Hektik verschenkt, denn es geht eigentlich nur um die Schlägerei, die nun beginnt, als ein Mitschüler über »Kanakensprache« lästert, und dann eigentlich nur darum, dass der kleine Bushido, der noch Anis Mohamed Youssef Ferchichi heißt, sagen kann: »Respekt! Wenn Du keinen Respekt hast, bist du ein Niemand, ein Opfer.« Und dann eigentlich nur darum, dass er mit einem Alten auf der Straße folgenden Dialog führen kann: »Andere? Wie geht es der Andere?« – »Krankenhaus« – »Guter Junge.«
Die Sprache, ja die Sprache. Das ist so ein Film, in dem Jugendlichkeit dadurch vermittelt wird, dass eine Figur sagt: »Du bist ja ganz schön krass unterwegs, ey«. Und in dem eine Beziehungsmeinungsverschiedenheit damit gelöst wird, dass die Freundin zum Helden den schönen Satz sagt: »Du willst doch mich ficken, nicht die Gesellschaft.«
Der »11. September« ist schuld. Mal wieder. Glaubt man Uli Edels, von Bernd Eichinger produziertem Film, für den Eichinger auch selbst das Drehbuch schrieb, dann war es das Erlebnis des 11. September 2001 – »das war so krass, das war fast schon virtuell« – das für Bushido zum Damaskuserlebnis wurde: »Danach veröffentlichte ich mein erstes Album.«
Eine sonderbare Betroffenheitsmache, hinter der sich irgendwo eine dreiste Lüge verbirgt. Denn entweder stimmt die Version im Film, in der Bushido von Liebeskummer geplagt in seinem Kinderzimmer in Muttis Wohnung vor sich hinbrütet, und dann von Mami vor den Fernseher gerufen wird, genau in dem Moment, in dem der zweite Flieger in den zweiten WTC-Turm hineinfliegt, oder es stimmen jenen Passagen aus einem Interview mit der Netzzeitung am 8.9.2006:
»Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mir ist es völlig egal, was am 11. September in New York passiert ist. Genauso egal ist mir, ob jemand in Afrika hungert oder in Südamerika im Ghetto abgeknallt wird. Ich bin da nicht, ich lebe da nicht. Mir geht es gut. Ich brauche nicht aufgrund meines angeblich schlechten Gewissens so zu tun, als hätte ich mit irgendeinem gottverdammten Menschen auf dieser Welt Mitleid. ... Der 11. September war für mich ein ganz normaler Tag wie jeder andere auch. Jeden Tag passiert irgendwo irgendwas. Aber es kommt dabei immer auf die Definition an. Und anscheinend werden andere Sachen, die eigentlich genauso schlimm sind, derzeit als weniger schlimm definiert, als zwei Flugzeuge, die ins World Trade Center fliegen.«
Hier ist fast alles drin, was über diesen Bushido-Film zu sagen ist: Das unreife Gerede, die harter-Macho-Pose, und die dramaturgische Glättung der realen Ereignisse.
»Respekt!« – man würde das ja gerne sagen nach diesem Film, denn es ist billig, auf Bushido einzuschimpfen, und wohl auch humorlos. »Respekt!« kann man aber nicht sagen, denn dazu ist dieser Film einfach auf allen Ebenen zu enttäuschend. Einfach ein höchst banales Filmchen, seicht, völlig ohne Dramaturgie, langweilig. Aber vor allem feige. Denn das enttäuschendste an Zeiten ändern Dich ist, dass all die Dinge, die an Bushido im guten Sinne provozieren, die ihn im schlechten Sinn zum Bürgerschreck und zu einer äußerst fragwürdigen öffentlichen Figur machen, hier einfach mal gar nicht vorkommen: Keine frauenfeindliches Sprüche, kein Rassismus, keine Homophobie, kein Ficken, Gangbang, noch nicht mal die prolligen Talkshow-Blödheiten wie »Ich denk an Sex öfters als das ich ans Essen denke«, kein einziger »böser« Song, und auch nicht, dass er die geliebte Mami früher beklaute – sondern nur »Alles wird gut!« und Versöhnungskitsch. Was übrig bleibt, ist ein kleines wichtigtuerisches Würstchen, eine weichgespülte Version eines Rapper-Lebens, in dem »das Ghetto« und »die Straße« nur Behauptung ist. Oder, in Bushidos eigener Diktion: Bushido wird schwul. Ein Opfer!
