Cinema Moralia – Folge 35
Der große und der kleine Tod |
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Doris Dörrie, Bernd Eichinger und Katja Flint |
Eichingers Tod, hat, das darf man wohl so sagen, alle berührt. Zumindest für einen Augenblick. Da spürte man: Da war und ist wirkliche Trauer. Ein echter Schock. Man begreift: Da gibt es öffentliche Menschen, die einem mehr bedeuten, als der Rest. Und zugleich setzte dann auf der anderen Seite gleich wieder diese ritualisierte Art und Weise ein, in der die Öffentlichkeit damit umgeht: Das telegene Trauern, die Konfektionierung der Emotionen durch die Branche, hinter der sich nur eine Unfähigkeit zu trauern verbirgt.
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Man hat schon jetzt einen Horror vor der nächsten Filmpreisverleihung: Da wird die Erinnerung an Bernd Eichinger dann als ein »ganz emotionaler Moment« inszeniert werden. Man wird aus echten Gefühlen falsche Momente machen, und alles wird dann wie viele von Eichingers Filmen sind: Man fängt mit etwas Richtigem, Originärem an, einer Idee, einem Gefühl, und das mündet dann in etwas völlig Falsches, und wird ranzig.
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Reflexe und Vordrängler. Wie es manchmal so ist: Ein Tod weckt Reflexe, und bringt allerlei zutage. Was mit vor allem auffiel an dem, was sogenannte und tatsächliche Prominente so zum Tod Bernd Eichingers vor einer Woche von sich gaben, das war, dass sie eigentlich alle nur von sich selber sprachen. Nicht alle (aber doch ein paar) in dieser plumpen »Ich und Bernd«-Manier, wie Regina Ziegler, von der man allerdings auch nichts anders erwartet hatte, und die im Deutschlandfunk so abging: »Wir haben uns immer auf gleicher Augenhöhe verständigt.« Aber doch mindestens in der Weise wie Til Schweiger, der Eichingers Tod zum Anlass benutzte, seine Privatfehden mit der Filmakademie auszutragen. Oder so: »Heute ist ein Scheißtag. Ich weine so viel. Ich weiß gar nicht, ob ich das hier zu Ende schreiben kann. Ich bin unendlich traurig. Eigentlich will ich ja über Bernd schreiben. ... Ich habe schon viele schöne Nachrufe auf ihn gelesen; es ärgert mich nur, wenn sie von Menschen geschrieben wurden, die ihm zu Lebzeiten jegliche Anerkennung verweigert haben. Ich erinnere nur an die bösen Verrisse vom großartigen Baader Meinhof Komplex, dieselben Menschen schreiben jetzt, er war der Größte. Warum habt ihr das nicht gesagt, als er noch gelebt hat?«. Wenn das der deutsche Film sein soll, besteht für ihn wirklich wenig Hoffnung.
