60. Berlinale 2010
Der heilige Gral des deutschen Kinos |
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Megalomane Zukunft des Kinos | ||
(Foto: Ufa) |
Turm von Babel, Riesenmaschine, Apokalypse und Utopie; ein Panorama aus Frankenstein, Sintflut, Paradies- und Höllenvisionen; Phantasien aus altdeutscher Romantik und neudeutscher Kapitalismuskritik, von bolschewistischer Massenrevolution und faschistischen Unterdrückungsorgien; ein visionärer Science-Fiction-Film, ein politischer Entwurf; ein Trip; ein Dokument der Vermischung von Expressionismus, Futurismus und Neuer Sachlichkeit; ein bombastischer, überlanger Blick ins Unbewusste der 20er Jahre – Fritz Langs Film Metropolis ist das alles und noch viel mehr, in jeder Hinsicht ein Klassiker, so eklektizistisch wie genial, in seinen Einflüssen gar nicht abzuschätzen: Ein filmischer Superlativ, wohl nicht das beste aber das wichtigste und bekannteste Werk der deutschen Filmgeschichte, eines der großen Meisterwerke des Kinos. Der größte Film, der bis dahin in Deutschland gedreht worden war, der teuerste deutsche Stummfilm überhaupt, und ein gigantischer Flop, der die Ufa ruinierte. Der erste Film, der von der Unesco zum Weltdokumentenerbe erklärt wurde. Eine gotische Kathedrahle des Kinos. Sie wird an diesem Freitag erstmals wieder aufgeführt.
Aufwendig waren vor allem die angewandten, oft technisch revolutionären Trickverfahren für die Lang und sein Team auf wenig Erfahrung zurückgreifen konnten. Die wichtigste Technik war das erstmals gebrauchte »Schüfftan-Verfahren«, das Miniaturmodelle per Spiegel vergrößerte und die Kombination von kleinen Modellen – etwa für Autos und Eisenbahnen – und Einzelbildbelichtung – ermöglichte. Nach jeder Aufnahme wurden die Modelle millimeterweise bewegt. Ebenfalls große Mühe erforderten die Mehrfachbelichtungen – bis zu 30 Mal hintereinander, um verschiedene getrennte Aufnahmen zu einem Bild zu kombinieren – und monumentale Studiobauten. Für die Szenen der Überschwemmung wurden vier Becken für 1600 Kubikmeter Wasser gebaut, sowie kleinere Bassins für Sondereinstellungen. Spezielle Lichteffekte und Überblendungen prägten Szenen wie die elektrischen Ströme und der Vorgang der Menschwerdung der Maschine. Dies revolutionierte die Aufnahme- und Tricktechnik des gesamten Kinos.
Das Schicksal des 1925/26 in Berlin gedrehten Films (Hauptrollen: Gustav Fröhlich und Brigitte Helm) ist für sich schon ein Abenteuer. Von den immens schwierigen, überteuerten und in vieler Hinsicht chaotisch verlaufenen Dreharbeiten ganz abgesehen – man kann darüber etwa im Katalog zur Fritz-Lang-Retrospektive 2001 auf der Berlinale ausführlich lesen –, verlief auch die weitere Werkgeschichte wie ein Krimi.
80 Jahre lang hat ihn niemand mehr gesehen. Denn der Film war an der Kasse ein Reinfall – nicht aus Qualitätsgründen, sondern weil die Ufa Schulden bei den Hollywood-Bossen hatte, und von den Amerikanern gezwungen wurde, US-Ware zu spielen. Nur 15.000 Zuschauer wollten den Film in den ersten Monaten nach seiner Premiere sehen. Aber das lag auch daran, dass Metropolis selbst in der Hauptstadt Berlin nur in ein einziges Kino kam. Auch die Kritik reagierte überaus reserviert, kaum ein Autor gestand Metropolis besonderen Wert zu. Dem modernen Stil schenkte man vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit. »Erschöpft und apathisch« beschrieb etwa der Kritiker Rudolf Arnheim seine Reaktion. Hinzu kamen politische Einwände, die sich vor allem gegen die als kitschig und verlogen empfundene Versöhnung der Klassen richteten. Manche unterstellten »kommunistische Tendenzen.« Andere bemerkten reaktionäre, gar faschistische Inhalte, eine Ansicht, die dadurch gestützt wird, dass Thea von Harbou Mitglied der NSDAP war und offen mit ihren Zielen sympathisierte. Siegfried Kracauer, der führende Kritiker jener Zeit, sah den Film rückblickend als unbewusste Vorwegnahme der Krise der Demokratie und Hitlers Machtergreifung.
