03.02.2011
Cinema Moralia – Folge 35

Der große und der kleine Tod

Doris Dörrie, Bernd Eichinger und Katja Flint
Doris Dörrie, Bernd Eichinger und Katja Flint

Der Eichinger-Komplex, eine Woche im deutschen Film – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 35. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Eichin­gers Tod, hat, das darf man wohl so sagen, alle berührt. Zumindest für einen Augen­blick. Da spürte man: Da war und ist wirkliche Trauer. Ein echter Schock. Man begreift: Da gibt es öffent­liche Menschen, die einem mehr bedeuten, als der Rest. Und zugleich setzte dann auf der anderen Seite gleich wieder diese ritua­li­sierte Art und Weise ein, in der die Öffent­lich­keit damit umgeht: Das telegene Trauern, die Konfek­tio­nie­rung der Emotionen durch die Branche, hinter der sich nur eine Unfähig­keit zu trauern verbirgt.

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Man hat schon jetzt einen Horror vor der nächsten Film­preis­ver­lei­hung: Da wird die Erin­ne­rung an Bernd Eichinger dann als ein »ganz emotio­naler Moment« insze­niert werden. Man wird aus echten Gefühlen falsche Momente machen, und alles wird dann wie viele von Eichin­gers Filmen sind: Man fängt mit etwas Richtigem, Originärem an, einer Idee, einem Gefühl, und das mündet dann in etwas völlig Falsches, und wird ranzig.

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Reflexe und Vordrängler. Wie es manchmal so ist: Ein Tod weckt Reflexe, und bringt allerlei zutage. Was mit vor allem auffiel an dem, was soge­nannte und tatsäch­liche Promi­nente so zum Tod Bernd Eichin­gers vor einer Woche von sich gaben, das war, dass sie eigent­lich alle nur von sich selber sprachen. Nicht alle (aber doch ein paar) in dieser plumpen »Ich und Bernd«-Manier, wie Regina Ziegler, von der man aller­dings auch nichts anders erwartet hatte, und die im Deutsch­land­funk so abging: »Wir haben uns immer auf gleicher Augenhöhe vers­tän­digt.« Aber doch mindes­tens in der Weise wie Til Schweiger, der Eichin­gers Tod zum Anlass benutzte, seine Privat­fehden mit der Film­aka­demie auszu­tragen. Oder so: »Heute ist ein Scheißtag. Ich weine so viel. Ich weiß gar nicht, ob ich das hier zu Ende schreiben kann. Ich bin unendlich traurig. Eigent­lich will ich ja über Bernd schreiben. ... Ich habe schon viele schöne Nachrufe auf ihn gelesen; es ärgert mich nur, wenn sie von Menschen geschrieben wurden, die ihm zu Lebzeiten jegliche Aner­ken­nung verwei­gert haben. Ich erinnere nur an die bösen Verrisse vom groß­ar­tigen Baader Meinhof Komplex, dieselben Menschen schreiben jetzt, er war der Größte. Warum habt ihr das nicht gesagt, als er noch gelebt hat?«. Wenn das der deutsche Film sein soll, besteht für ihn wirklich wenig Hoffnung.

Recht uner­träg­lich war es auch, Berlinale-Chef Dieter Kosslick 12 Minuten beim DLR so zuzuhören: Schon in der ersten Antwort kam er erstmal auf sich selbst – »Übrigens, ganz inter­es­sant: Ich war da mal aus Versehen auf seinem Platz gesessen in München im Rossini – ich kannte dieses Lokal, weil ich dort studiert habe...« Und dann ging es auch im Folgenden vor allem um die Dinge, die Kosslick selbst beschäf­tigen: Große Orga­ni­sa­ti­ons­formen – wenn er vom »System Eichinger« erzählt, klingt alles wie Berlinale: »Na ja, das war schon etwas, wo das große Rad gedreht worden ist. Also um große Filme zu machen, muss man ja auch nicht nur ein großes Herz haben, sondern auch eine große Orga­ni­sa­ti­ons­form haben. Sie können nicht einfach die Weltstars für einen Film verei­nigen und sagen dann, na ja, das war sehr nett und vielen Dank und wir machen jetzt noch eine kleine Party. Also, ich mein, da müssen Sie schon einen großen Atem haben, eine Vision haben... Ach ja, das ist natürlich alles auch Hin und Her und Her und Hin, ja. Das war ein groß­ar­tiger Typ, der hat groß­ar­tige Geschichten gemacht, und dann werden Sie halt nicht belohnt. ... ich meine, wenn ich das große Rad drehe, dann kann ich jetzt nicht nur aufpassen, ob noch ein Beden­ken­träger in der Gegend steht. ... Mir hat er mal gesagt, dass er das supergut findet, wie die Berlinale jetzt läuft, weil es hat ja auch damit zu tun, dass sehr viele von den Leuten, mit denen er zusam­men­ge­ar­beitet hat, jetzt bei der Berlinale waren, ich meine Jeremy Thomas und all diese großen Produ­zenten.«