Recht unerträglich war es auch, Berlinale-Chef Dieter Kosslick 12 Minuten beim DLR so zuzuhören: Schon in der ersten Antwort kam er erstmal auf sich selbst – »Übrigens, ganz interessant: Ich war da mal aus Versehen auf seinem Platz gesessen in München im Rossini – ich kannte dieses Lokal, weil ich dort studiert habe...« Und dann ging es auch im Folgenden vor allem um die Dinge, die Kosslick selbst beschäftigen: Große Organisationsformen – wenn er vom »System Eichinger« erzählt, klingt alles wie Berlinale: »Na ja, das war schon etwas, wo das große Rad gedreht worden ist. Also um große Filme zu machen, muss man ja auch nicht nur ein großes Herz haben, sondern auch eine große Organisationsform haben. Sie können nicht einfach die Weltstars für einen Film vereinigen und sagen dann, na ja, das war sehr nett und vielen Dank und wir machen jetzt noch eine kleine Party. Also, ich mein, da müssen Sie schon einen großen Atem haben, eine Vision haben... Ach ja, das ist natürlich alles auch Hin und Her und Her und Hin, ja. Das war ein großartiger Typ, der hat großartige Geschichten gemacht, und dann werden Sie halt nicht belohnt. ... ich meine, wenn ich das große Rad drehe, dann kann ich jetzt nicht nur aufpassen, ob noch ein Bedenkenträger in der Gegend steht. ... Mir hat er mal gesagt, dass er das supergut findet, wie die Berlinale jetzt läuft, weil es hat ja auch damit zu tun, dass sehr viele von den Leuten, mit denen er zusammengearbeitet hat, jetzt bei der Berlinale waren, ich meine Jeremy Thomas und all diese großen Produzenten.«
Oder es gibt kaum verhüllte Selbstbekenntnisse, über die man jetzt seitenlang schreiben müsste, immerhin, weil sie Quatsch sind, aber hochideologischer Quatsch, und insofern sehr verräterisch wie dies von Stefan Aust im Spiegel in einem ansonsten recht treffenden Artikel: »Er galt als unpolitisch in einer Zeit, in der alles politisch war. Politisch zu sein, das bedeutete, links zu sein. Eichinger aber machte Geschäfte. Mit Leo Kirch zum Beispiel, dem Film- und Fernsehmogul, dem Freund von Kohl und Strauß. Unpolitisch zu sein, das bedeutete irgendwie, ein zweifelhafter Charakter zu sein. Es war unpolitisch, wenn sich die Leute für seine Filme interessierten. Und es war erst recht unpolitisch, wenn seine Filme Geld verdienten. Unpolitisch zu sein, das bedeutete, dass jemand wie Eichinger nur Geschichten erzählen wollte. Heute wissen wir, dass eine gute Geschichte wirkungsmächtiger ist als der pädagogisch-revolutionäre Ansatz jener Leute, die ihr Handwerk einsetzen, um die Welt zu verbessern. Film war für Bernd Eichinger Selbstzweck, ein Wert an sich, Kunst, die sich nicht vom Kommerz trennen ließ. Warum auch.«
Nur zwei echte Ausnahmen: Oskar Roehler, dem Eichinger allerdings beim Schnitt von Die Unberührbare geholfen hatte, und Alfred Holighaus.
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Am unterträglichsten: Wie sich dann manche vordrängeln: »Haaallllllooooooo, ich hab' da auch noch 'ne Erinnerung...« Am allerallerallerschlimmsten war Beate Wedekind. Beate wer? Ja, also, die ist inzwischen fast 60 und war vor knapp 20 Jahren mal kurz wichtig als neuestes Pferdchen im Burda-Stall, Elle und Bunte, dann nach nicht mal einem Jahr rausgeschmissen. Angeblich: »burn out«. Andere würden sagen: Irre. Wer das bisher nicht geglaubt hat, der muss mal einfach ihren oberpeinlichen Text in der WamS lesen: Unter dem Titel »Eine Nacht und ein Leben lang« steht dort ein auch noch »Erfahrungsbericht« genanntes Stück – wobei »Kitschroman« passender gewesen wäre –, das dann den Untertitel hat: »Sie war Reporterin mit Angst vor dem 30. Geburtstag, er der strahlende Produzent des Kinoerfolgs Christiane F.. Aus ihrer Affäre wurde tiefe Freundschaft. Erinnerungen an Bernd Eichinger, Abende, an denen er nicht allein sein konnte, und ein Frühstück in Portofino«. Au weia!
