03.07.2009
26. Filmfest München 2009

Filmtipps für den letzten Tag

The Misfortunates
Wahnwitzig: The Misfortunates
(Foto: Camino Filmverleih)

Skandalträchtiger Endspurt

Von artechock-Redaktion

Es ist Filmfest-Endspurt! Inzwi­schen hatte das Filmfest auch seinen kleinen Skandal mit der Nicht-Vergabe des mit 30.000 Euro dotierten Nach­wuchs­preises für den Deutschen Film. Die Filme, die zur Auswahl standen, konnten die Juroren (u.a. Caroline Link) nicht begeis­tern, wohl aber ein anderer Film, der aller­dings nicht dem Reglement für die Preis­ver­gabe entsprach, da der Jung-Regisseur schon 40 plus ist. Wir haben eine schwere Vermutung, um welchen Film es da gehen könnte... Der Film ist auf dem Filmfest jetzt schon in beiden Vorstel­lungen gelaufen, so dass wir ihn leider nicht mehr mit einem Tipp würdigen können. Er war für uns der beste deutsche Kinofilm des dies­jäh­rigen Filmfest-Programms, und wir werden ihm auf jeden Fall noch eine eigene Kritik widmen. Dass jetzt das Preisgeld als Spende an die Münchener Film­hoch­schule fließt, wo doch der Mann mit dem besten deutschen Film ein Quer­ein­steiger ist (und deshalb auch mit seinem zweiten Film schon so »alt«), sollte zu denken geben. The system rules on! – Dunja Bialas

Hier für den letzten Film­festtag noch ein paar Empfeh­lungen:

The Misfort­u­nates (De helaas­heid der dingen) (Félix van Groe­ningen) – Abschluss­film

Der belgische Regisseur Félix van Groe­ningen gilt als einer der Pioniere der belgi­schen »Nouvelle Vague«. Mit seiner Verfil­mung des Romans von Dimitri Verhulst gelingt ihm ein tragisch-komischer Film, bei dem einem immer wieder das Lachen im Hals stecken bleibt.
Der 13jährige Gunther wächst in den 80er Jahre bei seinem alko­hol­kranken Vater und dessen drei Brüdern im Haus der Groß­mutter auf. Die Mutter will nichts von ihm wissen, der Vater bemüht sich liebevoll aber nicht immer kind­ge­recht, den Jungen groß zuziehen. Der Alltag im Hause Strobbe ist geprägt von Alkohol, Schlä­ge­reien, wech­selnden Frau­en­ge­schichten und abstrusen Wetten, die Gunther hautnah miterlebt.
Zwanzig Jahre später versucht Gunther ein besseres Leben zu leben. Ob ihm das gelingt? Zumindest die Aufzeich­nungen seiner turbu­lenten Jugend lassen ihn als Autor Erfolg haben.
Groe­ningen zeichnet ein unter­halt­sames Portrait dieser groben, aber liebens­werten Familie. Sehens­wert! – Lena Spel­len­berg
Sa., 04.07., Mathäser Film­pa­last, 20:00 Uhr

Un autre homme (Lionel Baier) – Inter­na­tio­nales Programm
Der »Tod eines Kritikers« ist für so manchen ein wünschens­wertes Szenario – im bild­li­chen Sinne natürlich. Das »enfant terrible« des Schweizer Films Lionel Baier zeigt nun mit Un autre homme, seinem dritten Spielfilm, wo dieser krude Wunsch herrühren kann – im lein­wand­bild­li­chen Sinne. Der so gar nicht cinéphile François soll für ein Lokal­blatt Film­kri­tiken schreiben. Gefallen an seinem neuen Job findet er aller­dings erst, als er die Kriti­kerin Rosa trifft. Ein morbides Spiel um Begierde und Lust beginnt. Als geradezu lustvoll entpuppt sich auch Baiers stili­sierter Blick auf die Dekadenz und über­heb­liche Selbst­ver­liebt­heit des Kritiker-Genres. Warum sich denn Gedanken über Chabrol machen? Schließ­lich lautet die Faust­regel: jeder zweite seiner Filme ist schlecht. C’est ça, la critique, jeden­falls in diesem Film. Das sympa­thi­sche an dieser Offenheit: einen bitteren Unterton gibt es nicht. Un autre homme ist viel mehr Spiel denn Ernst und verhan­delt nicht nur ironisch über­zo­gene Kritiker-Klischees, sondern ergeht sich gleich­zeitig in liebe­vollen Anspie­lungen auf das Kino selbst. Eine starke Besetzung, ein raffi­nierter Schnitt und eine Bild­sprache, die die Ästhetik der Nouvelle Vague gekonnt anzitiert, liefern den Rest. Allen, die gerne im Kino vom Kino sprechen hören, sei Lionel Baiers Film wärmstens empfohlen. – Marcus Mäckler
Fr., 03.07., Cinemaxx 3, 20:00 Uhr und Sa., 04.07., Cinemaxx 1, 17:15 Uhr

Fixer: the taking of ajmal naqsh­bandi (Ian Olds) – American Inde­pend­ents

Fesselnd und erschüt­ternd doku­men­tiert Regisseur Ian Olds die tragische Geschichte eines jungen, afgha­ni­schen Jour­na­listen, der sein selbst­loses Enga­ge­ment mit dem Leben bezahlte. Ajmal Naqsh­bandi stellte in seiner Rolle als soge­nannter »Fixer« Kontakte zwischen auslän­di­schen Medi­en­ver­tre­tern und afgha­ni­schen Offi­zi­ellen sowie den Taliban her. Mit drama­ti­schen Folgen: Taliban-Kräfte entführen Naqsh­bandi und einen italie­ni­schen Reporter – das Kidnap­ping nimmt jedoch nur für letzteren ein gutes Ende. In emoti­ons­ge­la­denen, größ­ten­teils unzen­sierten Bildern und anhand von Inter­views mit Fami­li­en­an­gehö­rigen und Kollegen Naqsh­bandis führt uns Olds hautnah eine politisch kontro­verse Thematik vor Augen, die durch ihre beinah infla­ti­onäre Medi­en­prä­senz droht, der Verges­sen­heit anheim­zu­fallen. Beein­dru­ckend, jedoch nichts für zarte Gemüter. – Nadine Fischer
Sa, 4.7., 14.30h, CinemaxX 5