Oder es gibt kaum verhüllte Selbst­be­kennt­nisse, über die man jetzt seiten­lang schreiben müsste, immerhin, weil sie Quatsch sind, aber hoch­ideo­lo­gi­scher Quatsch, und insofern sehr verrä­te­risch wie dies von Stefan Aust im Spiegel in einem ansonsten recht tref­fenden Artikel: »Er galt als unpo­li­tisch in einer Zeit, in der alles politisch war. Politisch zu sein, das bedeutete, links zu sein. Eichinger aber machte Geschäfte. Mit Leo Kirch zum Beispiel, dem Film- und Fern­seh­mogul, dem Freund von Kohl und Strauß. Unpo­li­tisch zu sein, das bedeutete irgendwie, ein zwei­fel­hafter Charakter zu sein. Es war unpo­li­tisch, wenn sich die Leute für seine Filme inter­es­sierten. Und es war erst recht unpo­li­tisch, wenn seine Filme Geld verdienten. Unpo­li­tisch zu sein, das bedeutete, dass jemand wie Eichinger nur Geschichten erzählen wollte. Heute wissen wir, dass eine gute Geschichte wirkungs­mäch­tiger ist als der pädago­gisch-revo­lu­ti­onäre Ansatz jener Leute, die ihr Handwerk einsetzen, um die Welt zu verbes­sern. Film war für Bernd Eichinger Selbst­zweck, ein Wert an sich, Kunst, die sich nicht vom Kommerz trennen ließ. Warum auch.«

Nur zwei echte Ausnahmen: Oskar Roehler, dem Eichinger aller­dings beim Schnitt von Die Unberühr­bare geholfen hatte, und Alfred Holighaus.

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Am unter­träg­lichsten: Wie sich dann manche vordrän­geln: »Haaalllll­looooooo, ich hab' da auch noch 'ne Erin­ne­rung...« Am aller­al­ler­al­ler­schlimmsten war Beate Wedekind. Beate wer? Ja, also, die ist inzwi­schen fast 60 und war vor knapp 20 Jahren mal kurz wichtig als neuestes Pferdchen im Burda-Stall, Elle und Bunte, dann nach nicht mal einem Jahr raus­ge­schmissen. Angeblich: »burn out«. Andere würden sagen: Irre. Wer das bisher nicht geglaubt hat, der muss mal einfach ihren ober­pein­li­chen Text in der WamS lesen: Unter dem Titel »Eine Nacht und ein Leben lang« steht dort ein auch noch »Erfah­rungs­be­richt« genanntes Stück – wobei »Kitsch­roman« passender gewesen wäre –, das dann den Unter­titel hat: »Sie war Repor­terin mit Angst vor dem 30. Geburtstag, er der strah­lende Produzent des Kinoer­folgs Chris­tiane F.. Aus ihrer Affäre wurde tiefe Freund­schaft. Erin­ne­rungen an Bernd Eichinger, Abende, an denen er nicht allein sein konnte, und ein Frühstück in Portofino«. Au weia!