Da findet sich also der Bericht von Wedekinds angeblicher Affaire mit Bernd Eichinger. Zitat: »Eichinger lachte rau, fasste mich unterm Kinn an und sagte ›Du Tier!‹ Es hörte sich nach mehr an als einem Kneipenkompliment.« Hört sich auch irgendwie nach einem Zitat aus Rossini... an, und nach so Frauenwunschphantasien (»wie ich gern meinen 30.ten Geburtstag verbracht hätte«), aber wir wollen Fräulein Wedekind ihre Bettgeschichte ja gern glauben – wenn sie wahr ist, ist sie nur leider noch schlimmer. Denn wozu erzählt sie sie uns dann? Es ist eine ziemlich schmierige Mischung aus Angeberei – »Halloo, ich hatte übrigens auch mal Sex mit Eichinger! Bin also irgendwie wie Elsnerrudnikflintharfouch« – und vorauseilendem Chauvinismus: Denn Wedekind macht sich da ja im Folgenden die billigste und dümmste aller küchenpsychologischen »Weisheiten« zueigen, die da lautet: »Ich kenn' ihn gut, denn ich hatte Sex mit ihm.« Geht’s noch?
Denn das wirklich Unangenehme an diesem Text sind natürlich nicht die Passagen über die »Affaire«, sondern jene über die »tiefe Freundschaft«: Denn auch hier wieder geht es eigentlich nicht um Eichinger, sondern um Wedekind: »Ich kannte und liebte sie alle, seine Frauen, die Hanne, die Jane, die Bärbel, die Katja.«; »Ich kann gut mit klugen und hitzigen, mit an sich und der Welt zweifelnden Männern umgehen, wenn sie ihre Monologe halten. Sie sagen Sachen, die mir nicht fremd sind.«; Immer wieder: Ich, ich, ich – über Eichinger sagt Wedekind eigentlich gar nichts: »Auf der Party im ›Arri‹-Kino, ... stellte ich ihm die geheimnisvoll schöne Schauspielerin Barbara Rudnik vor. Sie wurden ein Paar, und er bedankte sich bei mir mit dem dicksten Strauß roter Rosen, den ich je in meinem Leben bekam.« Wenn Beate Wedekind nicht gewesen wäre, hätte Eichinger offenbar ein ganz anderes Leben gehabt...
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Und dann postet sie bei Facebook: »Oh, ich bin ganz erschrocken, wie groß sie das aufgemacht haben...« Wir würden schallend lachen, wenn wir uns nicht winden müssten vor Fremdscham...
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Ein wenig wundere ich mich auch über manche Freunde, die mich auf den vergangene Woche hier veröffentlichten Nachruf ansprachen, und meinen, Eichinger sei darin zu gut weggekommen. Wirklich? Ich glaube, da wurde nicht lobgehudelt oder aufs Podest gestellt. Mir scheint aber wichtig, den Mensch vom Produkt zu trennen. Und: Ist es nicht besser, Lebende anzugreifen, als Tote?
Ein guter Hinweis war aber der auf Humbert Balsan, der im Film Le père de mes enfants portraitiert wurde. Das war natürlich noch eine andere Nummer. Balsan hat seinen künstlerischen Visionen – Autorenfilmen! –, eine Ermöglichungsstruktur geschaffen, und sich darüber ruiniert. Eichinger hat vor allem Geld verdient, und das mag auch gut so sein, weil Geld nicht böse ist, aber natürlich hat er sich nichts nebenher geleistet, bloß weil er – dessen Kenntnisse der Filmgeschichte jetzt allerorten gelobt werden – es liebte. Er hat weniger ermöglicht, und Freiheiten gefördert, als etwas vorgegeben. Andererseits hat auch niemand Freiheiten eingefordert. Nicht von Eichinger, nicht vom Rest. Die Franzosen sind überdies einfach schlauer.
Daran, dass der deutsche Film so ist, wie er ist, ist Eichinger nicht schuld. Aber er hat auch nicht das Geringste dafür getan, ihn in eine künstlerische Richtung zu verändern.