So reagierte die Ufa, und Metropolis wurde kurz nach seiner Uraufführung am 10. Januar 1927 im Berliner Ufa-Palast (heute: Zoo-Palast) im April zurückgezogen und im August 1927 offenbar gegen den Willen Langs aus Marketinggründen verstümmelt, in mundgerechte Bissen zerlegt, ein für alle Mal zerstört, und eine ummontierte, um 45 Minuten kürzere, den Inhalt verfälschende Fassung ins Kino gebracht. Nur in dieser Fassung ist der Film außerhalb Berlins je gezeigt worden. Das Original ging verloren, mühsam rekonstruierte man seit den 50er Jahren aus den in alle Welt zerstreuten Filmschnipseln immer wieder neue Fassungen, die dem Original so nahe wie menschenmöglich kam – und die doch riesig weit entfernt: 118 Minuten war die bisher längste Fassung von 2001, 35-40 Minuten kürzer als das Original. Der Film, den wir bisher als Metropolis kannten, ist also ein im strengen Sinne unautorisierter, nach Kommerzinteressen zurechtgestutzter Torso.
Ungeachtet seiner Torso-Gestalt wurde Metropolis seit den 60-er Jahren wiederentdeckt und zunehmend populär. Er beeinflusste ganze Generationen von Science-Fiction-Fans, Film-Regisseuren, Pop-Stars und vor allem die postmoderne Popkultur: Giordio Moroder eignete sich Metropolis lustvoll an und bot 1984 eine 90-minütige, mit elektronischem Disco-Sound unterlegte Vision, Queen und Madonna zitieren Metropolis in ihren Musik-Videos. Heute gilt Metropolis allgemein als bekanntester deutscher Film, als zeitloser Klassiker des Stummfilms und des Science-Fiction-Genres. Zeitgenössische Filmwissenschaftler und Kritiker bemerken zwar »absurde Ungereimtheiten«, betonen aber die »Momente von geradezu unglaublicher Schönheit und Kraft.« (Pauline Kael).
Die Urfassung galt hingegen als endgültig verschollen, und nur wenige Filmhistoriker wagen noch darauf zu hoffen, dass das Original eines Tages auftauchen könnte – bis zum Sommer 2008. Da wurde in Buenos Aires im argentinischen Filmmuseum das Duplikatnegativ des Films gefunden – fast vollständig. Jetzt fehlen nur noch sechs Minuten.
Für die Restaurateure war das nicht nur Arbeit unter Hochdrucktempo, es war auch technisch enorm schwer: Denn die
Buenos-Aires-Fassung war zwar die längste Metropolis-Kopie, sie war aber auch qualitativ die schlechteste: Nitrokopien in 16mm von einer Kopie, die schon fast siebzig Jahre alt war und deutliche Gebrauchsspuren trug – die Kopie einer beschädigten Kopie.
Ein zweites Problem: Wo fehlten Stellen, und in welche Reihenfolge musste das vorhandene Material geordnet werden? Hier halfen die Noten
der Originalmusik des Komponisten Gottfried Huppertz, die nun zusammen mit dem Film erstmals in annähernd voller Länge zu hören ist: Auf den Noten finden sich Hinweise zu den Bildern – damit die Musiker ihre Einsätze richtig platzieren.