Da findet sich also der Bericht von Wedekinds angeb­li­cher Affaire mit Bernd Eichinger. Zitat: »Eichinger lachte rau, fasste mich unterm Kinn an und sagte ›Du Tier!‹ Es hörte sich nach mehr an als einem Knei­pen­kom­pli­ment.« Hört sich auch irgendwie nach einem Zitat aus Rossini... an, und nach so Frau­en­wunsch­phan­ta­sien (»wie ich gern meinen 30.ten Geburtstag verbracht hätte«), aber wir wollen Fräulein Wedekind ihre Bett­ge­schichte ja gern glauben – wenn sie wahr ist, ist sie nur leider noch schlimmer. Denn wozu erzählt sie sie uns dann? Es ist eine ziemlich schmie­rige Mischung aus Angeberei – »Halloo, ich hatte übrigens auch mal Sex mit Eichinger! Bin also irgendwie wie Elsner­rud­nik­flinth­ar­fouch« – und voraus­ei­lendem Chau­vi­nismus: Denn Wedekind macht sich da ja im Folgenden die billigste und dümmste aller küchen­psy­cho­lo­gi­schen »Weis­heiten« zueigen, die da lautet: »Ich kenn' ihn gut, denn ich hatte Sex mit ihm.« Geht’s noch?

Denn das wirklich Unan­ge­nehme an diesem Text sind natürlich nicht die Passagen über die »Affaire«, sondern jene über die »tiefe Freund­schaft«: Denn auch hier wieder geht es eigent­lich nicht um Eichinger, sondern um Wedekind: »Ich kannte und liebte sie alle, seine Frauen, die Hanne, die Jane, die Bärbel, die Katja.«; »Ich kann gut mit klugen und hitzigen, mit an sich und der Welt zwei­felnden Männern umgehen, wenn sie ihre Monologe halten. Sie sagen Sachen, die mir nicht fremd sind.«; Immer wieder: Ich, ich, ich – über Eichinger sagt Wedekind eigent­lich gar nichts: »Auf der Party im ›Arri‹-Kino, ... stellte ich ihm die geheim­nis­voll schöne Schau­spie­lerin Barbara Rudnik vor. Sie wurden ein Paar, und er bedankte sich bei mir mit dem dicksten Strauß roter Rosen, den ich je in meinem Leben bekam.« Wenn Beate Wedekind nicht gewesen wäre, hätte Eichinger offenbar ein ganz anderes Leben gehabt...

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Und dann postet sie bei Facebook: »Oh, ich bin ganz erschro­cken, wie groß sie das aufge­macht haben...« Wir würden schallend lachen, wenn wir uns nicht winden müssten vor Fremd­scham...

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Ein wenig wundere ich mich auch über manche Freunde, die mich auf den vergan­gene Woche hier veröf­fent­lichten Nachruf anspra­chen, und meinen, Eichinger sei darin zu gut wegge­kommen. Wirklich? Ich glaube, da wurde nicht lobge­hu­delt oder aufs Podest gestellt. Mir scheint aber wichtig, den Mensch vom Produkt zu trennen. Und: Ist es nicht besser, Lebende anzu­greifen, als Tote?

Ein guter Hinweis war aber der auf Humbert Balsan, der im Film Le père de mes enfants portrai­tiert wurde. Das war natürlich noch eine andere Nummer. Balsan hat seinen künst­le­ri­schen Visionen – Autoren­filmen! –, eine Ermög­li­chungs­struktur geschaffen, und sich darüber ruiniert. Eichinger hat vor allem Geld verdient, und das mag auch gut so sein, weil Geld nicht böse ist, aber natürlich hat er sich nichts nebenher geleistet, bloß weil er – dessen Kennt­nisse der Film­ge­schichte jetzt aller­orten gelobt werden – es liebte. Er hat weniger ermög­licht, und Frei­heiten gefördert, als etwas vorge­geben. Ande­rer­seits hat auch niemand Frei­heiten einge­for­dert. Nicht von Eichinger, nicht vom Rest. Die Franzosen sind überdies einfach schlauer.

Daran, dass der deutsche Film so ist, wie er ist, ist Eichinger nicht schuld. Aber er hat auch nicht das Geringste dafür getan, ihn in eine künst­le­ri­sche Richtung zu verändern.

