USA 2009 · 88 min. · FSK: ab 16 Regie: Ruben Fleischer Drehbuch: Rhett Reese, Paul Wernick Kamera: Michael Bonvillain Darsteller: Jesse Eisenberg, Woody Harrelson, Emma Stone, Abigail Breslin, Amber Heard u.a. |
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Serientötung als Komödie |
»Ich wünschte, ich könnte Euch sagen, dass das hier immer noch Amerika ist« – aber nein: Ein missratener Burger ist schuld: rasend schnell verbreitet sich eine Mutation des Rinderwahnsinns unter der Menschheit. Und zunächst trifft es vor allem unsportliche Fettsäcke. Doch bald ist der größte Teil Amerikas von Zombies vernascht – klingt alles ganz realistisch, oder? Aber das ist genau der Moment, an dem diese absurde überdrehte Zombie-Satire einsetzt. Serien-Töten als Komödie.
Man muss unbedingt pünktlich kommen, um den rasanten Vorspann nicht zu verpassen. Der nimmt schon mal ungemein für diesen Film ein: In zunächst mal atemlosen Tempo führt einen die Off-Erzählstimme der Hauptfigur, des Teenie-Nerd Columbus (Jesse Eisenberg) in den Film und durch eine zerstörte Welt. Hier ist die Lage hoffnungslos, aber nicht ernst: Pandemien, Weltwirtschaftskrise, der Klimawandel, und die Überbevölkerung – das alles sind unsere geringsten Probleme. Denn die Welt, bzw die USA, die hier mit dem Globus identisch sind, ist inzwischen von Zombies überrannt worden.
Zombielandvermischt die Figuren und Regeln eines ganz stinknormalen Zombie-Slasher-Films mit denen einer eher anspruchsvolleren Komödie. Geht das? Klar, Zombies sind witzig. Eigentlich auch in Filmen wie 28 Days Later oder in den Filmen George Romeros. Aber unbedingt seit I Am Legend und Filmen wie diesem: Zombies sind selbst zu dumm für die Hauptschule, haben schlechte Haut, einen ungewaschenen Mund und unerzogenes Benehmen, sie schlurfen, sind fett und ungelenk – einfach lachhaft, wie die Figuren in den Dokusoaps bei RTL und SAT-1. Das hat seinen Grund auch darin, dass den beiden Drehbuchautoren Rhett Reese und Paul Wernick ursprünglich eine Fernsehserie vorschwebte, zu dem Zombieland der Pilot-Film werden sollte. Viele Spuren dieser Absicht sind im Film immer noch zurückgeblieben.
Columbus hat 47 überaus strikte »Überlebensregeln für Zombieland«. Nach denen lebt er penibel und mit großem Organisationstalent- und tatsächlich wurde er im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen bisher nicht zum Happy Meal für die Untoten. Tallahassee (Woody Harrelson) scheint dagegen nur eine einzige Regel zu kennen: Zombies töten, wo immer sie auch sein mögen, und das möglichst großkalibrig. Schnell wird der coolen Südstaaten-Redneck, der sich selbst und den Rest der Menschheit nach Ortsnamen benennt, und der a la Marlon Brando in cooler Schlangenmusterlederjacke herumläuft, wie Nicholas Cage in Wild at Heart, zum »starken Partner« (Regel 1) für Columbus. Gemeinsam scheinen Columbus und Tallahassee unschlagbar.
Doch dann werden sie ausgerechnet durch die beiden noch tougheren weiblichen Zombie-Killer Wichita (Emma Stone) und deren kleine Schwester Little Rock (Abigail Breslin) gekidnapped. Auch diese Girlies tun, was sie tun müssen, um zu überleben, ohne auf jemand anderen zu achten. Sie wollen nach Kalifornien, angeblich gibt es dort noch Zombie-freie Zonen. Darum klauen sie Autos und Waffen der Jungs. Doch das Schicksal will es, dass sich die vier immer wieder treffen, und sich in der feindlichen Umgebung zusammen tun. Zunehmend wird der Film zu einem all-american road movie mit ein paar Untoten und diese vier entwurzelten Menschen werden zu einer Art Patchwork-Familie, die gemeinsam nach »Pacific Playland«, einen südkalifornischen Freizeitpark, fahren will: Auch wenn jeder auf seine Weise ganz anderes ist, als der Rest, entdecken sie trotz ihrer anfänglichen Abneigung, dass sie zusammen glücklicher sind. Denn verständlicherweise ist es schön, etwas Gesellschaft zu haben, wenn man es täglich mit Hilfe von vollautomatischen Waffen mit einer Handvoll Zombies aufnehmen muss.