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Sollbruchstellen. Eichinger hatte fraglos viel Energie, und diese Energie war einzigartig in der Filmbranche. Als einziger hat Eichinger auch für die Öffentlichkeit das amerikanische Produzenten-Bild bedient. Wie es die FAZ schrieb: »Eichinger hat ein Berufsbild aufrechterhalten, das mit dem Studiosystem in Hollywood eigentlich untergegangen und in Deutschland seit den siebziger Jahren – und seit das Fernsehen auch im Kino federführend wurde – kaum noch vorhanden war. Auch deshalb ist die Lücke, die sein Tod reißt, so schmerzhaft.«
Man muss allerdings diese Energie trennen von dem, wofür er seine Energie investiert hat. Aber da kam dann auch bei Eichinger eine gewisse Selbstgerechtigkeit rein: Weil man was bewegt, soll auch das, was man bewegt über jeden Verdacht erhaben sein. Da kommt es zu Fehlern in der Selbstwahrnehmung – aber genauso in der Rezeption.
In seiner Manie, im Obsessiven, in der Inszenierung der Obsession, aber auch in seiner Cliquenwirtschaft gibt es wirklich Parallelen zu
Fassbinder. Und zu wenigen sonst.
Bei Eichinger erschöpfte sich aber auch vieles im Inszenieren. Eichinger inszenierte die Entstehungsgeschichte seiner Filme oft mehr, als diese Filme selbst. Immer wieder teilte einem Eichinger auf die eine oder andere Art mit: »Schaut her! Ich hab’s geschafft, das und das hinzukriegen, ich hab’s hingekriegt, dies und jenes zu finanzieren.« Das stimmte ja auch. Aber dahinter war Leere. In seinen letzten Jahrzehnten hatte Eichinger kein Thema mehr gehabt, weder als Regisseur, noch als Produzent: In Last Exit Brooklyn gab es noch eine Kongruenz zwischen Werk und Person. Vielleicht auch noch im Grossen Bagarozy. Danach aber hat Eichinger nicht mehr die innere Stärke gehabt, oder das Interesse, ein Thema über dessen schönen Schein, seine Physiologie und Oberflächen hinaus, auch noch psychologisch zu verarbeiten. Da war er dann doch nur ein Produzent, kein Künstler.
So war der Eichinger dann einer, der geradezu systematisch einige der interessanten Filmemacher – und die, die es sich gefallen ließen – ausgebeutet hat, künstlerisch – und bei einem Macho wie Eichinger, dem immer auch alles Hahnenkampf und Männerbund war, darf man das so sagen – »enteiert«, wie Tykwer beim Parfüm, Roehler bei den Elementarteilchen. Gansel bei diversen Produktionen und manche die wir hier netterweise gar nicht erst nennen, ein für allemal. Immer wenn von einem »Eichinger-Film« die Rede war, wurden die Regisseure darüber fast vergessen.
Aber der Eichinger der letzten 20 Jahre hat nie im Namen irgendeiner echten Leidenschaft Filme gemacht: Er hat sich eben nicht entschlossen, als Filmemacher zu sich selbst zu kommen, und dann eben getraut, notfalls zehn Bagarotzys hintereinander in den Sand zu setzen. Stattdessen hat er sich entschieden, den irgendwie auch schon unzeitgemäßen Produzentenmythos des klassischen Hollywood zu bedienen, den deutschen Gigantomanen zu spielen, der in US-Kategorien, dann aber doch eher klein blieb.
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Es heißt jetzt immer wieder mal, Eichinger habe Gespür für Menschen gehabt. Wirklich??? Hat er meiner Meinung nach gerade oft nicht. Das wirklich Schlimme an Eichinger waren die Epigonen, Speichellecker und Nachmacher. Und die Jungs in seinem Gefolge. Und die Zwerge, wie Rohrbach... All denen gegenüber fand ich Eichinger sausympathisch... Man muss nur daran denken, wer jetzt noch übrig bleib: Fred Kogel. Oliver Berben. Nico Hofmann. Nicht schön.