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Soll­bruch­stellen. Eichinger hatte fraglos viel Energie, und diese Energie war einzig­artig in der Film­branche. Als einziger hat Eichinger auch für die Öffent­lich­keit das ameri­ka­ni­sche Produ­zenten-Bild bedient. Wie es die FAZ schrieb: »Eichinger hat ein Berufs­bild aufrecht­erhalten, das mit dem Studio­system in Hollywood eigent­lich unter­ge­gangen und in Deutsch­land seit den siebziger Jahren – und seit das Fernsehen auch im Kino feder­füh­rend wurde – kaum noch vorhanden war. Auch deshalb ist die Lücke, die sein Tod reißt, so schmerz­haft.«

Man muss aller­dings diese Energie trennen von dem, wofür er seine Energie inves­tiert hat. Aber da kam dann auch bei Eichinger eine gewisse Selbst­ge­rech­tig­keit rein: Weil man was bewegt, soll auch das, was man bewegt über jeden Verdacht erhaben sein. Da kommt es zu Fehlern in der Selbst­wahr­neh­mung – aber genauso in der Rezeption.
In seiner Manie, im Obses­siven, in der Insze­nie­rung der Obsession, aber auch in seiner Cliquen­wirt­schaft gibt es wirklich Paral­lelen zu Fass­binder. Und zu wenigen sonst.

Bei Eichinger erschöpfte sich aber auch vieles im Insze­nieren. Eichinger insze­nierte die Entste­hungs­ge­schichte seiner Filme oft mehr, als diese Filme selbst. Immer wieder teilte einem Eichinger auf die eine oder andere Art mit: »Schaut her! Ich hab’s geschafft, das und das hinzu­kriegen, ich hab’s hinge­kriegt, dies und jenes zu finan­zieren.« Das stimmte ja auch. Aber dahinter war Leere. In seinen letzten Jahr­zehnten hatte Eichinger kein Thema mehr gehabt, weder als Regisseur, noch als Produzent: In Last Exit Brooklyn gab es noch eine Kongruenz zwischen Werk und Person. Viel­leicht auch noch im Grossen Bagarozy. Danach aber hat Eichinger nicht mehr die innere Stärke gehabt, oder das Interesse, ein Thema über dessen schönen Schein, seine Physio­logie und Ober­flächen hinaus, auch noch psycho­lo­gisch zu verar­beiten. Da war er dann doch nur ein Produzent, kein Künstler.

So war der Eichinger dann einer, der geradezu syste­ma­tisch einige der inter­es­santen Filme­ma­cher – und die, die es sich gefallen ließen – ausge­beutet hat, künst­le­risch – und bei einem Macho wie Eichinger, dem immer auch alles Hahnen­kampf und Männer­bund war, darf man das so sagen – »enteiert«, wie Tykwer beim Parfüm, Roehler bei den Elemen­tar­teil­chen. Gansel bei diversen Produk­tionen und manche die wir hier netter­weise gar nicht erst nennen, ein für allemal. Immer wenn von einem »Eichinger-Film« die Rede war, wurden die Regis­seure darüber fast vergessen.

Aber der Eichinger der letzten 20 Jahre hat nie im Namen irgend­einer echten Leiden­schaft Filme gemacht: Er hat sich eben nicht entschlossen, als Filme­ma­cher zu sich selbst zu kommen, und dann eben getraut, notfalls zehn Baga­rotzys hinter­ein­ander in den Sand zu setzen. Statt­dessen hat er sich entschieden, den irgendwie auch schon unzeit­ge­mäßen Produ­zen­ten­my­thos des klas­si­schen Hollywood zu bedienen, den deutschen Gigan­to­manen zu spielen, der in US-Kate­go­rien, dann aber doch eher klein blieb.

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Es heißt jetzt immer wieder mal, Eichinger habe Gespür für Menschen gehabt. Wirklich??? Hat er meiner Meinung nach gerade oft nicht. Das wirklich Schlimme an Eichinger waren die Epigonen, Spei­chel­le­cker und Nach­ma­cher. Und die Jungs in seinem Gefolge. Und die Zwerge, wie Rohrbach... All denen gegenüber fand ich Eichinger sausym­pa­thisch... Man muss nur daran denken, wer jetzt noch übrig bleib: Fred Kogel. Oliver Berben. Nico Hofmann. Nicht schön.