Wie sieht der Film nun heute inhaltlich aus? Ganz anders als vorher: Es gibt neue Figuren, die Beziehungen zwischen ihnen ist besser verständlich. Zur Erinnerung: Metropolis erzählt in der bisher bekannten Version von einer Technik-Stadt der Zukunft, einem futuristischen Stadtstaat. Er ist streng in zwei Hälften geteilt: Unten leben die Arbeiter sklavenhaft und in Dunkelheit, wo sie an gigantischen Maschinen schuften, oben gibt sich die Oberschicht dem Müßiggang im Luxus hin. Dort herrscht der autokratische Industriemagnat Johann Fredersen über sie im »Neuen Turm Babel« mit einer riesigen »Herz-Maschine«, in sonnendurchfluteten »ewigen Gärten« vergnügen sich die Kinder der Reichen, unter ihnen Fredersens Sohn Freder. Dort taucht Maria auf, eine reine, blonde, charismatische Schönheit aus der Unterstadt, die sich dort für das Wohlergehen des Proletariats einsetzt, und diese zum Aufstand ermuntert. Der idealistische Freder verliebt sich in sie, begibt sich nach unten und beginnt, gegen seinen Vater zu rebellieren. Doch der verfügt über eine geheime Waffe: Durch den größenwahnsinnigen Wissenschaftler Rotwang lässt er einen manipulierbaren metallischen Roboter konstruieren, der das Antlitz Marias erhält, und so ihr boshafter, künstlicher Zwilling wird. Mit Hilfe dieses Maschinen-Menschen will der Industrielle die bevorstehende Revolte irreleiten und zur endgültigen Versklavung der Arbeiter nutzen. Der Aufstand der rasenden Masse führt zum Maschinensturm und zur technischen Katastrophe: Eine Sintflut zerstört die Unterstadt, doch dann erkennen die Arbeiter die Manipulation, vernichten den Maschinen-Mensch als »Hexe«. Der zum Held gereifte Freder tötet Rotwang im Kampf. Sodann mündet alles in die Versöhnung von Arbeitern und Oberschicht, ein Happy End, das Fritz Lang später bedauerte: Kapitalist und Arbeiter versöhnen sich unter dem Motto »Der Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein«. Freder erscheint als jene Verkörperung des »Mittler« und als Messias einer neuen Zeit, Maria wird seine Frau.
Aber: »Was hier zählt, ist weniger die Handlung, als das Überwiegen von Oberflächlichkeiten in ihrer Entfaltung«, schrieb Siegfried Kracauer vor über 60 Jahren, und beschrieb den »großspurigen Stil« des Films: Riesige Wolkenkratzer unter einem düsteren Himmel, Straßenschluchten mit scheinbar schwebenden Schienenbahnen, Neonlichter und Maschinen-Menschen: Fritz Lang schuf neue visuelle Effekte, die bis heute noch beeindrucken.
Inhaltlich blieben viele Beobachter so skeptisch, wie Kracauer. H. G. Wells schrieb in der New York Times: »Ich habe gerade den allerdümmsten Film gesehen. … Originalität gibt es keine darin. Auch keinen eigenständigen Gedanken. Keinen einzigen Moment lang glaubt man irgendetwas von dieser blödsinnigen Geschichte. Man kann nicht einmal darüber lachen. Es gibt keine einzige gutaussehende, sympathische oder lustige Figur in der Besetzungsliste. Mein Glaube an das deutsche Unternehmertum hat einen Schock erlitten … Sechs Millionen Mark! Was für eine Verschwendung!«
Die Geschichte von Metropolis beginnt eigentlich früher: 1924, auf dem Höhepunkt der Goldenen Zwanziger schreiben Regisseur Fritz Lang und seine Frau, die Drehbuchautorin Thea von Harbou, ihren neuen Film: Noch größer werden als die Zweiteiler Dr. Mabuse, ein Paranoia-Thriller, und der Mythen-Fantasy-Film Die Nibelungen. Zugrunde lag dem Film der 1924 geschriebene, 1926 beim Publikum überaus erfolgreiche, mit religiösen Analogien gespickte Zukunftsroman Metropolis von Thea von Harbou. Der Film folgt dieser grundsätzlich, unterscheidet sich aber an einigen prägnanten Stellen von ihr. Die wichtigste ist die Tilgung einiger weiblicher Figuren, wie Fredersens Mutter, die die finale Versöhnung einleitet. Anderes wurde im Drehbuch verstärkt: »Wir haben … einen Konflikt zwischen moderner Wissenschaft und Okkultismus hineingeschrieben«, resümierte Lang später, der sich für das Resultat als »zu wenigstens 50 Prozent verantwortlich« nannte. Der Film Metropolis soll die sozialen Spannungen der Weimarer Republik in eine Parabel fassen. Das Ergebnis war eine monumentale Fantasie über einen Sklavenaufstand und Maschinenmenschen, voll futuristischer Visionen und archaischer Angstszenarien – ein Meisterwerk!
