Zum Sterben schön

Deutschland 1998 · 95 min. · FSK: ab 12
Regie: Friedemann Fromm
Drehbuch:
Darsteller: Natalia Wörner, Michaela May, Thilo Prückner, Irm Hermann u.a.

Entzückter Wahn!

Eine skurril-intel­li­gente Komödie aus München

Jemand dreht an einem Radio, das noch keinen Sender­such­lauf besitzt. Was wir aus eigener Jugend oder vom Anfang zu Pink Floyds »Wish you were here« kennen, eröffnet gleich zu Beginn von Zum Sterben schön ein reiz­volles akus­ti­sches Panorama all dessen, was der Film thema­ti­siert. »Wie herrrlich issst doch derrr Sonntag« singt Karl Valentin, der Sonntag gibt Mut uns und Kraft! Die Hinter­sin­nig­keit Valentins kann auch als Motto des Films gesehen werden.

Schon der Vorspann deutet Klasse und Können der Macher an: die Kombi­na­tion der sich über­la­gernden Stimmen aus dem Off mit den Bildern der Stadt wirft die Frage auf, was München ausmacht: Die wuselnde Innen­stadt im Zeit­raffer, oder schlicht der »Wahnsinn«, der warme Föhn-Wind, die Bavaria in der Abend­sonne, die kühle Nachtluft über der Stadt, die Sechziger, die wahre Natur?

Der Zuschauer folgt dem melan­cho­li­schen Blick des Prot­ago­nis­tens Peter (Andreas Patton) aus dessen Wohn­zim­mer­fenster in das Grün­walder Stadion, das nun leer und verlassen ist. Der Mann steckt in einer tiefen Sinnkrise, soviel wird sofort deutlich: Er, der studierte Jurist ist in seinen vier Wänden von Fanar­ti­keln der »Löwen« umgeben. Seine Aufmerk­sam­keit ist vom Fernseher gefangen genommen: Eine Video­cas­sette doku­men­tiert ihm, daß die rote Karte gegen den Löwen-Stürmer Olaf Bodden nicht berech­tigt war. Sein ausge­bil­detes Gefühl für Gerech­tig­keit ist erschüt­tert...

»Warum mußt du als Sechziger-Fan so viel leiden?«, denkt er sich. (Nun ja, viel­leicht sollte er in Nick Hornbys Buch »fever pitch« nach­schlagen.) Doch anschei­nend ist er noch exis­ten­zi­eller von der Tatsache bedroht, daß für seinen Fußball­verein der Umzug ins Stadion der Bayern ansteht. Eines Tages bekommt Peter von einem alten Onkel die Übernahme eines Bestat­tungs­un­ter­neh­mens angeboten...

Hier beginnt die charmante Rahmen­hand­lung vom erfolg­rei­chen Unter­nehmer wider Willen. Schnell nimmt der erste Todesfall seinen bizarren Verlauf, von der Kamera einge­fangen in poetisch verspielten Bildern und mit sparsam instru­men­tierter Musik im Stil von Haindling zurück­hal­tend untermalt. Die Handlung macht nun einen Zeit­sprung, Peter hat die Firma geerbt und hängt seinen bishe­rigen Job an den Nagel. Zudem gerät er langsam zwischen zwei attrak­tive Frauen...

Die Bestat­tungs­branche in München hat ein quan­ti­ta­tives Problem: Es gibt 12 Konkur­renz­firmen, aber die Toten der Stadt reichen nur für 10. Also muß ein neues Marke­ting­kon­zept die Firma retten. Offensiv wie beim Fußball stellt sich Peter dieser Heraus­for­de­rung: Er will dem Tod ein besserers Image verschaffen, ihn als Frei­zeit­phä­nomen (!) propa­gieren oder als letztes Event im Leben. Vor seinem Schau­fenster erscheint unver­mit­telt eine weitere junge Frau. Die Kamera begleitet sie...

Die Ideen werden immer skurriler, aber sie haben auch zuneh­menden Erfolg. Der finan­zi­elle Gipfel ist durch den Verkauf seines Konzeptes für eine Fern­seh­show erreicht. Diese Episode glänzt als derbe sati­ri­sche Kultur­kritik. Viel­leicht hätte es dem Film gut getan, die Anzahl der Charak­tere etwas zu straffen, also einige Szenen zu streichen.

Fazit: Zum Sterben schön ist ein außer­or­dent­lich gelun­genes und in der Balance zwischen Komik und Melan­cholie sehr über­zeu­gendes Kinodebut ist. Ein char­manter, mit viel Ironie insze­nierter Rahmen wird dabei mit unter­schied­li­chen Episoden angefüllt, die brüchige Charak­tere beschreiben. Klischees werden geschickt ange­deutet, aber fast nie bedient. Sehr deutlich wird die Kritik am kommer­zi­ellen Fernsehen und deren Billig­shows. Doch der Film bietet mehr: Zum Sterben schön kann gesehen werden als Satire über Sehnsucht, Lebens­lügen, Lebens­freude, Eitelkeit, Macht­gelüste und über den entzückten Wahn der Menschen.

Die Liebe zum Detail, die aus den ausge­feilten und staub­tro­ckenen Dialogen ebenso spricht wie aus der Ausstat­tung oder der liebe­vollen Wahl der Locations, läßt erahnen, wieviel Herz, Begeis­te­rung und Einsatz Regisseur und Dreh­buch­autor in ihr Projekt gesteckt haben. Das Ergebnis beweist, daß man auch auf zukünf­tige Arbeiten der beiden sehr gespannt sein darf!