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Material. Das »System Eichinger«, das Kosslick so lobt, bekam man aber eben nur ganz oder gar nicht, und als Ganzes war es, das muss auch mal so gesagt werden, wie es war, eine ganz schön eindi­men­sio­nale Männer­nummer. Wir kennen mehr als eine, der irgend­wann mal auf Partys von einer Assis­tentin zuge­flüs­tert wurde: »Du, der Bernd will dich kennen­lernen.« Dann ging man mit, oder eben nicht. Dieses ganze ranzige ich-hol-mir-jetzt-mal-Fick­ma­te­rial-Jungsding, das da kulti­viert wurde, konnte einen schon ankotzen. Sensi­bi­lität hin, Groß­zü­gig­keit her, die er beide hatte. Trotzdem gab es für Eichinger genau drei Typen von Menschen: Entweder neutrale wie Doris Dörrie, dann kann man mit ihnen arbeiten, oder sie waren Fick­ma­te­rial und den Rest macht man mit Jungs.

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Geld. Dieser Rest war vor allem das »Multi­mil­lio­nen­dol­lar­stahl­ge­witter« von dem in Rossini mal die Rede ist. Schnell, nachdem sich der unmit­tel­bare Schock über die Nachricht von Bernd Eichin­gers plötz­li­chem Tod gelegt hatte, kamen die ersten Fragen: Was bedeutet dies alles eigent­lich für Eichin­gers Firma, die Constantin Film? Und was sind die Folgen für die deutsche Film­land­schaft als Ganze? Erst vor knapp einein­halb Jahren war die Münchner »Constantin Film«, die Eichinger 1979 in abge­wracktem, fast insol­ventem Zustand über­nommen und zu beispiel­losen Erfolgen geführt hatte, als börsen­no­tiertes Unter­nehmen nach zehn Jahren verschwunden und in der Constantin Medien AG aufge­gangen, an denen ein Leo Kirch indirekt erstaun­liche 18,1 Prozent Anteile hält. Der Wert einer Aktie des Unter­neh­mens lag gestern früh bei nur noch 1.62 Euro – kein guter Stand. Und durch Eichin­gers Tod dürften die Erwar­tungen noch weiter sinken. 2009 war die Aktie noch etwa 18 Euro wert gewesen, und beim Börsen­gang 1999 hatte eine Aktie der Constantin Film mal 29 Euro gekostet. Zur Constantin Medien gehört unter anderem der Privat­sender Sport 1 (früher DSF). Allein für das vergan­gene Jahr meldete man Umsatz­rück­gänge von über 10 Prozent, hinzu kommt, dass in einem für deutsche Firmen allgemein eher erfolg­losen Kinojahr auch der lange Zeit äußert gut aufge­stellte Film-Zweig des Konzerns in Schwie­rig­keiten kam: Der Markt­an­teil ging zurück, und selbst innerhalb der deutschen Konkur­renz konnte die ebenfalls in München ange­sie­delte Concorde die Constantin überholen.

Aus der ersten Reihe des Geschäfts hatte sich Eichinger aller­dings schon vor einiger Zeit zurück­ge­zogen. Ihn inter­es­sierten Finanz- und Börsen­fragen nur als Mittel zum Zweck: In Deutsch­land eine Film­in­dus­trie aufzu­bauen, die mit Hollywood konkur­rieren könnte. Offiziell war Eichinger seit Anfang 2006 außer seinem Sitz im Aufsichtsrat der Firma noch als Produzent und Dreh­buch­autor tätig. Hier arbeitete er zuletzt an der Vorbe­rei­tung des geplanten Films über das Entfüh­rungs­opfer Natascha Kampusch – dessen Zukunft ist zur Zeit völlig unklar. Ähnliches muss man für die Film­sparte konsta­tieren. Denn auch wenn Eichinger formal längst nicht mehr das Sagen hatte, so war er doch nicht nur als Macher einzelner Filme und Ratgeber der Finanz­jon­gleure geschätzt: Er war ein Antreiber und er war in seiner ganzen, so unruhigen wie schil­lernden Persön­lich­keit das mensch­liche Aushän­ge­schild eines ansonsten gesichts­losen Konzerns. Und dessen Wert kann in der Film­branche gar nicht hoch genug einge­schätzt werden. Eichinger war der wohl einfluss­reichste Lobbyist in der Film­branche der Bundes­re­pu­blik. Sein Wort hatte Gewicht bei den Kultur­po­li­ti­kern im Bund und in Bayern, und seit der Einfüh­rung des Amts des »Kultur­staats­mi­nis­ters« im Kanz­leramt 1998 pflegte Eichinger zu allen vier Kultur­staats­mi­nis­tern persön­liche Bezie­hungen – so gut und eng, wie die jewei­ligen Amts­träger das zuließen. Vor allem aber konnte ein Eichinger bei den Länder-Förderern und den für die Finan­zie­rung von Kino­filmen unver­zicht­baren öffent­li­chen Fern­seh­sen­dern immer noch ein bisschen mehr Geld locker machen, als die übrigen Produ­zenten. Da spiegelt sich in den Etats der von ihm produ­zierten Filme: Der Untergang war 2004 mit 14 Millionen Euro ebenso der teuerste deutsche Film seit Jahr­zehnten, ebenso wie Der Baader Meinhof Komplex, dessen Produk­tion 2008 gar um die 20 Millionen Euro verschlang, die Hälfte davon finan­ziert von ARD-Anstalten.

