25. DOK.fest München
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Kleine Köstlichkeiten von den Kings of Pastry | ![]() |
USA 2009 · R: Chris Hegedus und D.A. Pennebaker
Das bewährte Dokumentarfilmer-Paar Chris hegedus und D.A. Pennebaker (The War Room, Keine Zeit) hat sich diesmal einem süßen Thema angenommen – den Prüfungen zum »Meillieur Ouvrier de France« (kurz MOF) im Konditorhandwerk. Der begehrte Titel wird nur alle vier Jahre an die absoluten Spitzenleute ihrer Zunft vergeben. Die MOFs sind Halbgötter in weiß – oder fast weiß, denn als einzige dürfen sie einen Kochkittel mit einem Kragen in den französischen Nationalfarben tragen. Im besten Stil des cinema verite beobachten Hegedus und Pennebaker drei Teilnehmer der Endausscheidung bei ihren wochenlangen Prüfungsvorbereitungen. Die Schichtung eines Hochzeitskuchens wird quasi wissenschaftlich ausgetüftelt, der Ablauf der Prüfung minutiös geplant, jeder Handgriff wieder und wieder trainiert. Bäckerhandwerk als Hochleistungssport. Das macht Appetit. Dafür, dass man trotzdem nicht hungrig aus dem Kino kommt, sorgt die schwierigste Aufgabe, eine große, reich ziselierte Zuckerskulptur. Sie schmeckt wahrscheinlich kaum, ist aber spektakulär anzusehen; wie ein riesiges Blumenbouquet aus Murano-Glas, nur viel, viel zerbrechlicher. Wenn in der Prüfung so ein Kunstwerk stundenlanger Arbeit wegen eines winzigen Missgeschicks kurz vor seiner Fertigstellung in Sekunden zu Staub zerbröselt, löst dies mehr Emotionen aus, als ein verschossener Elfmeter im WM-Finale. (Atelier 1, 17:30) - cs
Schweiz 2009 · R: Peter Liechti
Peter Liechtis Film bildet den absoluten Kontrast zu Kings of Pastry. Statt pulenter Bilder von feinstem Naschwerk das Tagebuch eines Verhungernden. Ein Mann, Anfang 40, hat sich zum Selbstmord durch Verhungern entschlossen. Er zieht sich in einen abgelegenen Wald zurück, baut aus Plastikplanen eine primitive Hütte und stellt die Nahrungsaufnahme ein. Gut 60 Tage wartet er nun auf seinen Tod, während sein Körper immer schwächer wird. Seine Gedanken, Empfindungen und Beobachtungen in dieser Zeit notiert er in einem Tagebuch, das später neben seiner Leiche gefunden wird. Der Film liest dieses Tagebuch vor. Dazu werden experimentelle Bilder gezeigt; von der Plastikplane, die immer mehr von Tannennadeln bedeckt wird, von Insekten, von den Bäumen im Wald, aber auch Träume vom Übersetzen über den Styx oder Erinnerungen an ein früheres Leben. Ein ungemein packender Film, der letztes Jahr den europäischen Filmpreis für den besten Dokumentarfilm gewonnen hat. Jurypräsident Peter Liechti stellt ihn am Freitag persönlich vor, bevor der Film nächste Woche auch in München regulär ins Kino kommt. (City 2, 18:00) – cs
Kamerun/F 2009 · R: Jean-Marie Teno
Wer auf Das Summen der Insekten noch bis nächste Woche warten mag, kann im Völkerkundemuseum einer sicherlich interessanten Diskussion beiwohnen über das Thema »Afrika im Spiegel der Medien – Auf welche Weise können wir ein differenziertes Bild über einen ganzen Kontinent gewinnen?«. Zur Einstimmung läuft der Film Lieux saints von Jean-Marie Teno. Der Regisseur aus Kamerun beobachtet dabei das Leben und die Gemeinschaft in einem der letzten traditionellen Viertel im Zentrum von Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso. Im Mittelpunkt steht dabei der örtliche »Cine Club«, die lokale Version des Vorortkinos, in dem raubkopierte DVDs vorgeführt werden – viele Actionfilme aus aller Welt, aber auch afrikanisches Autorenkino. Teno kommt so auf die Frage, wie sich das afrikanische Kino in die Tradition der Griots, der afrikanischen Geschichtenerzähler einreiht, wie die Beziehung afrikanischer Filmemacher zu ihrem Publikum ist und was aus den Utopien der 70er Jahre geworden ist als man mit Filmen die Gesellschaft verändern wollte. (Völkerkundemuseum, 19:00) – cs
Deutschland 1999 · R: Volker Koepp
Die Retro bietet die Gelegenheit für ein (Wieder)sehen von Volker Koepps großartigem Film Herr Zwilling und Frau Zuckermann, der schon zu den Highlights des 14. Dok.Fests 1999 gehörte. Tschernowitz, das Zentrum der westukrainischen Bukowina, war einst eine Vielvölkerstadt und zu K.u.K.-Zeiten eine Hochburg deutschsprachiger Literatur, bevor der 2. Weltkrieg und der
Holocaust diese Kultur zerstörten. Koepp besucht die Stadt und trifft mit Herrn Zwilling und Frau Zuckermann zwei Überlebende aus der alten Zeit, die neben ihrer Freundschaft auch die deutsche Sprache verbindet.