Metropolis ist so eklektizistisch wie brillant, und einer der einflussreichsten Filme der Filmgeschichte. Durch ihn wurde Lang neben D.W. Griffith und Sergej Eisenstein zu einem visionären Bild-Erfinder des frühen Kinos. Seinen Ruf hatte Lang bereits 1923/24 mit Die Nibelungen begründet. So wie er dort eine mythische Spekulation der Vergangenheit entfaltet, ist Metropolis ein in die Zukunft gewandter Zivilisationsmythos. Der Film entfaltet die Vision menschlichen Zusammenlebens, und stellt die soziale Realität des Klassenkonflikts einer – im Paar Freder/Maria – idealtypischen Versöhnung sozialer Gegensätze in einer Zukunftswelt gegenüber. Damit ist er einer der ersten Science-Fiction-Filme der Geschichte. Viele spätere SF-Filme, aber auch Künstler, Designer und Denker ließen sich durch seine imaginative Kraft inspirieren, und in ihrer Vorstellung von der menschlichen Zukunft beeinflussen. Zugleich ist er in Setdesign, Handlung, wie dem Spiel der Darsteller und Inszenierungsweise (Kameraeinstellungen, wie Licht-Schattenspiel), neben Das Cabinet des Dr. Caligari das beste Beispiel der Ästhetik des expressionistischen Films in Deutschland, dessen zentrale Stilmerkmale – ekstatische Gefühlsausbrüche, betont emotionale Gestik, »zerrissene«, sichtbar durch expressionistische Malerei beeinflusste Dekorationen, Identitätsspaltung der Figuren – sich hier finden. Zugleich ist er damit ein exemplarischer Ausdruck seiner Zeit, der Weimarer Republik, deren verschiedene, einander im Einzelnen oft widersprechende kulturelle Motive er nahezu komplett aufgreift und – zumeist in mehrdeutiger Weise – verarbeitet. Dazu gehören u.a. die Erfahrung der rasanten technischen Modernisierung, die auch das Alltagsleben betraf, die Automatisierung der Produktionsweisen, die durch den zurückliegenden Weltkrieg, Inflation und Wirtschaftskrise verschärfte Krise des Individuums in der entstehenden Massengesellschaft, die viele Künstler und Wissenschaftler der damaligen Zeit beschrieben, sowie die entstehenden politischen Totalitarismen. Aus heutiger Sicht ist das Ungereimte und Widersprüchliche der Handlung, die Verbindung verschiedener, oft entgegengesetzter Motive – z.B. Demokratisierung einerseits, Feier des charismatischen Führers andererseits, Wagemut und Sentimentalität der Inszenierung – noch offenkundiger als 1927. Auffallend ist auch, wie das laufende Geschehen immer wieder in Phantasmagorie und Tagtraum umkippt, etwa wenn die Wirklichkeit auf der Leinwand sich in Freders (Wahn-)Vorstellungen wandelt. Zudem ist dies der Film einer Männergesellschaft: Zentral ist der Vater-Sohn-Konflikt, gedoppelt im Gegensatz Rotwang-Freder. Frauen tauchen in der Arbeitermasse erst am Schluss auf, zuvor sind Maria und ihre negative Doppelgängerin, die Automatin, isoliert.
Die Bedeutung von Metropolis für die weitere Filmgeschichte liegt vor allem in seinen visuellen und motivgeschichtlichen Nachwirkungen. Einflüsse lassen sich gleichermaßen in Meilensteinen des Science-Fiction wie Blade Runner und Matrix finden, wie in Genrefilmen (Das fünfte Element und Dark City), ebenso zeigen sich aber auch Autorenfilme wie Godards Alphaville oder in der unmittelbaren Gegenwart 2046 vom Hongkong-Chinesen Wong Kar-wai von ihm beeinflusst, vor allem in ihren Stadtportraits, in der Darstellung des Zukunftsleben und einer kalten, mit latenter Bedrohung aufgeladenen Atmosphäre der Zukunft. Kamerabewegungen sind zwar noch eher selten, erscheinen aber in entscheidenden Szenen. In den Massen-Sequenzen bietet der Film reines Schnittkino – die Beschleunigung und Dynamisierung der Darstellung mittels schneller Schnitte und Aufeinanderfolge verwandter Bilder.
Besonders wirksam war die im Film entfaltete Stadtphantasie, der technische Zauber einer megalomanen Zukunftsstadt, deren Gestalt von der Skyline von New York ebenso inspiriert ist wie von den Visionen avantgardistischer Malerei und Architektur. Schon kurze Zeit später nahmen andere Filmemacher diese Ideen auf, und feierten Die Symphonie der Großstadt (Walter Ruttmann, 1928).