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Solche Möglich­keiten zogen Eichinger auch den Neid mancher Bran­chen­kol­legen zu. Gleich­zeitig war er, dann eben schon der Macher zwischen lauter Rechnern, der Jongleur unter den »Erbsen­zäh­lern« (nochmal Rossini) des deutschen Films, für eine neue Produ­zen­ten­ge­ne­ra­tion ein Vorbild. Es gibt viele Eichinger-Epigonen, und es mag sein, dass sich jetzt, wenn der große Schatten, den der Münchner auf die Branche warf, verschwunden ist, auch der eine oder andere nach vorne wagt, und versucht, den Raum der plötzlich frei ist, auszu­füllen. Kein anderer als Eichinger selbst hat einst gezeigt, dass in der Branche Film nur der großen Erfolg hat, der auch großes wagt. Zumindest in seinen frühen Jahren, als dem Arztsohn Eichinger gar nichts anderes übrig blieb, als sein ganzes eigenes und auch viel fremdes Geld zu riskieren, war Eichinger auch immer eine Spie­ler­natur gewesen, und ganz ohne Glück ist sein Erfolg nicht zu erklären. Aber es muss für das Kino nichts Schlechtes sein, wenn ein Produzent einmal – fast unüblich geworden – eigenes Geld riskiert. Bei der Constantin selbst traut man allen­falls Film-Vorstand Martin Mosz­ko­wicz zu, in Eichin­gers Fußstapfen zu treten. Aber Mosz­ko­wicz ist bei all seinen unbe­streit­baren Fähig­keiten ein Mann des Wirt­schaft­li­chen, dem die Kino-Krea­ti­vität das schöp­fe­ri­sche Feuer eines Bernd Eichinger völlig fehlen.

Was der Tod Eichin­gers für den Standort München bedeutet, und damit mittelbar auch für Berlin, ist noch schwerer einzu­schätzen. Mit der Constantin und der Concorde sitzen zwei starke Kino-Firmen an der Isar, denen in Berlin nur X-Filme das Wasser reichen können, während die Senator seit Jahren finan­ziell am Tropf hängt, ohne sichtbare Fort­schritte. Zuletzt, nach großen Erfolgen des Medi­en­board Berlin-Bran­den­burg (MBB), erhöhte Bayern wieder den Etat der eigenen Film­för­de­rung, während der des MBB stagniert. Viel­leicht lassen sich die Berliner und Bran­den­burger Politiker ja jetzt moti­vieren. Zudem scheint man beim MBB aber weniger auf Filmkunst und verstärkt auf Kommer­zi­elles zu setzen – damit ist München aber kaum Konkur­renz zu machen. So gesehen dürfte sich kurz­fristig im Länder­wett­be­werb wenig ändern – erst wenn eine neue Persön­lich­keit vom Range Eichin­gers auftaucht, werden die Weichen neu gestellt.

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»Indem ich es aber zeige, hört das Jetzt auf zu sein; ist im Moment des Zeigens bereits ein gewesenes ... Was aber gewesen ist, ist kein Wesen; es ist nicht mehr. Wird Bewegung ... wird ein Jetzt, ein Jetzt und noch ein Jetzt ... wird ein Jetzt als einfacher Tag, das viele Jetzt in sich hat ... Stunden ... Minuten ... viele Jetzt ... eine Vielheit von Jetzt ... Und das Hier ist, wie dieses Jetzt, nicht ein Hier, sondern ein Vorn und Hinten, ein Oben und Unten, ein Rechts und Links. Es verschwindet ... in anderen Hier, verschwindet ... in einer Komple­xion aus vielen Hiers ... geht über in eine Bewegung von dem gemeinten Hier ... geht über ... durch viele Hier ... in das allge­meine Hier Zu sein, das ... wie der Tag ... eine Vielheit der Jetzt ... eine Vielheit der Hier ist ...«
Hegel, »Phäno­me­no­logie des Geistes«