Koepp sagt »Ich mache Filme über Menschen, die ich mag.« Das merkt man seinem Film an, und seine Zuneigung zu den Porträtierten überträgt sich auch auf den Zuschauer. So wachsen einem Herr Zwilling und die alte Frau Zuckermann schnell ans Herz. Da können sich die meisten
Dokumentarfilme aus dem aktuellen Programm eine Scheibe von abschneiden. (Filmmuseum, 19:00) – cs
Deutschland 2009 · R: Jens Schanze
Werden Maschinen und Computer immer menschlicher? Der Film besucht Spitzenwissenschaftler in aller Welt, die an immer intelligenteren Maschinen forschen, vom Auto, das sich ohne Fahrer durch den Verkehr und das Gelände bewegen kann, bis zu humanoiden Robotern für die Altenpflege. Zu Wort kommen u.a. der scharfzüngige Kritiker Joseph Weizenbaum, der in den 60er Jahren für sein Programm ELIZA berühmt wurde, das einen Psychiater emuliert, und Raymond Kurzweil, der davon träumt, die biologische Uhr umzuprogrammieren, um Menschen unsterblich zu machen. Zwar werden einige der interessantesten Aspekte nur angeschnitten, aber allein schon die Szenen mit dem großartigen Joseph Weizenbaum lohnen den Kinobesuch. (Gasteig, 14:00) – cs
Deutschland 2009 · R: Frank Müller
Alljährlich findet im Schlick vor Brunsbüttel die »Wattolümpiade« statt, ausgerichtet vom »Wattpsychologischen Institut«. Im Watt werden Sportarten wie Handball und Aalstaffellauf ausgetragen. Vom Deich aus schauen Tausende zu, wie die »Wattlethen« um den Sieg kämpfen und sich dabei im Schlamm wälzen. Ein riesiges Happening voller dadaistischem Humor, aber mit einem ersten Hintergrund. Der Erlös der Veranstaltung kommt der Krebshilfe zu Gute. Der Film beobachtet die Vorbereitungen von Veranstaltern und Athleten und findet dabei eine gekonnte Balance zwischen Aufbaustress, Spektakel und Watt-Humor auf der einen Seite und ruhigeren Szenen mit Naturbeobachtungen und Reflexionen über den Kampf gegen den Krebs. (Atelier, 17:00) – cs
Mexiko 2009 · R: Pedro Gonzalez-Rubio
Der 5-jährige Nathan, der bei seiner Mutter in Rom aufwächst, verbringt die Ferien bei seinem Vater und Großvater au einer kleinen Insel vor der Küste Mexikos. Dort hausen die drei Männer in einer Pfahlhütte, tauchen, fischen und leben von dem, was das Meer hergibt. Der 5-Jährige hilft eifrig mit und entdeckt die Natur um sich herum: die Fische, den weißen Vogel, der ins Wohnzimmer stelzt und die Käfer vertilgt, und das Krokodil, das ein paar Meter weiter im Wasser liegt. Ein wunderschöner, ruhiger Film, bei dem – nach unserem Erfahrungshorizont enorm spektakuläre – Beobachtungen erfreulich alltäglich und unaufgeregt wirken. (Arri, 18:00) – cs
Frankreich 2009 · R: Claudine Bories
Beobachtungen in den Büros der CAFDA in Paris. Die Hilfsorganisation vermittelt Familien von Asylbewerbern Unterkunft, Nahrung und medizinische Hilfe und unterstützt sie bei ihrer Odyssee durch die Behörden. Szenen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Nicht nur die Asylsuchenden, auch die Helfer verzweifeln da manchmal. (Atelier 1: 20:00) – cs
Argentinein 2009 · R: Adriana Yurcovich, Eduardo de la Serna, Lucas Marcheggiano
Filmindustrie einmal ganz anders – als 1-Mann-Wanderhandwerk. Alles, was er braucht, hat Daniel Burmeister im Kofferraum seines schrottreifen Kleinwagens verstaut: eine Videokamera, ein Scheinwerfer für die Autobatterie, zwei Videorekorder für den Filmschnitt, ein Beamer und ein weißes Tuch als Leinwand. Damit tingelt er quer durch Argentinien von Dorf zu Dorf. Gegen Kost und Logis dreht er zusammen mit den Dorfbewohnern vor Ort einen Spielfilm. Das ganze Dorf wird eingespannt, alle Rollen mit Leuten aus dem Dorf besetzt. Das restliche Filmteam ist er selbst. Dabei sind sein unerschütterlicher Optimismus und sein Improvisationstalent mehr als einmal gefragt. Doch nach vier Wochen ist der Film fertig und feiert vor den begeisterten Darstellern und ihren Nachbarn im Gemeindesaal seine umjubelte Premiere. Die gemeinsame Arbeit am Film hat die Dorfgemeinschaft zusammengeschweißt. Daniel Burmeister packt seine Sachen und fährt ins nächste Dorf, dem nächsten Filmprojekt entgegen. (Atelier 1, 22:00) – cs