Bushido rappend auf der Bühne funktioniert prächtig. Da hat er Ausstrahlung, Präsenz, Intensität, Charisma. Abseits der Bühne ist er ein Muttersöhnchen, das ein Spießerleben führt, die Wäsche immer noch von seiner Mami waschen lässt, seine Texte nicht selber schreiben kann, aber fürs Image so tut als ob. Bushido kann übrigens auch nicht sprechen. Er lispelt fast so sehr wie Moritz Rinke. Er ist humorlos, und zu lachen gibt es in Zeiten ändern dich nur unfreiwillig.
Es geht, das ist klar in so einem Film, nicht um Kunst. Aber muss er deshalb so schlecht sein? Muss er zu einem Offenbarungseid für fast alle werden, die hier mitmachen. Reden wir mal kurz über die Schauspieler. Der einzige, der wirklich gut ist, ist Moritz Bleibtreu.
Hannelore Elsner dagegen – unter aller Sau. Wenn sie Tomaten schneidet, sieht Elsner immer schon so aus, als würde sie sich gerade die Nägel feilen, deshalb sollte man sie nicht als Hausfrau besetzen. Aber hier weiß
sie offenbar nicht, in was für einem Film sie welche Rolle spielt, und diese abgründige Ratlosigkeit steht ihr ein ums andere Mal ins Gesicht geschrieben.
Katja Flint, wie Elsner eine Eichinger-Verflossene, die offenbar versorgt werden musste, ist auch so schlecht, dass es noch nicht mal für eine Derrick-Folge gelangt hätte. Uwe Ochsenknecht spielt den Bürgerpapa als handle es sich hier um eine Folge von Dieter Halervordens »Nonstop Nonsens«, was vielleicht gar nicht so falsch ist,
und Martin Semmelrogge hat wieder einen seiner absurden Auftritte als Martin Semmelrogge. Dagegen Mina Tander, die vielleicht das klassischste Gesicht ihrer Generation hat, ist so was von verschenkt, auf wenige Sekunden zurechtgestutzt, die Mutter der Erinnerungsfetzen, die immer wieder vom Vater verprügelt wird, in unscharfen Bildern. Muss sie sich das antun?
Zeiten ändern Dich ist ein prolliger Film, der die kleinen Männerwelten, in denen sich Bushido bewegt, seine Wichtigtuerei nicht ausstellt, und nicht dekonstruiert, auch nicht mit Glamour verklärt, sondern einfach blöde verdoppelt. Ein Film, der rührend naiv um Vatersuche und Versöhnung kreist, der halbstarke Sprüche wie »Dieses Tier war nicht mein Vater« oder »Ich war froh, das er mich schlug, und nicht meine Mutter. Sonst hätt ich ihn wahrscheinlich
umgebracht« mit plumpestem Pathos verbindet: »Vater, du verleugnest deinen Jungen« oder »befreit bist du erst, wenn kein Hass mehr in der Seele ist«.
In dem der Immoralist Bushido Moral predigt: Kein Alkohol, kein Schweinefleisch. Familie, Ehre, Mutterliebe. Wenn der Bub daheim Drogen vercheckt, schmiert die Mutti die Brote dazu. Eine Komödie? Oder können die das ernst meinen?
Es erstaunt bei dem ganzen Authentizitätsfetischismus der Geschichte, wie unauthentisch das dann ist: Schon Bushido ist eine Kunstfigur aus angeschminktem Kriegertum, angeschminktem Ghetto, angeschminkter Provokation, und es ist eigentlich nur lächerlich, wenn ein paar desorientierte Wohlstandskinder ja allen Ernstes glauben, sie seien »Straße«, und sich zu Erniedrigten und Beleidigten stilisieren, um dann Bushido als ihren Sprecher zu akzeptieren. Wer von den eine Million, die Bushidos Autobiographie gekauft haben, ist denn wirklich »Straße«?
Am Ende dann folgt die beste Szene des Films, Bushidos Auftritt mit dem »romantischen Tenor« Karel Gott vor dem Brandenburger Tor. Da singt Gott, angekündigt als »und jetzt die Ray Ban, die Blue Jeans singt für Sie«, »Forever young, eine Leben lang für immer young...« und das ist dann doch noch besser, da schlägt Gott Bushido um Längen, weil er im Gegensatz zu Anis Mohamed Youssef Ferchichi mit sich im Reinen ist.
Laufen wird das Ganze natürlich trotzdem irgendwie. Es gibt genug Neukölln in Deutschland. Aber das ändert, wie immer gar nichts. Zeiten ändern dich ist unfreiwilliger Volltrash. Ein Fall fürs Münchner Werkstattkino, in 20 Jahren.