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Geschlos­sene Macht­al­lianz. Einem erlauchten nur sehr beschränkt öffent­li­chen Kreis wurde jetzt auch in Berlin Schick­sal­jahre vorge­stellt. Wenn wir wissen, dass Maria Furt­wängler die Haupt­rolle spielt, dann gehen wir schon in Deckung. Wenn wir auch noch wissen, dass es sich bei dem ZDF-Zwei­teiler, der im Februar ausge­stahlt wird, um eine Produk­tion von Nico Hofmann bzw. seiner Firma teamworx handelt, dann ahnen wir schon, was bevor­steht: Ein unsäg­li­cher Schmacht­fetzen, tränen­selig und verkitscht, mit 50er-Jahre-Moral, ein beiläufig auch politisch frag­wür­diger Film-Revi­sio­nismus.

Wer es nicht weiß: Schick­sal­jahre ist ein Film nach dem, der auf dem Buch »Vom Glück nur ein Schatten« basiert, in dem der ehemalige Brandt-Reden­schreiber und Schröder-Regie­rungs­spre­cher Uwe-Karsten Heye das Leben seiner Mutter Ursula erzählt. Gegen das Buch ist gar nichts zu sagen, gegen seine Bana­li­sie­rung fürs TV dagegen schon.

Drei Stunden lang mussten die Premieren-Gäste dies in der Astor Film Lounge über sich ergehen lassen, dazu eine Stunde bedeu­tungs­du­se­liges Gerede. Dazu Nico Hofmann auf der Bühne: »Ich freu' mich, dass der Christian da ist.« Dann Maria Furt­wängler, nachdem sie in den gefühlten 200 Minuten des Films in jeder Einstel­lung zu sehen war, auch auf der Bühne: »Du Christian, wir kennen uns übrigens auch, denn ich hab ja für Dich ermittelt...« Der Christian, das ist übrigens unser Bunde­sprä­si­dent, und weil offenbar nicht alle wissen, wie der mit Nachnamen heißt: Wulff. Aber auch der Wulff ist nur ein Mensch.

Was man da erlebte, abgesehen von einem sauschlechten Film, das war vor allem der Eindruck einer geschlos­sene Macht­al­lianz. Das waren Feinde. Das waren die, denen gegenüber es keine Schön­fär­be­reien und keine falschen Freund­lich­keiten geben darf, weil sie alles das verkör­pern, was unsereins – und »wir« sind dann zum Glück doch mehr, als einigen lieb wäre – zumindest an der Entwick­lung des deutschen Films, der Selbst­preis­gabe von Qualität und dem Herun­ter­kommen der Förderung und des öffent­lich finan­zierten Fern­se­hens, verab­scheuen.

Besonders verab­scheu­ungs­würdig ist dabei die heilige Stimmung im Saal. Gegen­seitig wird sich Wich­tig­keit und Bedeutung versi­chert. Man darf da nichts, aber auch gar nichts Kriti­sches oder Ironi­sie­rendes sagen.

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Und wenn hier einer sich am Ausdruck »Feind« stört, dann sei er getröstet: Die, die ich meine, sehen das ganz genau: Das ist ja nun aller­dings auch eine inter­es­sante Beob­ach­tung an diesen Geld-und Macht­men­schen, bei der sich eine Freundin an eine Begegnung mit Helmut Kohl erinnert fühlte, als der noch Kanzler war: Auch wenn man nichts sagt, ein neutrales Gesicht zu machen sich alle Mühe gibt: Wie die Meute, die den Schweiß des Wildes riecht – Sie spüren binnen Sekun­den­bruch­teilen: Wir gehören nicht zu ihnen.

(To be continued)

Unter dem Titel »Cinema Moralia« sind hier in loser Folge Notizen zum Kino zu finden, aktuelle Beob­ach­tungen, Kurz­kri­tiken, Klatsch und Film­po­litik, sowie Hinweise. Eine Art Tagebuch eines Kino­ge­hers.