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Material. Das »System Eichinger«, das Kosslick so lobt, bekam man aber eben nur ganz oder gar nicht, und als Ganzes war es, das muss auch mal so gesagt werden, wie es war, eine ganz schön eindimensionale Männernummer. Wir kennen mehr als eine, der irgendwann mal auf Partys von einer Assistentin zugeflüstert wurde: »Du, der Bernd will dich kennenlernen.« Dann ging man mit, oder eben nicht. Dieses ganze ranzige ich-hol-mir-jetzt-mal-Fickmaterial-Jungsding, das da kultiviert wurde, konnte einen schon ankotzen. Sensibilität hin, Großzügigkeit her, die er beide hatte. Trotzdem gab es für Eichinger genau drei Typen von Menschen: Entweder neutrale wie Doris Dörrie, dann kann man mit ihnen arbeiten, oder sie waren Fickmaterial und den Rest macht man mit Jungs.
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Geld. Dieser Rest war vor allem das »Multimillionendollarstahlgewitter« von dem in Rossini mal die Rede ist. Schnell, nachdem sich der unmittelbare Schock über die Nachricht von Bernd Eichingers plötzlichem Tod gelegt hatte, kamen die ersten Fragen: Was bedeutet dies alles eigentlich für Eichingers Firma, die Constantin Film? Und was sind die Folgen für die deutsche Filmlandschaft als Ganze? Erst vor knapp eineinhalb Jahren war die Münchner »Constantin Film«, die Eichinger 1979 in abgewracktem, fast insolventem Zustand übernommen und zu beispiellosen Erfolgen geführt hatte, als börsennotiertes Unternehmen nach zehn Jahren verschwunden und in der Constantin Medien AG aufgegangen, an denen ein Leo Kirch indirekt erstaunliche 18,1 Prozent Anteile hält. Der Wert einer Aktie des Unternehmens lag gestern früh bei nur noch 1.62 Euro – kein guter Stand. Und durch Eichingers Tod dürften die Erwartungen noch weiter sinken. 2009 war die Aktie noch etwa 18 Euro wert gewesen, und beim Börsengang 1999 hatte eine Aktie der Constantin Film mal 29 Euro gekostet. Zur Constantin Medien gehört unter anderem der Privatsender Sport 1 (früher DSF). Allein für das vergangene Jahr meldete man Umsatzrückgänge von über 10 Prozent, hinzu kommt, dass in einem für deutsche Firmen allgemein eher erfolglosen Kinojahr auch der lange Zeit äußert gut aufgestellte Film-Zweig des Konzerns in Schwierigkeiten kam: Der Marktanteil ging zurück, und selbst innerhalb der deutschen Konkurrenz konnte die ebenfalls in München angesiedelte Concorde die Constantin überholen.
Aus der ersten Reihe des Geschäfts hatte sich Eichinger allerdings schon vor einiger Zeit zurückgezogen. Ihn interessierten Finanz- und Börsenfragen nur als Mittel zum Zweck: In Deutschland eine Filmindustrie aufzubauen, die mit Hollywood konkurrieren könnte. Offiziell war Eichinger seit Anfang 2006 außer seinem Sitz im Aufsichtsrat der Firma noch als Produzent und Drehbuchautor tätig. Hier arbeitete er zuletzt an der Vorbereitung des geplanten Films über das Entführungsopfer Natascha Kampusch – dessen Zukunft ist zur Zeit völlig unklar. Ähnliches muss man für die Filmsparte konstatieren. Denn auch wenn Eichinger formal längst nicht mehr das Sagen hatte, so war er doch nicht nur als Macher einzelner Filme und Ratgeber der Finanzjongleure geschätzt: Er war ein Antreiber und er war in seiner ganzen, so unruhigen wie schillernden Persönlichkeit das menschliche Aushängeschild eines ansonsten gesichtslosen Konzerns. Und dessen Wert kann in der Filmbranche gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Eichinger war der wohl einflussreichste Lobbyist in der Filmbranche der Bundesrepublik. Sein Wort hatte Gewicht bei den Kulturpolitikern im Bund und in Bayern, und seit der Einführung des Amts des »Kulturstaatsministers« im Kanzleramt 1998 pflegte Eichinger zu allen vier Kulturstaatsministern persönliche Beziehungen – so gut und eng, wie die jeweiligen Amtsträger das zuließen. Vor allem aber konnte ein Eichinger bei den Länder-Förderern und den für die Finanzierung von Kinofilmen unverzichtbaren öffentlichen Fernsehsendern immer noch ein bisschen mehr Geld locker machen, als die übrigen Produzenten. Da spiegelt sich in den Etats der von ihm produzierten Filme: Der Untergang war 2004 mit 14 Millionen Euro ebenso der teuerste deutsche Film seit Jahrzehnten, ebenso wie Der Baader Meinhof Komplex, dessen Produktion 2008 gar um die 20 Millionen Euro verschlang, die Hälfte davon finanziert von ARD-Anstalten.