Ähnlich wirkte auch Langs Darstellung der Maschinisierung des Lebens
und schließlich des Menschen selbst. Die Molochmaschine, die vamphafte, metallene Androidin schrieben sich in die filmgeschichtliche Ikonografie, etwa in Star Wars, Blade Runner oder Terminator, ein, und wirkten bis in solche heutigen SF-Spekulationen über »post-humanes Leben« (vgl. Alien) weiter.
Motivgeschichtlich erzählt Metropolis vom Aufstand der Massen, entfaltet die Vorstellung einer sozialen Revolution, die für das Bürgertum der 20er zugleich mit Hoffnung wie mit Angst verbunden war. Lang projiziert die gesellschaftliche Situation seiner Gegenwart in radikalisierter Form in die Zukunft, bedient sich dabei bekannter Verschwörungsphantasien – der wahnsinnige Wissenschaftler, der machtbesessene Ingenieur, die totale Kontrolle per Überwachungstechnik – bis hin zu antisemitischen Stereotypen. So erscheint der Film als visualisierte politische Stellungnahme. Prophetisch wirkt im Rückblick Langs Vision eines totalitären Staates: Wenn Hunderte von Arbeitern apathisch, im Gleichschritt und in Kolonnen in der Unterstadt marschieren, mit grauen Uniformen und Kappen, erscheint dies wie ein Bild von Arbeitern aus Konzentrationslagern.
Für Langs weiteren Weg als Regisseur bedeutete Metropolis einen Wendepunkt. Es ist sein vorletzter Science-Fiction (Frau im Mond folgte 1928), und sein letzter Film in expressionistischem Symbolstil. Die späteren Filme M – Eine Stadt sucht einen Mörder (1931) und Das Testament des Dr. Mabuse (1933) sind nicht nur dem halbdokumentarischen Realismus der antiexpressionistischen »Neuen Sachlichkeit« verpflichtet, sie nehmen in ihrem düsteren Gesellschaftsbild und ihrer Anklage totalitärer Wahnvorstellungen eindeutig gegen die aufkommende Diktatur Stellung.
Von heute aus betrachtet erzählt der Film von seiner Zeit, erst recht aber von der Zukunft. Lang verschmolz Inspirationen aus Kunst, Architektur und Politik zu einer beängstigenden Zukunftsvision, die vieles ästhetisch vorwegnimmt, was in den kommenden Jahrzehnten politisch geschah. Noch einmal Kracauer, schon früh hellsichtig wie immer: »In Metropolis schien das gelähmte Kollektivbewusstsein mit ungewöhnlicher Klarheit im Schlaf zu reden. … Dank einer glücklichen Mischung von Aufnahmefähigkeit und Konfusion war Thea von Harbou nicht nur anfällig für alle Strömungen der Zeit, sondern schrieb wahllos herunter, was in ihrer Phantasie herumspukte. Metropolis war randvoll an unterirdischem Gehalt, der die Grenzen des Bewusstseins unverzollt, wie Konterbande, überschritt.« Jetzt wird diese Schmuggelware endlich ausgepackt.
Hinweis
Metropolis in der neurekonstruierten Fassung erlebt seine (Neu-)Uraufführung am kommenden Freitag, 12. Februar, auf der Berlinale im Berliner Friedrichstadtpalast um 20:15 Uhr. Die Originalmusik wird vom Berliner Sinfonieorchester (Leitung: Frank Strobel) gespielt. Die Veranstaltung wird live im Fernsehen auf dem Kulturkanal Arte übertragen. Zeitgleich wird der Film auch in der Frankfurter Alten Oper gezeigt. Ab 23:10 Uhr zeigt Arte Artem Demenoks Dokumentarfilm Die Reise nach Metropolis, der die abenteuerliche Geschichte des neugefundenen Filmmaterials nachzeichnet.
Wer mehr wissen will, sollte sich vor allen an das wunderbare, soeben erschienene Buch Fritz Langs Metropolis im Belleville-Verlag halten (49,80 Euro).
Weiterführende Literatur
Thomas Elsaesser: Metropolis. Der Filmklassiker von Fritz Lang Hamburg/Wien 2001
Peter W. Jansen / Wolfram Schütte (Hg.): Fritz Lang, München 1976
Enno Patalas: Metropolis in/aus Trümmern. Eine Filmgeschichte, Berlin 2001