Menschenfreundlichkeit ist eines der Hauptthemen von Zombieland, der von Cloverfield-Kameramann Michael Bonvillains mit rasanter Handkamera ausgezeichnet in Szene gesetzt wird. Allerdings wird hier nicht staatstragend moralisiert, mit schmieriger Musik alles untermalt, was womöglich bedeutungsvoll ist, oder sonstwie dem Zuschauer gepredigt, was er gut zu finden hat. Regisseur Ruben Fleischer – zwar nicht verwandt oder verschwägert mit dem großen Richard Fleischer, aber unübersehbar dessen Bruder im Geiste – gelingt in seinem Debüt ein Film, der zugleich lässig, wie mit einem bemerkenswerten Maß an Disziplin inszeniert ist.
Auch Zombie-Puristen können diese Horrorkomödie genießen, gerade weil sie nicht einfach ein weiterer Ripoff des Genres ist. Sie hält sich an einen großen Teil der traditionellen Regeln, wenn es aber zu Verstößen kommt, dienen diese dem Zweck, das Publikum zu amüsieren. Zombieland ist überdies an tieferen Aussagen nicht interessiert. Endlich einmal Kino für all jene, die ihre größten Schockmomente nicht etwa erleben, wenn die Körperfresser kommen, Glieder weggesägt werden oder Massenvergewaltigungen stattfinden – sondern wenn es auf der Leinwand einmal nicht einfach »nur um Unterhaltung« geht.
Aber Vorsicht, nicht zu früh freuen: Denn es gibt hier auch Monologe. Und die nihilistische Nonchalance, mit der sich dieser Film um Gewalt und »Leben« nicht kümmert, Spaß und Anarchie zelebriert, hat nämlich durchaus einen Hintersinn: Nicht allein die Analyse eines Amerika nach acht Jahren Bush-Regime, schon gar nicht die Angst eines liberalen Amerika, dass sich im ultimativen amerikanischen »Hummer«-Familienpanzerauto verschanzt, sondern das Portrait einer Welt ohne Regeln.
Es macht Spaß, wahllos und ungestraft Sachen zu zerstören. Es macht Spaß, den coolsten »Zombie Kill of the Week« zu feiern. Aber es ist auch absurd, und es wäre völlig falsch verstanden, würde man Haltung dieser wilden Farce mit der ihrer Figuren identifizieren. Gerade darin hat der Film ein Potential zur Transzendenz, dazu, sich selbst zu überschreiten: Dies ist ein Zombie-Film für Zombiefilm-Skeptiker.
Das ruft natürlich all jene auf den Plan, die Gewalt so lange akzeptieren, wie
sie ernst ist, Mitgefühl verursacht, dem Zuschauer Schmerzen bereitet. Dann ist auch ein »Kick« akzeptabel. Wo das Gleiche dagegen »unbeschwert« und »konsequenzlos« »konsumiert« wird, ist es mit einem Mal unzeigbar geworden. Damit kritisiert man dann Tarantino, und kann es dann auch traurig finden, dass in diesem Film die Welt den Bach runter geht.
In Zombieland geht es von Beginn an um Slapstick: Ständig werden Zombies um billiger Lacher willen durch
Zombiejäger umgenietet – wie in schlechten Cowboyfilme die Indianer. Das ist nicht spannend, aber subversiv. Denn ein Zombie-Film ist nicht nur dann eine Parabel auf Konsumgesellschaft und blutrünstigen Kapitalismus, wenn er ernst ist. Die tiefsinnigste, trotzdem witzigste Szene liegt allerdings woanders. Das ist der Besuch der vier in der Beverly-Hills-Villa des Schauspielers Bill Murray, der hier von Bill Murray gespielt wird. Murray ist sehr selbstironisch, macht einen
guten Witz über seinen eigenen Garfield-Auftritt.
Zombieland ist romantisch, witzig, ein Road-Movie und eine Feier des Schlock-Horrors. Nur eines ist der Film nicht: paranoid. Die Zombie-Schurken sind einfach nicht besonders bedrohlich. Dieser Film ist kein »wir-gegen-die-anderen«-Gleichnis, sondern eine integrative Spritztour: Selbst in den Vereinigten Staaten von Zombieland sitzen alle im gleichen Boot. Die Zukunft, in der das alles spielt, ist übrigens nicht weit von uns entfernt: Im Grauman’s Chinese, dem Traditionskino von Los Angeles, läuft gerade Roland Emmerich’s 2012. Und Achtung: Zombies sollen sich hierzulande als Weihnachtsmänner verkleiden.