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Solche Möglichkeiten zogen Eichinger auch den Neid mancher Branchenkollegen zu. Gleichzeitig war er, dann eben schon der Macher zwischen lauter Rechnern, der Jongleur unter den »Erbsenzählern« (nochmal Rossini) des deutschen Films, für eine neue Produzentengeneration ein Vorbild. Es gibt viele Eichinger-Epigonen, und es mag sein, dass sich jetzt, wenn der große Schatten, den der Münchner auf die Branche warf, verschwunden ist, auch der eine oder andere nach vorne wagt, und versucht, den Raum der plötzlich frei ist, auszufüllen. Kein anderer als Eichinger selbst hat einst gezeigt, dass in der Branche Film nur der großen Erfolg hat, der auch großes wagt. Zumindest in seinen frühen Jahren, als dem Arztsohn Eichinger gar nichts anderes übrig blieb, als sein ganzes eigenes und auch viel fremdes Geld zu riskieren, war Eichinger auch immer eine Spielernatur gewesen, und ganz ohne Glück ist sein Erfolg nicht zu erklären. Aber es muss für das Kino nichts Schlechtes sein, wenn ein Produzent einmal – fast unüblich geworden – eigenes Geld riskiert. Bei der Constantin selbst traut man allenfalls Film-Vorstand Martin Moszkowicz zu, in Eichingers Fußstapfen zu treten. Aber Moszkowicz ist bei all seinen unbestreitbaren Fähigkeiten ein Mann des Wirtschaftlichen, dem die Kino-Kreativität das schöpferische Feuer eines Bernd Eichinger völlig fehlen.
Was der Tod Eichingers für den Standort München bedeutet, und damit mittelbar auch für Berlin, ist noch schwerer einzuschätzen. Mit der Constantin und der Concorde sitzen zwei starke Kino-Firmen an der Isar, denen in Berlin nur X-Filme das Wasser reichen können, während die Senator seit Jahren finanziell am Tropf hängt, ohne sichtbare Fortschritte. Zuletzt, nach großen Erfolgen des Medienboard Berlin-Brandenburg (MBB), erhöhte Bayern wieder den Etat der eigenen Filmförderung, während der des MBB stagniert. Vielleicht lassen sich die Berliner und Brandenburger Politiker ja jetzt motivieren. Zudem scheint man beim MBB aber weniger auf Filmkunst und verstärkt auf Kommerzielles zu setzen – damit ist München aber kaum Konkurrenz zu machen. So gesehen dürfte sich kurzfristig im Länderwettbewerb wenig ändern – erst wenn eine neue Persönlichkeit vom Range Eichingers auftaucht, werden die Weichen neu gestellt.
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»Indem ich es aber zeige, hört das Jetzt auf zu sein; ist im Moment des Zeigens bereits ein gewesenes ... Was aber gewesen ist, ist kein Wesen; es ist nicht mehr. Wird Bewegung ... wird ein Jetzt, ein Jetzt und noch ein Jetzt ... wird ein Jetzt als einfacher Tag, das viele Jetzt in sich hat ... Stunden ... Minuten ... viele Jetzt ... eine Vielheit von Jetzt ... Und das Hier ist, wie dieses Jetzt, nicht ein Hier, sondern ein Vorn und Hinten, ein Oben und Unten, ein Rechts und Links. Es
verschwindet ... in anderen Hier, verschwindet ... in einer Komplexion aus vielen Hiers ... geht über in eine Bewegung von dem gemeinten Hier ... geht über ... durch viele Hier ... in das allgemeine Hier Zu sein, das ... wie der Tag ... eine Vielheit der Jetzt ... eine Vielheit der Hier ist ...«
Hegel, »Phänomenologie des Geistes«
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Geschlossene Machtallianz. Einem erlauchten nur sehr beschränkt öffentlichen Kreis wurde jetzt auch in Berlin Schicksaljahre vorgestellt. Wenn wir wissen, dass Maria Furtwängler die Hauptrolle spielt, dann gehen wir schon in Deckung. Wenn wir auch noch wissen, dass es sich bei dem ZDF-Zweiteiler, der im Februar ausgestahlt wird, um eine Produktion von Nico Hofmann bzw. seiner Firma teamworx handelt, dann ahnen wir schon, was bevorsteht: Ein unsäglicher Schmachtfetzen, tränenselig und verkitscht, mit 50er-Jahre-Moral, ein beiläufig auch politisch fragwürdiger Film-Revisionismus.
Wer es nicht weiß: Schicksaljahre ist ein Film nach dem, der auf dem Buch »Vom Glück nur ein Schatten« basiert, in dem der ehemalige Brandt-Redenschreiber und Schröder-Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye das Leben seiner Mutter Ursula erzählt. Gegen das Buch ist gar nichts zu sagen, gegen seine Banalisierung fürs TV dagegen schon.
Drei Stunden lang mussten die Premieren-Gäste dies in der Astor Film Lounge über sich ergehen lassen, dazu eine Stunde bedeutungsduseliges Gerede. Dazu Nico Hofmann auf der Bühne: »Ich freu' mich, dass der Christian da ist.« Dann Maria Furtwängler, nachdem sie in den gefühlten 200 Minuten des Films in jeder Einstellung zu sehen war, auch auf der Bühne: »Du Christian, wir kennen uns übrigens auch, denn ich hab ja für Dich ermittelt...« Der Christian, das ist übrigens unser Bundespräsident, und weil offenbar nicht alle wissen, wie der mit Nachnamen heißt: Wulff. Aber auch der Wulff ist nur ein Mensch.
Was man da erlebte, abgesehen von einem sauschlechten Film, das war vor allem der Eindruck einer geschlossene Machtallianz. Das waren Feinde. Das waren die, denen gegenüber es keine Schönfärbereien und keine falschen Freundlichkeiten geben darf, weil sie alles das verkörpern, was unsereins – und »wir« sind dann zum Glück doch mehr, als einigen lieb wäre – zumindest an der Entwicklung des deutschen Films, der Selbstpreisgabe von Qualität und dem Herunterkommen der Förderung und des öffentlich finanzierten Fernsehens, verabscheuen.
Besonders verabscheuungswürdig ist dabei die heilige Stimmung im Saal. Gegenseitig wird sich Wichtigkeit und Bedeutung versichert. Man darf da nichts, aber auch gar nichts Kritisches oder Ironisierendes sagen.
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Und wenn hier einer sich am Ausdruck »Feind« stört, dann sei er getröstet: Die, die ich meine, sehen das ganz genau: Das ist ja nun allerdings auch eine interessante Beobachtung an diesen Geld-und Machtmenschen, bei der sich eine Freundin an eine Begegnung mit Helmut Kohl erinnert fühlte, als der noch Kanzler war: Auch wenn man nichts sagt, ein neutrales Gesicht zu machen sich alle Mühe gibt: Wie die Meute, die den Schweiß des Wildes riecht – Sie spüren binnen Sekundenbruchteilen: Wir gehören nicht zu ihnen.
(To be continued)
Unter dem Titel »Cinema Moralia« sind hier in loser Folge Notizen zum Kino zu finden, aktuelle Beobachtungen, Kurzkritiken, Klatsch und Filmpolitik, sowie Hinweise. Eine Art Tagebuch eines Kinogehers.